Hyrtl'sches Waisenhaus:
Ein Waisenhaus von Weltruf

- Walter Jirka blickt auf eine alte Aufnahme, die die Ausmaße des Waisenhauses im Jahr 1906 zeigen.
- Foto: Stockmann
- hochgeladen von Gabriela Stockmann
MÖDLING. "Wer Kindern Paläste baut, reißt Kerkermauern nieder!" Dieses Zitat des Arztes und sozial engagierten Politikers Julius Tandler (1869 - 1936) stellt Walter Jirka seinem Buch "Das Waisenhaus Mödling" voran. Keiner kennt wie er diesen stadtbildprägenden Backstein-Bau in der Babenbergerstadt, der einst das größte Waisenhaus der Welt war und sich entlang der Wiener Straße bis auf das Areal des heutigen Gymnasiums Bachgasse erstreckte. Die Josefskirche (Waisenhauskirche) und das Gebäude der heutigen Volksschule gehörten ebenso dazu.
Große Geschichte vor der Haustür
Walter Jirka gestaltet seine Führungen, die er für Gruppen und Einzelpersonen ebenso gibt, sehr lebendig. Schließlich hat das Waisenhaus eine sehr interessante und wenig bekannte Geschichte, die seit über zehn Jahren von Jirka ("Ich bin täglich im Waisenhaus") aufgearbeitet wird. Das Haus wurde in verschiedenen Etappen im späthistorischen Baustil eines englischen Colleges ab 1886 errichtet. Finanziert wurde es von dem bekannten Anatom Josef Hyrtl, der sein Vermögen dafür spendete. "Für diese Wohltaten ist ein Seligsprechungsverfahren für Josef Hyrtl eingeleitet", berichtet Walter Jirka.
Die größte Ausdehnung war 1906 erreicht. Sein Freund Josef Schöffel unterstützte Hyrtl. Schöffel war später Bürgermeister von Mödling (1873 - 1882) und ist bekannt geworden als "Retter des Wienerwaldes", weil er mit einer journalistischen Kampagne verhinderte, dass ein Viertel des Wienerwaldes zur Schlägerung verkauft wurde.
Stadtbildprägende Architektur
Das "Waisenhaus" war insgesamt ein sehr großzügiger Bau mit eigenem Schwimmbad, großer Turnhalle, großen Schlafsälen ohne Stockbetten und einer Turnwiese, die im Winter als Eislaufplatz diente. Auch die musikalische und religiöse Erziehung wurde forciert. "Aus diesem Grund wurde das Mödlinger Waisenhaus weltweit bekannt, und es gab neben den richtigen Waisenkindern auch zahlungskräftige Kinder aus Übersee", berichtet Walter Jirka von seinen Forschungsergebnissen.
Es gab auch "dunkle Kapitel"
Darunter sind auch dunkle Kapitel. Denn im Archiv des Waisenhauses Mödling finden sich zahlreiche Dokumente, die ab 1949 eine Verbindung des Hyrtl’schen Waisenhauses (damals als „Sonderschule für Schwererziehbare“) mit der Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ in Wien belegen. „Am Spiegelgrund“ wurden von 1940 bis 1945 - historisch belegt - mindestens 789 Kinder als so genanntes „unwertes Leben“ ermordet. "330 Kinder wurden aber vom "Spiegelgrund" (auf den Steihnhofgründen) ins Waisenhaus überstellt und entkamen so möglicherweise dem Tod. Auch das ist historisch belegt", erzählt Jirka. Zuhörende zeigen sich zumeist von diesen traurigen Details erschüttert. Fazit einer Teilnehmerin nach der Führung am 25. September 2024: "So oft geht man hier vorbei und weiß doch nichts von den Hintergründen."
Walter Jirkas Kontakt: walter.jirka@kabsi.at
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