Architekturvision / Klagenfurt
Ungebaut, aber unvergessen: Zwei TU‑Wien‑Diplomarbeiten dachten den Lendhafen neu

- Bibliothek am Lendkanal: Frei nach einem Entwurf von Mario Meleschnig (synthetic image)
- hochgeladen von Franz Waditzer
Eine Bibliothek am Lendkanal und eine unterirdische Veranstaltungshalle – die Entwürfe von Mario Meleschnig und Stefan Paoloni wurden nie realisiert, prägen aber die Debatte über den öffentlichen Raum am Wasser.
Klagenfurt. Der Lendkanal, im 16. Jahrhundert künstlich angelegt und rund vier Kilometer lang, verbindet die Altstadt mit dem Wörthersee – und bleibt doch städtebaulich ein Versprechen. Zwei Diplomarbeiten aus dem Jahr 2015 an der TU Wien, betreut von Christian Kühn, hatten diesem Versprechen eine präzise Form verliehen: Mario Meleschnig entwarf eine Stadtbibliothek am Ufer, Stefan Paoloni eine Veranstaltungshalle im historischen Lendhafenviertel. Gebaut wurde beides nicht. Die Ideen aber zeigen, wie sich Klagenfurts „Lendhafenviertel“ in einen starken öffentlichen Raum verwandeln ließe.
Bibliothek am Ufer: Lernen, Aufenthalt, Durchwegung
Meleschnigs Bibliothek legt sich entlang des Lendkanalufers, ergänzt um ein Café. Begehbare Dächer und Rampen öffnen das Gebäude zur Promenade, die barrierefreie Erschließung gehört zum architektonischen Konzept, nicht zum Add-on. Fuß‑ und Radweg sowie der Kanal selbst bleiben unangetastet – der Bau fügt sich ein, statt abzuriegeln. Innen verzichtet die Bibliothek bewusst auf starre Zonierungen; das Motto lautet: „Alles soll überall funktionieren können.“ Die Anlage war insbesondere für Schulen und Kindergärten gedacht – als Bildungs- und Aufenthaltsort am Wasser.
Halle im Boden: Topografie als Ressource
Paoloni verlegt die Veranstaltungshalle für rund 600 Personen konsequent unter die Erde – in den Bereich, in dem das Gelände bis zu sechs Meter von der Altstadt zum Lendhafen abfällt. Sichtbar blieben kleinteilige Aufbauten und Lichtschächte, die eigentlichen Nutzflächen entstehen in der Tiefe. Das Ratschtreslhaus (Ratsch‑Thresl‑Hof) dient als Eingang, Foyer und Gastronomie und würde saniert; die historische Struktur bleibt erhalten. Die Idee: bestehende Substanz nutzen, verbinden, erweitern, statt sie zu überformen.
Es blieb bei Entwürfen
Gerade weil die Projekte nicht realisiert wurden und auch nicht realisierbar waren, markieren sie umso deutlicher, wo städtebauliches Potenzial liegt: In der feinen Fügung zwischen Bestand und Neubau, in barrierefreien, offenen Erdgeschossen und in der produktiven Nutzung von Topografie. Eine Bibliothek als öffentlicher Grund am Lend und eine Halle, die Rücksicht statt Sichtbarkeit sucht – beides sind robuste Leitmotive für eine behutsame Transformation des Lendhafens.
Städte entstehen nicht nur aus dem, was gebaut wird, sondern aus dem, was überzeugend vorgeschlagen wurde. Die beiden Diplomarbeiten wurden nie realisiert. Aber sie haben den Lendhafen bereits verändert – als präzise Vorstellung davon, wie Kultur, Bildung und Landschaft sich hier verschränken könnten. Und weil Vorstellungen hartnäckig sind, bleiben sie im Stadtkörper wie leise Markierungen zurück.
Materialien:
Abstracte für die Diplomarbeiten:
"Die folgende Arbeit ist Teil eines Entwurfskonzepts, das gemeinsam mit meinem Freund und Kommilitonen Stefan Paoloni entstanden ist. Die beiden Diplomarbeiten bespielen das Gebiet rund um den Lendhafen Klagenfurt. Das gemeinsame Leitbild zielt auf die Gestaltung und Impulssetzung in diesem Bereich der Stadt ab. Während sich der Entwurf von Stefan Paoloni mit der Ausarbeitung einer Veranstaltungshalle im historischen Lendhafenviertel beschäftigt, befasse ich mich in meiner Entwurfsarbeit mit der Entwicklung einer Stadtbibliothek am Lendkanal selbst. Die Bibliothek mit dem angebundenen Kaffee erstreckt sich entlang des Lendkanalufers und versucht eine sanfte Verbindung von moderner Architektur und Natur zu schaffen. Als Bildungsstätte soll die Bibliothek Anstoß zur kulturellen Entwicklung der Stadt Klagenfurt geben. Die Innenraumgestaltung der Bibliothek folgt keiner eindeutigen, endgültigen Funktionszuweisung - alles soll überall funktionieren können. Im Innen und Außenbereich erfolgt eine barrierefreie Erschließung des Gebäudes über Rampen; im Außenbereich zusätzlich durch begehbare Dachflächen." - Mario Meleschnig
"Die folgende Arbeit ist Teil eines Entwurfskonzepts, das gemeinsam mit meinem Freund und Kommilitonen Mario Meleschnig entstanden ist. Die beiden Diplomarbeiten bespielen das Gebiet rund um den Lendhafen Klagenfurt. Das gemeinsame Leitbild zielt auf die Gestaltung und Impulssetzung in diesem Bereich der Stadt ab. Der Entwurf meines Kollegen befasst sich mit der Ausarbeitung einer Stadtbibliothek entlang des Lendkanals. Meine Arbeit bezieht sich auf den, an den Lendhafen anschließenden östlichen Teil. Geplant ist eine Veranstaltungshalle mit erweiterten Funktionen, eingebettet in einen historischen Teil des Lendhafenviertels, welches den Übergang von der Altstadt Klagenfurt in den um bis zu 6 Meter tieferliegenden Lendhafen bildet. Die topografischen Gegebenheiten ermöglichen interessante Entwicklungen in die Tiefe, um nötige Nutzflächen für mittelgroße Veranstaltungen zu erhalten ohne dabei Blickachsen und die historisch entstandenen Strukturen in der Umgebung zu stören. Nutzen, verbinden und erweitern von bestehenden Strukturen bilden die gestalterischen Mittel für den Entwurf." - Stefan Paolini
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