100 Jahre Burgenland
Ein Märtyrer-Priester in Neusiedl

Der Märtyrer-Priester Franz Wohlmuth. | Foto: Landauer
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  • Der Märtyrer-Priester Franz Wohlmuth.
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In Neusiedl wirkte ein paar Jahre lang ein Kaplan, der einer schändlichen Bluttat der Bolschewiken am 5. Juni 1919 zum Opfer fiel.
Autorin Dr. Ingrid Nagl-Schramm
NEUSIEDL AM SEE. Der 1855 in Neckenmarkt im damaligen Deutsch-Westungarn geborene Pfarrer Franz Wohlmuth wurde vollkommen unschuldig hingerichtet, in seiner Gemeinde in Császár, die er 25 Jahre lang betreut hatte. Seine Ankläger setzten den kirchenfeindlichen Kurs der ungarischen Räteregierung um Béla Kun brutal um und tobten ihre fürchterliche Wut auf die Kirche an Franz Wohlmuth aus. Eigentlich, wenn es mit rechten Dingen hergegangen wäre, hätte der Pfarrer zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren nach Budapest überführt werden sollen. Doch seine Schergen wollten Blut sehen. Deshalb wurde er in einem Schnellverfahren von einem Revolutionstribunal auf dem Marktplatz von Császár hingerichtet. Vor den Augen der gesamten Bevölkerung, die gezwungen wurde, der grausamen Hinrichtung zuzusehen. Der Pfarrer wurde auf einem vom Dorfzimmermann errichteten Galgen aufgehängt und rang eine qualvolle Viertelstunde lang mit dem Tod. Seine Geburtsgemeinde im heutigen Burgenland, Neckenmarkt, bemüht sich um eine Seligsprechung des Märtyrer-Priesters.
Pfarrer Wohlmuth war nicht der autoritäre Priester-Typus, den man im 19. Jahrhundert häufig vorfand. Nicht der Patriarch, der von oben herab seinen Schäfchen predigte. Und er war auch nicht vom ungarischen Nationalstolz besessen, wie ein nachfolgender Pfarrer in Neusiedl, der den Buben Ohrfeigen gab, wenn sie deutsch sprachen. Wohlmuth musste ja selbst erst seine Ungarisch-Kenntnisse verbessern, bevor er 1881 in Raab (Györ) zum Priester geweiht werden konnte. Wohlmuths Priester-Karriere begann in Rust. Seine zweite Kaplanstelle war in Neusiedl am See, wo er von 1882 bis 1884 wirkte, danach wurde er nach Deutschkreutz versetzt. Nach mehreren Stellen als Religionslehrer kam er 1894 als Pfarrer nach Császár, eine Gemeinde, in der er in den nächsten Jahren als wohltätiger Armenpriester wirkte, bis zu seinem gewaltsamen Tod.

Armenküche im Pfarrhof
Franz Wohlmuth wird als ein charismatischer Priester beschrieben, sehr charakterfest und überzeugend in seinen Ansichten. Von seiner äußeren Erscheinung her war er wenig einnehmend. Frühalt und grau, wurde er häufig von Magenproblemen geplagt. Er hatte schwache Augen und ging gebückt. Auffallend an ihm war seine kindliche Frömmigkeit, obwohl er sehr gebildet war. So kniete er sich beispielsweise beim Antritt einer Zugfahrt in seinem Abteil auf den Boden und bat um Gottes Segen. Pfarrer Wohlmuth war mehr ein Heiliger als ein Priester. Er half den Armen so gut wie er konnte. Er stand Not lindernd und beratend mitten im Zentrum des Dorflebens, vermutlich auch schon in Rust und Neusiedl. Im Pfarrhof in Császár richtete er eine Küche für die Bedürftigen ein. Den Kranken wurde das Essen ins Haus gebracht. Mit seinen Einkünften aus einer Esterházy-Kirchenstiftung gründete er einen Wohltätigkeitsfond für die Versorgung  der Armen.

Freund Zsiga-Bácsi
In der Gegend um den Neusiedlersee hatte Wohlmuth seine ersten pastoralen Erfahrungen mit Gläubigen der Evangelischen Kirche gemacht. Er kam auch sehr gut mit ihnen in seiner Pfarre in Császár aus. Dort gab es einen evangelischen Priester, Zsiga-Bácsi genannt, der oft zu ihm in die Katholische Kirche kam. Auf die Frage, warum, gab er zur Antwort, weil sie ein richtiges Gotteshaus sei, nicht nur eine Versammlung von Gleichgesinnten. Zsiga-Bácsi stutzte jeden zurecht, der den damals abwertenden Ausdruck „templom“ (Tempel) für die Kirche gebrauchte.

