Warum der Keks Zähne hat
„Das Kipferl gibt es nicht erst seit der Türkenbelagerung und wurde als Symbol für die Mondsichel geformt“, weiß Martin Hablesreiter. Gemeinsam mit Sonja Stummerer formt er „honey and bunny“. Das Duo im Alsergrund hinterfragt, warum Fischstäbchen rechteckig sind und Semmerl fünf Zehen haben.
BEZIRKSZEITUNG: Sie sind beide ausgebildete Architekten, wie kam es dazu, dass Sie sich mit der Gestaltung von Essen, also Food Design, beschäftigen?
SONJA STUMMERER: „Angefangen hat alles bereits während des Studiums. Wir haben uns gefragt, warum die Semmel fünf Teile hat, man kann sie ja dadurch nur schwer halbieren. Dann hat sich das Thema immer weiter entwickelt: Warum haben die Zuckerwürfel unterschiedliche Größen und Formen, oder warum hat etwa ein Leibniz-Keks Zähne am Rand?“
BZ: Und warum hat nun dieser Keks Zähne am Rand?
SONJA STUMMERER: „Das liegt ganz einfach daran, dass der Keks aus Mürbteig gemacht wird. Dieser löst sich einfacher von der Form in der Produktionswalze, wenn der Rand abgerundet ist.“
BZ: Wie haben Sie sich weiter mit Food Design auseinandergesetzt ?
MARTIN HABLESREITER: „ Wir haben dann für eine Seminararbeit auf der Universität zu recherchieren begonnen und bemerkt, dass es fast keine Literatur zum Thema gibt. Design wird ja oft nur als Dekoration gesehen, wie man etwas am Teller anrichtet. Uns geht es aber um die Frage, warum die Sachen so aussehen wie sie aussehen und wer über die Formgebung entscheidet.“
BZ: Was haben die Recherchen ergeben? Welche Faktoren entscheiden über die Form unseres Essens?
MARTIN HABLESREITER: „Es gibt drei große Punkte, nach denen das Aussehen der Lebensmittel bestimmt wird: Erstens ist es der sinnliche Genuss. Dabei geht es um den Geschmack, die Textur, die Form, also schlicht um das Erlebnis beim Essen. Zweitens wird das Essen nach der Funktionalität enwickelt. Der dritte Einflussbereich ist der kulturelle Hintergrund und die Entstehungsgeschichte, wie etwa beim Kipferl. Uns haben eben genau diese standardisierten Formen interessiert. Das sind nämlich genau so Design-Objekte wie jedes andere. Die muss irgendwer irgendwann einmal in seiner Form entworfen haben.“
BZ: Wie war das beim Kipferl? Wer hat dem seine allseits bekannte Form gegeben?
MARTIN HABLESREITER: „Bei der Entstehungsgeschichte des Kipferls kursiert ja die Geschichte, dass wir es seit der Türkenbelagerung haben. Das stimmt aber so nicht. Das Kipferl gibt es seit der Antike. Die Griechen haben es schon als Symbol für die Mondsichel, beziehungsweise für die Mondgöttin Artemis so geformt.“
SONJA STUMMERER: „Ein anderes Beispiel ist auch das Fischstäbchen. Das hat wegen der industrialisierten Herstellung und damit es nicht an Fisch erinnert, seine rechteckige Form.“
BZ: Was halten Sie von dem Spruch: Man ist was man isst? Kann man das auch auf die Form beziehen?
MARTIN HABLESREITER: „Der Spruch geht ja noch weiter und stammt ursprünglich von Feuerbach. Es heißt: Man ist was man isst, deswegen gebt den Armen zu essen. Das hat eher etwas mit der sozialen Zugehörigkeit zu tun, was man sich zu essen leisten kann.“
SONJA STUMMERER: „Man kann es aber auch durchaus in Hinblick auf Design beziehen. Man drückt ja etwas damit aus, wenn man bestimmte Produkte isst oder nicht.“
BZ: Was ist das skurrilste, das Ihnen an gestaltetem Essen vor die Augen gekommen ist?
SONJA STUMMERER: „Das skurrilste, denke ich, sind Lollies, bei denen Ameisen oder Skorpione in die Zuckermasse eingegossen sind. Oder in Japan gibt es Käse-Bonbons mit Kaffee- und Erdbeergeschmack. Für unseren europäischen Geschmackssinn ist das halt ungewöhnlich.“
BZ: Sie haben bereits zwei Bücher und einen Film über Food Design gemacht. Was sind die nächsten Projekte?
SONJA STUMMERER: „Wir sind im Moment an zwei Filmen dran. Bei dem einen wird es über Essverhalten gehen, beim anderen ist das Thema noch geheim. Außerdem entwerfen wir laufend Lebensmittel für Unternehmen.“
Das Interview führte
Vera Aichhorn
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