Edeltraud Kamprath aus Liesing
Sie ist Liesings letzte Bäuerin
Edeltraud Kamprath lebt seit Jahrzehnten mit vielen Tieren auf ihrem Bauernhof am Rand von Liesing.
WIEN/LIESING. Bis vor wenigen Jahren hat Edeltraud Kamprath ihre Gänse, Hendln, Kühe und Ziegen noch dreimal am Tag versorgt und hat im Geräteschupfen sowie auf den weitläufigen Wiesen nach dem Rechten gesehen. Heute wird Liesings letzte Bio-Bäuerin selbst dreimal täglich vom mobilen Pflegedienst der Caritas umsorgt - sonst hat sich im Gütenbachtal aber nichts geändert.
"Vor 35 Jahren hab ich einen Unfall mit einer Kuh gehabt", erzählt die mittlerweile 93-Jährige. "Des Viech hat nichts dafür können, aber mir hat's dabei das Becken gebrochen." Seit damals war die tägliche Hofarbeit noch beschwerlicher - aber noch lange kein Grund zum Aufgeben.
Auf Urlaub war sie nie
"Meine Tiere müssen halt in der Früh aus dem Stall und am Abend wieder reingelassen werden", erzählt Kamprath mit leuchtenden Augen. "Auf Urlaub kann man als Bäuerin nicht fahren, aber das wär mir auch nie eingefallen." Geboren wurde die Förstertochter im niederösterreichischen Kilb, nach einigen Jahren übernahm ihr Vater das Forsthaus im Gütenbachtal. Erinnerungen an Streifzüge durch die umliegenden Wälder und gemeinsames Musizieren sind auch mehr als acht Jahrzehnte später noch in der Frau mit den stets heiteren Gesichtszügen gespeichert.
Nach einer Ausbildung unterrichtete Kamprath selbst an einer Landwirtschaftsschule - bis ihr zu Ohren kam, dass der Bauernhof im Gütenbachtal zu verkaufen sei. "Wenn man weiß, dass etwas passt, kann man ruhig auch ein bisserl was riskieren", kommentiert sie ihren damaligen Entschluss, ihr Leben mit rund 100 Tieren auf einem ein-Frau-Betrieb weiterzuführen.
Immer wieder hatte sie Helfer, die bei Tieren und Maschinen zur Hand gingen. "Aber manche haben gesoffen oder sind von einem Tag auf den anderen verschwunden", erinnert sie sich. "Irgendwann sind zwei junge Inder hergekommen, mit denen hat alles gepasst." Joginder Singh ist ihr geblieben - Liesings letzte Bäuerin nennt den studierten Techniker heute "meinen Sohn."
Mit den Ziegen in der Stube
Leibliche Kinder hat Kamprath keine, verheiratet war sie auch nie, "einen Freund hab ich aber schon gehabt - dem ist das alles aber irgendwann zu anstrengend geworden." Um Heizkosten zu sparen, verbrachte sie viele Winter gemeinsam mit ihren Ziegen - oder besser gesagt, ihre Ziegen mit ihr: "Die waren halt da bei mir herinnen in der Stube, wenns draußen wirklich kalt war - da ist's herinnen gleich wärmer geworden, und die Viecherln haben sich ja sehr wohl gefühlt."
Das Wohlbefinden ihrer Tiere stand bei Kamprath zu allen Zeiten ganz oben auf der Wichtigkeitsskala - schließlich war sie schon Bio-Bäuerin, als es den Begriff noch gar nicht gab. "Spritzmittel, Turbofutter - das alles braucht man nur, wenn das Geldverdienen im Vordergrund steht", erklärt die Landwirtschaftsökonomin. "Mir war immer wichtig, dass es meinen Tieren gut geht, weil dann ist's mir ganz automatisch auch gut gegangen."
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