Story der Woche
Farbenfrohe Bilder statt grauem Beton

- Fünf Tage arbeitete das Künstlerpaar Video.Sckre an dem großflächigen Mural in der Linzer Lessingstraße.
- Foto: Klaudia Kreslehner/Nordico
- hochgeladen von Silvia Gschwandtner
An Graffiti und Street Art scheiden sich die Geister. Für die einen Schmiererei und Sachbeschädigung, Kunst im öffentlichen Raum für die anderen. Jetzt dokumentiert eine Ausstellung im Nordico Stadtmuseum erstmals die Entwicklung der Linzer Szene seit den 1980er-Jahren. Wir haben mit Klaudia Kreslehner, Kuratorin der Ausstellung "Graffiti & Bananas", und zwei Graffiti-Artists gesprochen.
LINZ. "Das Bild, das sich auf den Wänden unserer Stadt abzeichnet, ist vielfältig", sagt Klaudia Kreslehner, Kuratorin der Ausstellung "Graffiti & Bananas" im Nordico Stadtmuseum. In monatelanger Recherche hat sie die gesprühten Botschaften und Bilder, manche kunstfertiger als andere, fotografisch dokumentiert. Sexistische, rassistische, nationalsozialistische homophobe und gewaltverherrlichende Parolen finden sich neben dem Ruf nach Gerechtigkeit, Geschlechtergleichstellung, Freiheit, Frieden, Klimarettung und Liebe.

- Foto: Klaudia Kreslehner/Nordico
- hochgeladen von Silvia Gschwandtner
Anonyme Botschaften an die Öffentlichkeit
"Kommunikation unter dem Deckmantel der Anonymität", erläutert Kreslehner," der Empfänger ist die Öffentlichkeit. So erhalten auch aktuelle politische Ereignisse Gehör, die sonst medial wenig Aufmerksamkeit erhalten. Als zwei Mitglieder der politisch verfolgten türkischen Band "Grup Yorum" während der Haft im Hungerstreik verstarben, tauchten auch in Linz Botschaften dazu auf einigen Wänden auf. Und auch das Corona-Virus wurde rasch künstlerisch verarbeitet.

- Nach 297 Tagen im Hungerstreik starb am 24. April 2020 der politische Häftling Mustafa Kocak in einem türkischen Hochsicherheitsgefängnis. Der 28-Jährige hatte ein faires, neues Gerichtsverfahren für sich gefordert. Er war 2018 zu „verschärfter“ lebenslanger Haft verurteilt worden, weil er angeblich den linksradikalen Mördern eines Staatsanwalts in Istanbul 2015 Waffen beschaffte. Doch sein Schuldspruch beruhte nur auf den nicht überprüfbaren Aussagen eines vorgeblichen Kronzeugen.
- Foto: Gschwandtner/BRS
- hochgeladen von Silvia Gschwandtner

- Auch das Corona-Virus ist bereits auf einem Grafitti am Donaustrand in Alturfahr verewigt.
- Foto: Klaudia Kreslehner/Nordico
- hochgeladen von Silvia Gschwandtner
Illegales Graffiti und "legale Wände"
"Wenn man mich offenen Augen durch die Stadt geht, ist das wie eine Entdeckungsreise – eine Stadt in der Stadt. Subversiv, widersprüchlich, charmant, rotzfrech, systemkritisch, politisch", sagt Kreslehner. Mehr und mehr mischen sich auch richtige Kunstwerke darunter. Kreslehner beobachtet, dass die steigende Anzahl an legalen Wänden die Qualität der Graffitis steigen lässt. In Linz darf aktuell an acht Orten legal gesprüht werden. Die größte legale Fläche befindet sich unterhalb des Römerbergtunnels an der Donau. Illegales Sprühen ist kein Kavaliersdelikt. Wird man abseits einer erlaubten Fläche beim Sprühen erwischt, handelt man sich hohe Strafen ein. "Der Strafrahmen liegt bei bis zu sechs Monaten oder bei schwerer Sachbeschädigung bei bis zu zwei Jahren", so Karl Pogutter vom Stadtpolizeikommando Linz.
Graffiti-Galerie im Linzer Hafen
Der 2012 eröffnete Mural Harbor zeigt eine ständig wachsende und sich wandelnde Auswahl von Arbeiten nationaler und internationaler Artists. Die großflächigen und kunstvollen Gemälde werden als Murals bezeichnet und gelten mittlerweile als Touristenattraktion in Linz. Auch einige nicht denkmalgeschützte Wände in der Tabakfabrik wurden im Rahmen von zwei Graffiti-Festivals v on Künsterln verschönert und sind frei zugänglich. Auch das trage zum steigenden Image von Graffiti bei, so Kreslehner. Immer mehr Firmen und Gastronomiebetriebe vergeben immer Aufträge an Graffiti-Künstler und die bunten Wände werden gern als Hintergrund für Foto- und Videoaufnahmen genutzt.

