Menschen im Gespräch
"Heute ist eine Uni eigentlich eine Firma"

Das Büro ist bereits ausgeräumt, die Wände waren aber vorher schon kahl. "Egal was ich hingehängt hätte, es wäre falsch gewesen", schmunzelt der ehemalige Rektor der Kunstuniversität Linz. | Foto: BRS/Gschwandtner
2Bilder
  • Das Büro ist bereits ausgeräumt, die Wände waren aber vorher schon kahl. "Egal was ich hingehängt hätte, es wäre falsch gewesen", schmunzelt der ehemalige Rektor der Kunstuniversität Linz.
  • Foto: BRS/Gschwandtner
  • hochgeladen von Silvia Gschwandtner

Fast 20 Jahre stand Reinhard Kannonier als Rektor der Kunstuniversität Linz vor. Im Gespräch mit der StadtRundschau blickt er auf die letzten Jahre zurück und freut sich auf Kommendes.

LINZ. Zwei Tage vor seiner Pensionierung haben wir Reinhard Kannonier in seinem bereits leeren Büro am Hauptplatz besucht und über riskante Projekte, die Freiheit der Kunst und den besonderen Stellenwert des Weltspartags in Oberösterreich gesprochen.

Wie geht es Ihnen an Ihrem vorletzten offiziellen Arbeitstag, erleichtert?
Reinhard Kannonier: Überwiegend schon, aber man hat so eine Situation ja nur einmal und muss schauen, wie es einem dann wirklich geht. Heute steht noch die letzte Rektoratssitzung an und morgen folgt noch meine letzte Dienstreise nach Zürich. Dort bekommt die Valie Export einen der höchstdotierten Preise in Höhe von 150.000 CHF verliehen. Das ist ein schönes Finale.

Ihr Büro ist ja schon recht kahl. Was hing hier vorher an der Wand? 
Hier ist auch schon vorher nichts gehangen, denn was immer ich mir hingehängt hätte, es wäre falsch gewesen. 

Und zu Hause?
Auch nicht sehr viel, ich habe es auch im Wohnbereich gern eher reduziert. Aber es hängt etwas von Valie Export und Dietmar Brehm. 

Das Büro ist bereits ausgeräumt, die Wände waren aber vorher schon kahl. "Egal was ich hingehängt hätte, es wäre falsch gewesen", schmunzelt der ehemalige Rektor der Kunstuniversität Linz. | Foto: BRS/Gschwandtner
  • Das Büro ist bereits ausgeräumt, die Wände waren aber vorher schon kahl. "Egal was ich hingehängt hätte, es wäre falsch gewesen", schmunzelt der ehemalige Rektor der Kunstuniversität Linz.
  • Foto: BRS/Gschwandtner
  • hochgeladen von Silvia Gschwandtner

Können Sie sich noch an Ihren ersten Tag an der Kunstuniversität erinnern?
Das ist schwierig! Dazu muss ich sagen, dass ich niemals daran gedacht habe an die Kunsthochschule zu wechseln. Ich war ja an der Kepler Universität damals und im Zuge der Einführung des neuen Universitätsgesetzes 2002 wurde ich von Rainer Zendron (Anm. d. Red.:  bis 2017 als Vizerektor für "Forschung und Entwicklung der Künste" tätig) gefragt, ob ich nicht Interesse hätte an die Kunsthochschule zu kommen. Das war ja eine der einschneidendsten Änderungen seit 1848 und ich hatte an der Kepler Universität den Prozess der Reform schon mitgemacht und entsprechend Erfahrung darin. Aber ich durfte an der Kunstuniversität viel neues Lernen, das ist das Schöne daran.

Wie waren die ersten Jahre?
Die ersten Jahre waren durch die Gesetzesreform sehr turbulent. Da blieb kein Stein auf dem anderen. Alles musste neu strukturiert und umorganisiert werden. Veränderung schafft Widerstände und die Veränderungen waren radikal. Man muss versuchen es für die Leute so wenig spürbar wie möglich zu machen. Man will ja, dass sie das machen, was sie am besten können - kreativ sein. Dazu muss man ihnen soviel Bürokratie wie möglich vom Hals halten. Heute ist eine Uni eigentlich wie eine Firma. Es gibt einen Aufsichtsrat in Form des Universitätsrats und eine Geschäftsführung, das ist das Rektorat. 

Finden Sie das gut?
Es hat Vor- und Nachteile. Es gibt ein dreijähriges Budget, das ermöglicht eine längerfristige Planung. Der größte Vorteil ist für mich aber die Personalhoheit der Universitäten. Das heißt die Unis können sich das Personal selbst aussuchen. Früher wurde das vom Ministerium entschieden. Nachteile waren vor allem die Geschwindigkeit, mit der die Reform durchgezogen wurde. Unterm Strich sehe ich die Reform aber positiv.

