Stadteilreportage
Ein Rembrandt in Kleinmünchen und andere Geschichten
Seit fast 100 Jahren gehört der Stadtteil Kleinmünchen zu Linz. Kaum jemand kennt das Grätzel so gut wie Helfried Hinterleitner. Der Hobby-Chronist sammelt seit 1983 die Geschichten der Bewohner, historische Informationen und alte Fotos. Zwei Bücher hat er darüber bereits veröffentlicht. Wir treffen ihn zu einem Rundgang durchs Viertel und kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
LINZ. "Ob ich das Löwenfeld-Haus kenne", lautet die Frage von Helfried Hinterleitner an mich, als ich ihn um einen kurzen Rundgang bitte und einen Treffpunkt vereinbaren möchte. Nein, nie gehört – das "Palais Löwenfeld" wie es heute heißt, liegt in der Dauphinestraße und wurde 2017 renoviert und neu eröffnet. Ich treffe Herrn Hinterleitner vor dem Eingang der ehemaligen Fabrikantenvilla.
1852 kauften die Baumwollspinnereibesitzer Löwenfeld & Hofmann, Vorgängerunternehmen der heutigen Linz Textil, das Bauwerk. 1881–1882 erfolgte durch Ignaz Scheck der Umbau zu einem repräsentativen Wohnsitz der Industriellenfamilie. Später verfiel der Bau allmählich, bis schließlich eine umfassende Sanierung in den Jahren 2015 bis 2017 erfolgte.
Ein echter Rembrandt in Kleinmünchen
Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz und beherbergt mehrere Firmen. Es ist auch das Geburtshaus des Linzer Malers Egon Hofmann. Mit der Kunst kam er dort vermutlich schon früh in Berührung. "Sein Großvater Wilhelm war ein Sammler und richtete in dem Gebäude eine Galerie ein", erzählt Hinterleitner, "dort hatte er Bilder von Rubens, Rembrandt, Tizian und Breughel hängen." Die Werke wurden nach seinem Tod 1906 in New York versteigert. Das weiß Hinterleitner aus einem alten Katalog, der ihm in die Hände fiel.
Wie die Dauphinestraße zu ihrem Namen kam
Wir gehen gemeinsam die Dauphinestraße Richtung Kleinmünchner Hof, dem heutigen Volkshaus, entlang. Sie hat ihren Namen durch ein historisches Ereignis erhalten: Keine geringere als die spätere französische Kaiserin Marie Antoinette hat sie in einer Kutsche auf ihrem Weg nach Paris zur Hochzeit passiert. Detail am Rande: Bis 1954 fehlte der Straße ein "e" und war in falscher Schreibweise als Dauphinstraße bekannt. Auf unserem Weg passieren wir auch das Gelände der alten Dierzer-Teppichfabrik. Das Gebäude fiel 1983 einem Brand zum Opfer. Direkt daneben befindet sich die Linz Textil, die bis heute in Betrieb ist.
Das ehemalige Gasthaus "Kleinmünchner Hof" wurde 2008 renoviert und zum modernen Veranstaltungszentrum umgebaut. Nach dem Volkshaus beginnt das eigentliche Zentrum des Stadtteils. Mittlerweile wird es durch einen großen Eurosparmarkt markiert, daneben sind aber noch die alten Geschäfte und Kaufhäuser, wie das Kaufhaus Schmid zu sehen.
Als die "Amis" mit den Panzern kamen
Dort treffen wir zufällig auf ein echtes Kleinmünchner Urgestein – Ferdinand "Ferry" Unger. Der 86-Jährige ist in Kleinmünchen geboren und aufgewachsen und lebt bis heute dort. Als Fußballspieler bei der ASKÖ Donau ist er einigen Linzer wahrscheinlich noch ein Begriff. Er erinnert sich noch genau an den Tag, als die amerikanischen Panzer nach Kriegsende in Kleinmünchen einfuhren, genau an der Stelle, an der wir gerade stehen. "Vom oberen Stock des Kaufhauses haben die Amis Lebensmittel heruntergeworfen", berichtet Unger, "und eine Schießerei hat es dort auch gegeben. Da hat einer das Lager plündern wollen."
Erste Kirche bereits im 10. Jahrhundert errichtet
Von dieser Stelle aus hat man einen guten Blick auf die St. Quirinus Kirche. In ihrer heutigen Form steht sie dort seit 1906. Zuvor stand eine ältere Kirche ein paar hundert Meter weiter in der Dauphinestraße. Eine erste Holzkirche gab es dort schon im 10. Jahrhundert. An ihrer Stelle erinnert nur mehr der "Quirinus-Hof", ein Wohngebäude, an den ehemaligen Kirchenstandort.
Schüsse auf das Arbeiterheim
Als letzte Station führt mich Helfried Hinterleiter noch zum Arbeiterheim. Die Renovierung des geschichtsträchtigen Gebäudes ist gerade in der letzten Phase. Im Februar 1934 gab es im Zuge der Februarkämpfe laut Zeitzeugenberichten, die Hinterleitner sammelte, auch einen Schußwechsel dort. Die Heimwehr besetzte den Kirchturm der St. Quirinus Kirche und setzte von dort aus Schüsse auf das Heim am. Die Aufschrift "Arbeiterheim" sei noch am gleichen Tag abgeschlagen worden.
Zwei Publikationen über Kleinmünchen
Der Chronist Helfried Hinterleitner hat zwei Bücher über Kleinmünchen verfasst. Darin sammelte er historische Fakten, Geschichten von Zeitzeugen und alte Ansichten. Die erste Publikation heißt "Kleinmünchen 75 Jahre bei Linz", die zweite hat den Titel "Kleinmünchen, eine Reise durch die Geschichte". Ein Exemplar kostet jeweils 29,90 Euro, der Postversand erfolgt kostenlos. Bestellung per E-Mail direkt bei: helfried.hinterleitner@liwest.at
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