Unser Boden - Unser Leben
Der Boden ist das wertvollste Gut
Weinviertel: Rüsselkäfer hat heuer schon 5.000 ha Zuckerrüben weggefuttert – in etwa der Zuckerbedarf von Wien.
WEINVIERTEL | BEZIRK KORNEUBURG. "Unser Boden wird immer besser. Dank Begrünung, die als Erosionsschutz dienst, gibt es bei Niederschlägen immer weniger Bereiche, wo uns die Felder im wahrsten Sinne des Wortes davonrinnen", erzählt Lorenz Mayr, Landwirtschaftskammer NÖ-Vizepräsident, selbst Landwirt und Obmann sowie Gründer des Vereins "Boden.Leben". Der Boden ist die Lebensgrundlage der Landwirte. Sich um ihn zu kümmern, hat sich Mayr zur Aufgabe gemacht. "Nach der Ernte im Sommer wird eine Mischung von Bodendeckern ausgebracht, die den Boden schützt. Die nächste Saat wird dann direkt eingebracht." Die Kehrseite: ob Rübe oder Sonnenblume, der "Tisch" ist im Frühjahr nicht rein.
Jeden Tropfen halten
Zwei Möglichkeiten gibt es dann: "Man kann das Feld mechanisch bearbeiten, um das Unkraut zu entfernen, dann zerstört man aber etwa auch Regenwurmgänge, die wichtig sind. Oder man bringt eine Direktsaat aus, die Verunkrautung muss dann mit Pflanzenschutzmitteln entfernt werden, schließlich braucht die Kultur Wasser und Licht", schildert Mayr das Dilemma. Warum also der ganze Aufwand? "Wegen dem Klimawandel, es gibt oft fünf bis sechs Wochen keinen Regen, wir müssen jeden Tropfen Wasser halten, so lange es geht."
Kampf gegen Millionen
Verändertes Klima fordert Landwirte aber auch an einer anderen Front. "Es ist wärmer, weniger feucht und so funktioniert die natürliche Bekämpfung von Schädlingen nicht mehr." So kämpfen die heimischen Bauern mittlerweile gegen Millionen von Gegner: die Zuckerrübe schmeckt dem Rüsselkäfer zu gut, an den Erdäpfeln knabbern die Drahtwürmer und am Raps bedient sich der Erdfloh. "Die Schädlinge passen sich leider besser an die neuen Bedingungen an, als die Pflanzen."
Auf der anderen Seite der Schädlingsfront fehlen wirksame Mittel, um den gefräßigen Räubern Herr zu werden. "Seit 2014 wurden die Pflanzenschutzmittel um 22 Prozent reduziert. Die EU will diese jetzt nochmals um 50 Prozent verringern. Wir stehen aber jetzt schon mit dem Rücken zur Wand", fürchtet Mayr um die Existenz vieler Landwirte. Und dabei seien die zuvor eingesetzten Mittel wahre Hightech-Wunder gewesen. "Früher wurde der Samen, etwa der Rübe, gebeizt. Schädlich war das nur für den Rüsselkäfer, für den Menschen vollkommen unbedenklich. Denn bis die Rübe oder das Produkt daraus auf dem Teller landete, war der Wirkstoff längst abgebaut. Jetzt müssen wir flächendeckend Insektizide ausbringen, für mich ist das ein Rückschritt."
Und noch etwas ärgert Mayr: Zuckerrübe, Erdäpfel oder Raps – entweder wird die Ernte durch Schädlinge vernichtet oder die Bauern sähen weniger aus. "Weil wir so nicht überleben können." Die Folge: Um den Bedarf abdecken zu können, muss aus dem Ausland importiert werden. "Dort dürfen aber all jene Mittel verwendet werden, die uns verboten wurden, meist noch dazu mit weniger strengen Auflagen. Ist das wirklich besser?"
Die Ist-Situation
Durch den Rüsselkäfer sind im Weinviertel heuer schon 5.000 ha Zuckerrüben verloren gegangen. Das entspricht in etwa 60.000 Tonnen Zucker, der Menge, die ganz Wien verbraucht. So mancher Landwirt hat eine zweite Aussaat versucht, die jedoch auf Grund der nicht mehr optimalen Wetter- und Temperaturbedingen sowie erneutem Schädlingsbefalls nicht treiben konnte. "Wir versuchen, mit Pheromonkübeln, die wir auf dem Acker vergraben, die Schädlinge einzufangen. Danach müssen die Kübel ausgesaugt werden", erzählt Lorenz Mayr. Auch durch zusätzliches Spritzen und beackern entsteht hier ein gewaltiger Mehraufwand an Energie und Finanzen.
Die Folge, entweder müssen die Landwirte die Verluste durch den Schädlingsbefall hinnehmen oder sie bauen die betroffenen Kulturen erst garnicht mehr an. "Früher wuchsen in Niederösterreich 60.0000 ha Raps, heute sind es gerade noch 27.000 ha. Noch gibt es Vorräte, aber das Öl wird knapp werden und wiederum muss aus dem Ausland importiert werden, was die Abhängigkeit wieder erhöht."
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