Wilhelm Gonter erinnert sich
Der letzte Dorftrommler von Deutsch Jahrndorf
Als Gemeindetrommler von Deutsch Jahrndorf war Wilhelm Gonter hautnah bei der Öffnung der österreichisch-ungarischen Grenze im Frühjahr 1989 mit dabei. Mit seinem Fahrrad fuhr er durchs Dorf und mit seiner Trommel verkündete er die Grenzöffnung zu Ungarn.
AUTORIN: Andrea Glatzer
DEUTSCH JAHRNDORF. Über 22 Jahre arbeitete Wilhelm Gonter als Gemeindearbeiter, zu dessen Aufgabenbereich auch das „Austrommeln“ wichtiger Nachrichten für die Gemeindebürger zählte. Auf die Frage, um welche Nachrichten es sich dabei denn handelte, plaudert er aus seinem Erinnerungsschatz: „Ich musste Austrommeln gehen, wenn der Notar nach Deutsch Jahrndorf kam oder die Auszahlung der jährlichen Jagdpacht stattfand“. Damals kündigte sich der Notar von Neusiedl am See bei der Gemeinde in Deutsch Jahrndorf noch mittels Brief an, wann er seinen Sprechtag abhielt.
Es wird kundgemacht
Ausgetrommelt wurde die Nachricht nach einem Trommelwirbel so: „Es wird kundgemacht, morgen kommt der öffentliche Notar Dr. Franz Eberhardt in das Gemeindeamt und hält in der Zeit von 9 bis 11 Uhr Sprechtag ab. Jeder kann in dieser Zeit vorsprechen und sein Anliegen vorbringen.“
Diese Art der Nachrichtenübermittlung klingt im digitalen Zeitalter von Smartphone und Social Media unglaublich. Der Dorftrommler konzentrierte sich bei seiner Tätigkeit auf das Wesentliche, nämlich der Nachricht, dass zum Beispiel Hunde im Dorf nicht frei herumlaufen durften. Durchsagen privater Natur gehörten hin und wieder auch dazu, wie der Beginn des Christbaumverkaufs oder der Grumbian(Erdäpfel)-Verkauf im Lagerhaus.
Viele Erinnerungen an die "schöne" alte Zeit
Über 22 Jahre arbeitete Wilhelm Gonter als Gemeindearbeiter in Deutsch Jahrndorf. Zuvor hatte er eine Lehre zum Fleischhauer in Kittsee absolviert. Anschließend war er viele Jahre in einer Wurstfabrik in Himberg beschäftigt. Als Gemeindearbeiter hatte er alle öffentlichen Grünflächen im Ort zu pflegen und dazu kam auch noch der örtliche Friedhof mit der Tätigkeit des Totengräbers. Als Multitalent war er immer zur Stelle, wenn es etwas zu Renovieren und Sanieren gab. Er erinnert sich auch an die schneereichen Winter in Deutsch Jahrndorf, wo er ab fünf Uhr früh mit der Schneeschaufel bewaffnet, den ganzen Tag hindurch gegen die Schneeverwehungen ankämpfen musste. Vieles lebt noch in seiner Erinnerung, als wäre es gestern gewesen. Wilhelm Gonter war in vielerlei Hinsicht ein stiller Helfer, der das Getriebe der Welt mit dem Öl der Ausdauer, Geduld und Treue in Gang hält und dafür lebt. Nur wenn er als Gemeindetrommler Nachrichten austrommeln fuhr, musste er von allen gehört werden.
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