Meisterliche Erhöhung
Ich gestehe es: Ich wollte Cornelius Meister am Pult des Radiosymphonie Orchesters Wien sehen, fühlen, wie er dirigiert. Er verlässt alsbald Wien. Ein große Kapellmeister erste Güte. Dass dann auch das die Programm stimmt, ist göttliche Fügung.
Beethovens 4. Symphonie wirkt weich gezeichnet, mit einem Schuss Dramatik, eine hervorragende Mischung. Am Klavier Fazil Say, der türkische Pianist und Menschenrechtler. Er fühlt die Musik, die aus den Tönen strömt, sie gibt ihm auch einen verklärten Gesichtsausdruck. Er betätigt nicht nur die Tasten, sondern er ist ein inhärenter Musikversteher. Meister, der den zweiten und dritten Satz verbindet, leitet das Konzert für Klavier und yorchester Nr.3 c-moll, op 37 sehr differenziert mit der Ausdruck der Achtung für den Komponisten, der eine neue Sprache der Symphonik versuchte.
Stürmisch, kämpferisch und auflehnend beginnt der erste Satz der Symphonie Nr. 4c c-Moll op. 43. von Dmitri Schostakowitsch. Es mag wohl daran liegen, dass der in Stalins Ära Lebende sich immer wieder damit auseinander setzen musste - was gefällt oder auch nicht. Schostakowitsch war von Ausgrenzung, Verbannung und sogar vom Tod bedroht. Die Clique um Stalin machte nicht viel Federlesen, wenn einer aus der Reihe tanzte. Gefragt waren volkstümliche, bestenfalls heroische Lieder für die Ehre der Sowjets. Er war kein Konformist, ging an geduldete Grenzen. So auch bei dieser Symphonie, die er mit atonalen und tonalen Tönen ausstattete - ein gefährliches Spiel.
Den zweiten Satz sehe ich als Besinnung, ein Innerhalten, Erschöpfung, klangliches austarieren, ehe der Finalsatz – für mich – mit Resignation endet.
Das RSO unter Meister schafft beides, die an Mozart erinnernde Symphonie Beethovens und das ungewöhnliche Musikstück eines Russen, der bis 1975 in unserer Mitte lebte. Großer Jubel.
Infos und tickets: www.konzerthaus.at
Reinhard Hübl
P.S.: Am 31. Jänner 2017 gedenkt die Musikwelt des 220. Geburtstags von Franz Schubert. Im Wiener Konzerthaus können Sie rund um Schuberts Festtag eine Reihe von Veranstaltungen erleben, die aus dem Vollen seines gigantischen Œuvres schöpfen. Wer Lust hat Schubert noch einmal ganz neu zu entdecken, sollte sich das Wochenende vom 18./19. Februar tagsüber freihalten: Dann nämlich wird einer der weltweit führenden Schubert-Experten, der britische Liedbegleiter Graham Johnson, in zwei eigens konzipierten Vortragskonzerten ausgewählte Lieder Schuberts im gesellschaftlichen Kontext ihrer Entstehungszeit beleuchten. Johnson wird seinen so vergnüglichen wie profunden Vortrag auf Deutsch halten. Infos wie oben.
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