Ein echter "Rembrandt" war leider noch nie dabei

Michael Mooslechner in der Anfangszeit des Trödlerladens. | Foto: Arge-Trödlerladen
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  • Michael Mooslechner in der Anfangszeit des Trödlerladens.
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Herr Mooslechner, Sie haben nach ihrem Sozialwirtschaftsstudium in einer Bank gearbeitet. Wie war das und was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?

Das war nur ein kurzer Zeitraum. Ich kam relativ schnell zur persönlichen Erkenntnis, dass ich meine berufliche Zukunft nicht darin sehe ,das Geld anderer Leute zu vermehren.

Was hat Sie dann in die Sozialarbeit gebracht?
Im Jahr 1985 suchte die Arge für das noch junge Projekt Trödlerladen, das mir sehr gut gefiel, zusätzliches Personal.Ich  wollte mich auch beruflich dort engagieren, wo es um den Abbau von Ausgrenzung und sozialer Benachteiligung geht.

Wie ist die Idee der Arge für Obdachlose entstanden?
Schon in den 70er Jahren gab es regelmäßige Treffen von Menschen aus Einrichtungen, die mit der Problematik Obdachlosigkeit zu tun hatten, wie Caritas, Diakonie ,Magistrat, Heilsarmee, usw. Daraus entwickelte sich als loser Zusammenschluss, die damalige Arbeitsgemeinschaft für Nichtsesshafte. Bald  darauf wurde die erste Beratungsstelle für Obdachlose gegründet.

Sie sind zwar kein Gründungsmitglied der Arge, aber fast. Was hat die Leute damals motiviert, sich für Wohnungslose einzusetzen?
Es waren sozial sehr engagierte Personen, oft mit kirchlichem Hintergrund. Einige haben bis vor wenigen Jahren trotz hohen Alters noch im Vorstand der Arge ehrenamtlich mitgearbeitet.

Was sind die Gründe für Wohnungslosigkeit?
Fast immer sind es mehrere Faktoren ,wie Arbeitslosigkeit, Armut,Schulden, gescheiterte Beziehungen, gesundheitliche Probleme und Schicksalsschläge, die Auslöser.Oft hatten diese Menschen schon als Kinder schlechte Startbedingungen, wuchsen in Heimen oder sozial benachteiligten Familien auf. Zudem wird es für Leute mit niedrigem Einkommen immer schwieriger, leistbaren Wohnraum zu finden.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen „Wohnungslosen“ und „Obdachlosen“?
Während Obdachlose tatsächlich im  Freien oder irgendwelchen Unterschlüpfen schlafen, bezeichnet man als wohnungslos auch all jene Menschen die inNotschlafstellen , Wohnheimen, Übergangswohnungen oder als Mitbewohner nächtigen, aber auf Dauer keinen eigenen Wohnraum zur Verfügung haben.

Wie war es zu den Anfangszeiten der Arge wohnungslos zu sein?
Damals gab es noch den sogenannten Sandlerparagraphen, d.h. Obdachlosigkeit war eine Gesetzesübertretung und konnte bestraft werden. Es gab kaum Hilfsangebote in Linz, Schlafen konnte man nur bei der Heilsarmee in Schlafsälen, tagsüber musste man sich im Freien aufhalten.

Wie hat sich die Lage in den letzten 35 Jahren verändert?
Die Hilfsangebote haben sich deutlich verbessert, es gibt adäquate Schlafplätze, Wohnheime, Übergangswohnungen, Tageszentren und Beschäftigungsmöglichkeiten.

Werden Wohnungslose heute anders behandelt als damals?
Ich glaube schon, dass sich die Einstellung eines großen Teils der Bevölkerung zu Wohnungslosen verbessert hat. Gerade Initiativen wie der Arge Trödlerladen oder unsere Strassenzeitung Kupfermuckn ermöglichen die Kontaktaufnahme zu diesem Personenkreis. Dass im Zusammenhang mit der  globalen politischen Entwicklung Egoismus wieder viel wichtiger als Solidarität wird, bereitet mir allerdings große Sorgen.

Wie hat sich die Arbeit der Arge in dieser Zeit verändert?
Aus einer kleinen Beratungsstelle mit Wärmestube habe sich bis heute fünf Projekte entwickelt: Trödlerladen und Kupfermuckn schaffen Beschäftigungsmöglichkeiten, WieWo und Arge Sie bieten Beratung , Betreuung und Übergangswohnungen und ReWo leistet Delogierungsprävention im Mühlviertel.

Sie haben den Trödlerladen lange geleitet. Wie ist die Idee entstanden so ein Geschäft zu gründen?
Anfang der 80er  Jahre gab es schon ähnliche Projekte in Wien und in Salzburg. Die damaligen MitarbeiterInnen der Arge wollten  geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten im Rahmen eines nicht gewinnorientierten Altwarenhandels schaffen. Mit Hilfe  einer Förderung durch den damaligen Sozialminister konnte die Idee umgesetzt werden.

Woher bekommt der Trödlerladen seine Waren?
Großteils von jährlich über 100 Wohnungsräumungen und Entrümpelungen,  zahlreiche Gegenstände werden auch in unserem Lager abgegeben.

Was geben die Leute im Trödlerladen so alles ab?
Eigentlich alles, was noch verwendbar ist, wie Möbel , E-Geräte, Gewand, Geschirr, Krimskrams,..

Waren auch schon mal echte Raritäten oder gar Kostbarkeiten dabei?
Ab und zu erhalten wir  schon wertvollere Porzellanfiguren und Bilder, auch schöne alte Möbel, ein echter " Rembrandt" oder ähnliches war leider noch nie dabei.

Was war das skurrilste, das im Trödlerladen abgegeben wurde?
In einem großen Keller fanden wir einen  in hunderte Teile zerlegten alten VW-Käfer.

Viele Menschen sind zwar nicht wohnungslos, leiden aber unter steigenden Wohnkosten. In Linz wird derzeit viel über Verdichtung und Hochhäuser diskutiert. Was halten Sie von der Debatte?
Wesentlich erscheint mir , dass ausreichend leistbare Mietwohnungen für Einkommensschwache zur Verfügung stehen.Bei zu großer Verdichtung sollte man vielleicht die Problematik der Ghettoisierung mitbedenken.

Sie sind seit einem Jahr in Altersteilzeit. Was machen Sie mit der gewonnenen Freizeit?
Ich habe seit eineinhalb Jahren eine ganz liebe Enkeltochter in Wien, für die jetzt viel Zeit da ist.

Michael Mooslechner in der Anfangszeit des Trödlerladens. | Foto: Arge-Trödlerladen
Mooslechner ist Konsulent für Soziales des Land OÖ. | Foto: Arge für Obdachlose
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