Buchhandel
Der Milena Verlag verlegt Wiener Literatur in der Josefstadt
Der Milena Verlag ist seit 1980 fixer Bestandteil der Josefstadt. Doch im Laufe der Jahre hat auch er sich gewandelt.
WIEN/JOSEFSTADT. Milena Jesenská war eine tschechische Schriftstellerin, Journalistin und Übersetzerin – und eine Geliebte von Franz Kafka. Sie war auch eine Kommunistin, wurde aber 1936 aus der Partei aufgeschlossen. In einem Brief schrieb sie dazu: "Die Menschen aus dem kommunistischen Apparat sind das schlimmste, was ich auf der Welt kenne ... jeder, der selbständig denken will – wird sofort beseitigt." Später schloss sie sich dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus an, starb aber 1944 im KZ.
Eine bemerkenswerte Frauenbiographie – weshalb ein Josefstädter Buchverlag ihren Namen trägt. "Bis 1997 hießen wir noch Wiener Frauenverlag", so Vanessa Wieser, die aktuelle Verlagschefin: "Aber dann wurde der Verlag in Milena umbenannt. Als Hommage an Milena Jesenská!"
Bücher von Männer und Frauen
Spezialisiert hatte man sich damals noch auf Frauenliteratur. Männer wurden lange gar nicht verlegt, man sah sich als feministischer Verlag. "Als ich dann Mitte der 2000er-Jahre übernahm, hat sich einiges geändert", so Wieser. Denn sie war "abgeturnt" von der feministischen Bewegung, wie sie sagt. Sie war ihr zu streng und dachte für sie zu viel in Täter-Opfer-Kategorien.
"Aber dass alle Männer Täter sind und die Frauen nur Opfer, ist nicht meine Sicht der Dinge", sagt Wieser. Und so krempelte sie das Verlagsprogramm ordentlich um. Seither werden im Josefstädter Verlag in der Wickenburggasse nicht nur Bücher von Frauen, sondern auch von Männern verlegt.
Pfiffige Bücher, ernste Bücher
"Generell wollte ich mehr Pfiff in den Verlag bringen", so Wieser: "Ich mag Bücher, die man verfilmen könnte, die einen Plot haben." Außerdem lacht sie gerne, weshalb Milena verstärkt Bücher verlegt, die gut unterhalten. So etwa der Bestseller "Wiener Alltagspoeten", in dem Andreas Rainer lustige, traurige oder schräge Zitate von der Wiener Straße sammelte.
"Ich hab einfach kein Problem mit Gaudi", so Wieser: "Ich hab selber einen blöden Schmäh." Das heißt aber nicht, dass Milena nur noch Unterhaltungsliteratur verlegt. Im Gegenteil: es gibt eine Reihe Klassiker und zeithistorischer Bücher.
So wurde etwa ein Werk von Vera Ferra-Mikura verlegt, die später als Kinder- und Jugendbuchautorin bekannt wurde. Sie veröffentlichte 1947 einen Erwachsenenroman, der "Die Sackgasse" heißt – darin beschrieb sie indirekt die österreichische Nachkriegszeit unmittelbar nach 1945. Es geht dabei um die Familie Kleist, die in einem Zinshaus lebt. Die Umstände dort sind schwierig, die Hausgemeinschaft misstrauisch.
"Ich zeige historische Autorinnen, gerade auch lustige", so Wieser: "Viele Beispiele zeigen, dass es schon immer emanzipierte Frauen gab!" Auch wenn Milena sich im Laufe der Zeit verändert hat – vergessen hat der Verlag seine Wurzeln nicht. Und insofern passt der Name von Milena Jesenská noch immer ganz gut.
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