Reiseabenteuer
"Verbotenes Land" im Alleingang erkundet (mit Video)
BEZIRK MÖDLING. Johann Günther ist viel gereist, meist abseits "ausgetretener Pfade". So fuhr er einst sogar mit dem Rad von der Hinterbrühl bis zur Papstaudienz in Rom. Seit rund 20 Jahren unterrichtet er Interkulturelle Kommunikation an der Jianghan University in Wuhan. Aktuell (und seit dem Pandemie-Ausbruch) tut er dies nur noch im Fernlehre-Modus, vor Corona erfüllte sich der Professor aber noch einen lang gehegten Traum.
Allein nach Tibet
"Üblicherweise unterrichte ich in Wuhan ein Monat geblockt, als Incentive gab es danach meistens eine Reise durch China. Da hatte ich den Wunsch, auch einmal Tibet zu bereisen", erzählt Günther. Dies war jedoch lange Zeit praktisch unmöglich ("nachdem unser Bundespräsident den Dalai Lama einst wie einen Staatsmann empfangen hatte, gab es für Österreicher kein Tibet-Visum"), dann waren Reisen nur in Gruppen möglich. "Da ich Tibet aber nicht á la Pauschalreise erleben wollte, kam auch das für mich nicht in Frage", so Günther, dem letztlich ein kleiner Trick seinen Traum ermöglichte: "Der Rektor meiner Uni hat mich dann einer 'Reisegruppe' zugewiesen, die nur aus einer Person, mir selbst, bestanden hat."
Als Abenteuer gestaltete sich dann schon die Anreise: "Insgesamt zwei Tage dauerte die Zugreise vom Meeresniveau auf 5.000 Meter Seehöhe. Die Koje habe ich mir mit sieben anderen geteilt, es gab keine Tür und nur einfache Holzpritschen, auch gekocht wurde dort. Die anderen Passagiere waren allesamt Chinesen, die auch kein Englisch konnten. Verstanden haben wir uns trotzdem bestens", erinnert sich Günther, für den die Reise ein unvergessliches Erlebnis war: "Vor Ort stand mir dann ein Führer zur Verfügung. Ein Tibeter, der in Indien studiert hat, dessen Studium aber in China nicht anerkannt wird, weswegen er sich so seinen Lebensunterhalt verdient." Mit ihm erlebte er auch Außergewöhnliches: "Seine Schwiegermutter war verstorben und der Brauch will es, dass ein Familienangehöriger zu einem Einsiedler fährt und ein Opfer bringt." So begleitete Günther seinen 'Fremdenführer' zu einem Einsiedler, der auf 5.500 Metern Höhe in einer Höhle lebte: "Mit einer Reisegruppe erlebt man so etwas nicht", erinnert sich Günther.
Video: Drei Fragen an Johann Günther
Neues Buch
Die Lockdown-Zeit, als Reisen ohnehin nicht möglich waren, nutzte Günther dann, um seine Erfahrungen in einem Buch festzuhalten (erschienen im Amazon-Verlag, erhältlich aber auch in den lokalen Buchhandlungen). Auch um einen neuen Blick auf Tibet zu ermöglichen, von dem bei uns immer noch ein romantisch verklärtes Bild existiert: "Die Mönchskultur prägt Tibet nachwievor, den Chinesen und den modernen Zeiten stehen die Tibeter aber nicht so kritisch gegenüber. Mein Fremdenführer sagte mir einmal: 'Ihr im Westen wollt, dass wir in Tibet wie in einem Museum leben. Aber auch wir wollen am Fortschritt teilhaben.'"
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