Ein großes Projekt von Ihnen war ja auch die Zusammenlegung der Kunstuniversität in die Brückenkopfgebäude und deren Umbau. Sind Sie froh, dass die offizielle Eröffnung nun noch knapp vor Ihrer Pensionierung zustande kam?
Wir sind auf jeden Fall sehr froh, dass es uns jetzt gelungen ist und die Kunstuni im Zentrum von Linz ist. Eine Zusammenlegung der verschiedenen, verstreuten Standorte von Urfahr bis Tabakfabrik war von Anfang an ein großes Thema. Besonders an einer Uni ist die Kommunikation zwischen den verschiedenen Studienrichtungen extrem wichtig. Ab dem Zeitpunkt als bekannt wurde, dass die Finanzbehörde aus dem Brückenkopfgebäude ausziehen wird, war es für mich klar, dass es Ziel sein muss die Universität hier unterzubringen. 

"Die Freiheit von Kunst, Kultur und Wissenschaft sind für mich Seismographen der demokratischen Entwicklung", Reinhard Kannonier, ehem. Rektor der Kunstuniversität Linz.

Die Gebäude sind ja historisch belastet aus der Nazi-Zeit und das Ziel war genau das Gegenteil dort unterzubringen – Kunst, Kultur und Wissenschaft. Die Freiheit von Kunst, Kultur und Wissenschaft sind für mich Seismographen der demokratischen Entwicklung. Ab dem Zeitpunkt begann der jahrelange mühsame Prozess, die Rahmenbedingungen haben sich dazwischen geändert. Beharrlichkeit und Glück gehören bei sowas auf jeden Fall dazu.

Würden Sie sagen das war Ihr wichtigstes Projekt? 
Ich würde hier Inhalt und Form nicht trennen. Es war auch wichtig, dass wir die Kunstuniversität inhaltlich neu positionieren. Immerhin haben wir mit der Akademie und der Angewandten zwei Konkurenz-Universitäten in Wien um die besten Studierenden. Junge Leute gehen gern nach Wien. Es ist nicht leicht in Linz als Universitätsstandort überregional und international attraktiv zu sein. 

Wie bringt man dann Studierende nach Linz?
Da gibt es zwei Möglichkeiten – entweder man bietet Studienrichtungen an, die in dieser Form woanders nicht angeboten werden. Zum Beispiel Architektur, wo wir hier in Linz mit dem Studio BaseHabitat unter Roland Neiger ein sehr spezielles, auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Studium haben. Oder man bietet Studien an, die es woanders gar nicht gibt, wie zum Beispiel Interface Cultures. Linz ist durch das Ars Electronica Center und die wirtschaftliche Infrastruktur prädestiniert für eine Entwicklung in Richtung Kunst, Technologie und Medien und muss sich in diese Richtung öffnen. Als ich kam, gab es auf der Uni sogar eher eine feindliche Haltung gegenüber dem Ars Electronica Center. Das war relativ mühsam und ohne Unterstützung von Stadt, Land und privaten Sponsoren wäre der Studiengang "Interface Cultures" nicht zustande gekommen.

In dem Zusammenhang - was halten Sie von der Verlegung des Ars Electronica Festivals auf das Gelände der Johannes Kepler Universität ab nächstem Jahr?
Dazu möchte ich keinen Kommentar abgeben. JKU-Rektor Meinhard Lukas ist ein Freund und Kollege und war zuvor bei uns im Uni-Rat. Er ist ein risikobereiter Typ und hat unsere Vorhaben dort immer unterstützt, zum Beispiel den Umbau in der Domgasse. Deshalb kein schlechtes Wort über Meinhard Lukas. 

Bei wem haben Sie sich während Ihrer Amtszeit Rat und Unterstützung geholt, um Ihre Projekte umzusetzen?
Bei Vielen, ein möglichst breites und vielfältiges Netzwerk ist wichtig. Alle Stakeholder, also Bund, Stadt, Land und Wirtschaft und Banken sind ganz wichtige Partner. Das ist der Hauptjob als Rektor, so steht es sogar im Gesetz - der Rektor ist zuständig für die Außenvertretung und den Aufbau eines Netzwerkes. Oberösterreich ist darin speziell, hier gibt es Dinge, die es woanders nicht gibt.

Was zum Beispiel?
Banales Beispiel: Es gibt am Weltspartag einen Tross aus Landeshauptmann, Bürgermeister und "Industriekapitänen", die ziehen in Linz von Bank zu Bank. Und in so einem Rahmen trifft man sich in irgendeiner Bank, trinkt ein Glaserl Wein. Das ist um Vieles einfacher, als wenn man sich einen Termin geben lässt - sehr oberösterreichisch. Diese Art des Netzwerkens kenne ich aus keinem anderen Bundesland. Ich sehe das aber durchaus positiv.

Sie sind ja gar kein gebürtiger Oberösterreicher?
Nein, aber ich fühle mich mittlerweile als Solcher. Ich lebe seit Ende der Siebzigerjahre in Linz. Geboren bin ich in Kärnten.