- Die bunte Fassade des Kulturvereins KAPU bietet verschiedenen Künstlern eine legale Fläche.
- Foto: Klaudia Kreslehner/Nordico
- hochgeladen von Silvia Gschwandtner

- Mit diesem Porträt von Kevin Spade und ironischem Spruch machte die KAPU internationalen Schlagzeilen und sorgte für heftige Diskussionen im Internet.
- Foto: Klaudia Kreslehner/Nordico
- hochgeladen von Silvia Gschwandtner
Wandgemälde bringt Natur auf die Fassade
Ganz neu im Linzer Stadtgebiet ist eine großflächige Arbeit an einer Fassade in der Lessingstraße. Sie stammt vom Künstlerpaar Video.Sckre. Die Linzerin Julia Heinisch studierte Kunstgeschichte und Bildhauerei und arbeitet als freie Künstlerin unter dem Künstlernamen Video.Oner. Ihr Partner, Frederic Sontag (Sckre), ist gelernter Bühnenmaler und derzeit an den Münchner Kammerspielen beschäftigt. Gemeinsam gestalteten sie auf Eigeninitiative und ohne Bezahlung die graue Fassade. Der Hausbesitzer gab dazu seine Zustimmung, Bezahlung gab es keine. "Die Nähe zum Römerberg und der grüne Baumtunnel oberhalb des Römerbergtunnels war etwas, mit dem wir unbedingt arbeiten wollten", so Heinisch. Die beiden verwenden in ihren Arbeiten ausschließlich Motive aus der Natur – Heinisch ist auf Tiere spezialisiert, Sontag gestaltet florale Elemente. Die Umsetzung dauerte fünf Tage.

- Julia Heinisch und Frederic Sontag gestalteten vor Kurzem auf Eigeninitiative mit Erlaubnis des Hausbesitzers ein großflächiges Mural in der Lessingstraße.
- Foto: Klaudia Kreslehner/Nordico
- hochgeladen von Silvia Gschwandtner

- Foto: Klaudia Kreslehner/Nordico
- hochgeladen von Silvia Gschwandtner
Wunsch nach mehr Murals in der Innenstadt
Für Heinisch ist Linz eine vergleichsweise "saubere Stadt". Die Hafengalerie hätte das Bewusstsein bei der Bevölkerung für Graffiti zwar verstärkt, es gleichzeitig aber auch "kontrolliert draußen" gehalten. Sie wünscht sich mehr Murals in der Innenstadt. Die Arbeit in der Lessingstraße könnte ein Anfang sein. "Ich freue mich über fast jede bemalte Wand mehr, als über eine graue", pflichtet Sontag ihr bei.

- In Vorbereitung auf die Ausstellung im Nordico arbeiten derzeit verschiedene Künstler öffentlich an einer Wand vor dem Museum. Die Ausstellung "Graffiti & Bananas" ist ab 3. September geöffnet.
- Foto: Klaudia Kreslehner/Nordico
- hochgeladen von Silvia Gschwandtner
Ausstellung im Nordico Stadtmuseum
Als Vorbereitung auf die Ausstellung "Graffiti & Bananas" sind derzeit vor dem Nordico Stadtmuseum Wände aus Holzpatten aufgestellt. Mehrere Artists arbeiten gerade an diesen. Die Ausstellung zeigt ab 3. September eine bunte Mischung an großformatigen Graffitis, an Graffiti-inspirierter Kunst und einer umfassenden Dokumentation in Form von Text und über 1000 Fotos über die letzten 30 Jahre an Graffiti in Linz. Zusätzlich wird es zahlreiche Themenführungen und Workshops geben, unter anderem bei Julia Heinisch. Weitere Infos zu Graffiti & Bananas in Kürze auf der Nordico-Website.
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.