Das Bachmann Haus in der Henselstraße
In einem Haus mit Garten, Rosen und Apfelbäumen

- hochgeladen von Franz Waditzer
in den 1920Jahren entstand nach Entwürfen von F. L. Freyer eine Reihenhaussiedlung mit Vorgärten für Angestellten- und Beamtenfamilien in der Henselstraße. In Anlehnung an den US-amerikanischen Stadtforscher Mike Davies graben wir in der Vergangenheit der Stadt und des Kreuzberglviertels und blicken zurück und nach vorn in die Zukunft der Stadt.
Es geht darum über das Sichtbare hinauszuschauen, Routinen zu erproben, über Unorte nachzudenken und Verbindungen aufzumachen.
Birgit Schmid schrieb 2023 in der Neuen Züricher Zeitung: " Es gab keinen Ort mehr, der Ingeborg Bachmann nicht wehtat" – in Klagenfurt suchte sie Abstand. Und hielt es doch nie lange aus. Kehrte Ingeborg Bachmann in ihr Elternhaus in Klagenfurt zurück, wich sie von dort in den Wald aus und an den Wörthersee. Ihre Geburtsstadt bemüht sich nun darum, die widerspenstige Dichterin im Gedächtnis zu behalten.
1933 wurde in der Reihenhaussiedlung ein Haus bezogen: "Eines Tages ziehen die Kinder um in die Henselstraße. In ein Haus ohne Hausherr, in eine Siedlung, die unter Hypotheken zahm und engherzig ausgekrochen ist," schrieb Ingeborg Bachmann. In ein Häuschen mit Garten,"in dem vorne Rosen gepflanzt werden und hinten kleine Apfelbäume und Ribiselsträucher, umgeben von Nachbarskindern, die alles besser können und besser wissen".
Der Umzug in dieses Reihenhausambiente, das für die siebenjährige Ingeborg Bachmann eher beklemmend als idyllisch war, stellte für die Familie einen Aufstieg dar. Zuvor hatte die Familie nahe der St.Veiter Straße in einem Mietshaus in der Durchlaßstraße in Annabichl gewohnt.
Ingeborg Bachmann war zwölf. Am 4. und 5. April 1938 war Adolf Hitler zu Besuch in Klagenfurt, was von einem erheblichen Teil der Bevölkerung als „Freudentag“ erlebt wurde. Diesem großen Ereignis wurde in Kärntens Zeitungen ein zentraler Platz eingeräumt: „Der Führer im jubelnden Kärnten. 150.000 Kärntner begrüßen den Führer aller Deutschen. Begeisterungsstürme in den Straßen Klagenfurts .
"Die in nationalsozialistischen Zeitungen angegeben Zahlen müssen stets kritisch betrachtet werden. Man muss davon ausgehen, dass die Zahl der Anwesenden beim Besuch Hitlers in Klagenfurt stark übertrieben ist, wobei mit dieser Feststellung keineswegs die Freude und der Jubel zehntausender Kärntnerinnen und Kärntner heruntergespielt werden soll. Nicht zufällig kam Hitler wenige Tage vor der Volksabstimmung: Mit seinem Besuch sollten die Massen mobilisiert werden bei der Volksabstimmung am 10. April für ihn zu stimmen," schrieben Nadja Danglmaier und Helge Stromberger in der Broschüre "Orte der nationalsozialistischen Gewalt in Klagenfurt. Auseinandersetzung mit Regionalgeschichte".
Ingeborg Bachmann hat später von diesem einen bestimmten Moment gesprochen, der ihre Kindheit zertrümmert habe. "Es war etwas so Entsetzliches, dass mit diesem Tag meine Erinnerung anfängt: durch einen zu frühen Schmerz, wie ich ihn in dieser Stärke vielleicht später überhaupt nie mehr hatte . . . diese ungeheure Brutalität, die spürbar war, dieses Brüllen, Singen und Marschieren – das Aufkommen meiner ersten Todesangst."
Während die Stadt bombardiert wird, sitzt die 18-jährige Ingeborg Jahre später im Garten und liest Rilkes Stundenbuch und lernt Gedichte aus Baudelaires Fleurs du mal auswendig. Ingeborg Bachmann lebte hier bis zum Jahr 1945.
Literaturmuseum „Ingeborg-Bachmann-Haus“
Das Haus in der Henselstraße war bis 2021 in Familienbesitz und wurde von der Kärnten Privatstiftung gekauft. Auf Wunsch der Familie soll das Haus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zur Zeit wird das Haus renoviert. Nach den Sanierungsarbeiten soll das Haus als Literaturmuseum „Ingeborg-Bachmann-Haus“ seine Türen mit einer Ausstellung öffnen, die das Leben und das Werk der Autorin vorstellt. Das Bachmann-Haus soll neben seiner musealen Funktion auch der Begegnung und dem Austausch einer literarisch interessierten Öffentlichkeit dienen und als Veranstaltungsort genutzt werden. Dies soll auf mehreren miteinander verknüpften Ebenen funktionieren: als Treffpunkt eines literaturaffinen Publikums, als Drehscheibe im Wissenschaftsbetrieb mit besonderem Augenmerk auf die Pflege des Bachmann´schen Werkes, als Schnittstelle zur diesbezüglichen Forschung an der AAU und anderen Universitäten, als Ort der Begegnung und des Diskurses für junge Literatinnen und Literaten und Wissenschafterinnen und Wissenschafter.
Während vielerorts noch darüber nachgedacht wird, inwieweit ein Museum politisch sein kann oder muss, ist dieses wunderbare Haus ganz generell und aus seiner Geschichte heraus ein Ort der politischen Bildung und der Kunst, der Sinnlichkeit und der Erinnerung.
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