Die Verschränkung von Politik und Finanzwirtschaft ist bekanntermaßen sehr stark. Ist das Ihrer Meinung nach gut oder schlecht?
Das sehe ich durchaus ambivalent. Es hat sehr große Vorteile, aber auch gewisse Nachteile.

Manches Mal musste sich Reinhard Kannonier auch ärgern. Beruhigt hat ihn dann oft der Blick auf die Donau aus dem Fenster seines Büros. | Foto: BRS/Gschwandtner
  • Manches Mal musste sich Reinhard Kannonier auch ärgern. Beruhigt hat ihn dann oft der Blick auf die Donau aus dem Fenster seines Büros.
  • Foto: BRS/Gschwandtner
  • hochgeladen von Silvia Gschwandtner

Wie sieht das auf der Universität aus, wenn finanzielle Mittel von außen kommen? Hat man da mit Wünschen oder Erwartungen zu rechnen?
Da werde ich jetzt nicht viel dazu sagen, aber es gab zum Beispiel nie eine Diskussion über die inhaltliche Ausrichtung der Universität. Der Uni-Rat ist ja auch zur Hälfte politisch besetzt und wird von der Regierung bestellt. Aber wir haben, zumindest während meiner 19 Jahre immer Glück gehabt und die inhaltliche Ausrichtung wurde von den Räten immer mitgetragen.

Was war die mutigste inhaltliche Entscheidung?
Die Riskanteste war vielleicht "Fashion & Technology" als eigene Studienrichtung. Linz und Mode das geht auf den ersten Blick ja überhaupt nicht. Da zu hoffen, dass Leute von außerhalb nach Linz kommen, um hier Mode zu studieren war sehr riskant. Aber wir hatten bereits im ersten Jahr über 100 Anmeldungen aus 17 Nationen. 16 Plätze hatten wir zu vergeben und davon waren sogar sechs oder sieben Männer. 

Was war dabei das Erfolgsgeheimnis?
Uns war klar, dass wir etwas ganz Spezielles entwickeln müssen. In einem Prozess von einem Jahr, wo wir uns Experten von Louis Vuitton und aus Mailand geholt haben, haben wir versucht herauszufinden wohin sich die Modeindustrie entwickeln wird. Dann haben wir uns angeschaut was gibt es in Oberösterreich und festgestellt, mit der Lenzing AG gibt es einen Faserhersteller, der Weltmarktführer ist. Weiters gibt es das Linz Center of Mechatronics (LCM) und mit dem Deep Space im Ars Electronica Center haben wir eine außergewöhnliche Präsentationsmethode zur Verfügung. Mit diesen Partnern wurde die Studienrichtung zum Erfolg. Vier Jahre nach der Gründung haben wir heuer im Frühling mit dem Masterlehrgang begonnen.

Was sind denn die nächsten Projekte nach der Kunstuniversität?
Es gibt einige Angebote im Bereich Beratung, der Lehre und im Journalismus. Aber das Wichtigste ist für mich, dass ich den Prozentsatz der freien Verfügung über meine Zeit umdrehe. Der war bisher 80 Prozent Fremdbestimmtheit zu 20 Prozent freie Zeit. 

Welchen Rat geben Sie Ihrer Nachfolgerin Brigitte Hütter mit auf den Weg?
Keinen - sie braucht keinen Rat. Brigitte Hütter macht das super und hat ein gutes Team.

Das Büro ist bereits ausgeräumt, die Wände waren aber vorher schon kahl. "Egal was ich hingehängt hätte, es wäre falsch gewesen", schmunzelt der ehemalige Rektor der Kunstuniversität Linz. | Foto: BRS/Gschwandtner
Manches Mal musste sich Reinhard Kannonier auch ärgern. Beruhigt hat ihn dann oft der Blick auf die Donau aus dem Fenster seines Büros. | Foto: BRS/Gschwandtner
Anzeige
Karin befördert mit Begeisterung Fahrgäste. | Foto: OÖVV/Kneidinger-Photography
4

Für den OÖVV am Steuer
Quereinsteiger im Bus: Ein neuer Job mit vielen Vorteilen

Es gibt Menschen, die von Kindheitstagen an auf das Buslenken als Traumberuf hinarbeiten. Die meisten Buslenkerinnen und Buslenker entdecken diesen abwechslungsreichen und krisensicheren Job aber erst im Laufe der Zeit für sich.Wir stellen heute vier Beispiele vor: Karin ist gelernte Konditorin, Kathrin war Tischlerin – beide hatten vorher auch Lkw-Erfahrung –, und Bernadette und Michael tauschten ihre Gastrovergangenheit mit einem Platz hinter dem Buslenkrad.  Übers Lkw-Fahren zum...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Linz auf MeinBezirk.at/Linz

Neuigkeiten aus Linz als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Linz auf Facebook: MeinBezirk.at/Linz - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Linz und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.