Das Opium des Volkes
Die Ausrufung der Räterepublik am 21. März 1919 prägte auch das Dorfleben von Császár. Hier, wie in ganz Ungarn, wurden die Großgrundbesitzer und die Bauern enteignet. Auch die Kirchengüter wurden eingezogen. Vollstrecker dieser Enteignungs-Aktionen war kommunistisch orientierte Terror-Truppen. Am brutalsten wüteten die sogenannten Lenin-Buben, die mit Mord und Totschlag vorgingen, um alle Leute auszurauben, die ein bisschen Geld hatten. Religion war nach den Grundsätzen von Karl Marx ohnehin nur "als das Opium des Volkes" zu betrachten. Da war es nur konsequent, dass auch Schulbücher mit religiösem Inhalt aus dem Verkehr gezogen wurden. Dass sich damit die Räteregierung um Béla Kun in der mächtigen katholischen Kirche erbitterte Feinde schuf, ist leicht nachvollziehbar.

Der Ankläger schäumte vor Wut.
Am 3. Juni 1919 kam es zu einem Eklat in Császár. Durch Zufall musste ein ausländisches Flugzeug auf der Császárer Wiese eine Notlandung durchführen. Die Piloten brachten die Nachricht mit, das kommunistische Regime sei gestürzt worden und die Räte auf der Flucht, was sich leider sehr bald als Falschmeldung herausstellen sollte. Die Dorfbewohner reagierten darauf mit triumphaler Freude. Sie trieben die Arbeiterräte zusammen, um sie im Rathaus einzusperren. Pfarrer Wohlmuth versuchte zu vermitteln. Er redete mit den Eingesperrten und versuchte, sie zu einer christlichen Lebensweise zu bekehren. Obwohl er damit keine offenen Ohren fand, ordnete er ihre Freilassung an. Einer der Gefangenen konnte entkommen und alarmierte das rote Kommando in Kisbér. Das Kommando schickte sofort einen Militärzug nach Császár. Anstatt sich dankbar zu zeigen, dass der Pfarrer die Freilassung der Gefangen durchgesetzt hatte, inszenierte der kommunistische Rat einen Schauprozess mit den „Schuldigen“. Der Pfarrer wurde für alles, was sich in diesen verhängnisvollen Tagen ereignet hatte zum Sündenbock gestempelt. Der Vorsitzende des Revolutionstribunals Regierungskommissar Lantos fieberte förmlich seiner Hinrichtung entgegen. Er schäumt vor Wut, als er dem Pfarrer vorwarf, er habe die Ratsherren eingesperrt, weil er sie töten wollte. Er habe danach die gesamte bewaffnete Bevölkerung auf die schutzlosen Proletarier gehetzt und auf sie schießen lassen. Er habe sogar im Geheimen mit den Tschechen gegen das Regime paktiert. Für seine Freilassung wurde ein hohes Lösegeld gefordert, das von den Bauern bereitwillig eingebracht wurde. Trotzdem wurde er zum Tod verurteilt. Alle anderen Angeklagten wurden freigelassen, nur er nicht. Denn der "Talar" muss hängen. Sein Tod wurde als schauriges Spektakel inszeniert, bei dem die gesamte Dorfbevölkerung zusehen musste.

Weitere Hinrichtungen
Einen weiteren dramatischen Priestermord der Bolschewiken hatte es in Nikitsch, damals noch zu Ungarn gehörend, gegeben. Im April 1919 war es zum offenen Aufstand gekommen, als die Dorfbevölkerung die Anordnung, geistliche Bücher aus dem Schulunterricht zu verbannen, ignorierten. Als der örtliche Bezirkskommissar die Leute vor der Kirche über die neuen Grundsätze des Bolschewismus belehren wollte, wurde er von den aufgebrachten Dorfbewohnern mit Eiern beworfen und verprügelt. Noch am selben Abend rückten 30 Rotarmisten in Nikitsch ein, die das Dorf besetzten und die Häuser nach Waffen durchsuchten. Die Rotarmisten nahmen willkürlich einige Frauen und Männer gefangen. In der Nacht zum 9. April versuchten einige Dorfbewohner, unter ihnen auch der Pfarrer Anton Semeliker, die Frauen zu befreien. Es kam zu einer Schießerei, bei der es mehrere Verletzte gab. Als Sündenbock musste der Pfarrer herhalten. Er wurde verhaftet und als angeblicher Drahtzieher des Aufstandes zum Tod verurteilt.

Hätte die Räteregierung noch länger gedauert wäre vermutlich auch der Pfarrer Alois Reisinger aus Winden hingerichtet worden. Als Termin stand schon der 14. August 1919 fest.

Mit einem blauen Auge davongekommen ist der Pfarrer von Mönchhof Adalbert Winkler. Auch er wurde im April 1919 als „Staatsfeind“ vor ein Tribunal in Ungarisch-Altenburg gestellt. Er hatte das Glück von dem Vorwurf „Vorbereitung eines Bauernaufstandes“ wegen Mangel an Beweisen freigesprochen zu werden. Bei einem Schuldspruch hätte ihm die Todesstrafe gedroht. Nach seiner Haftentlassung wurde er von einer riesigen Menschenmenge empfangen und in einem triumphalen Festzug zur Kirche begleitet. Die Musik spielte und weißgekleidete Mädchen streuten ihm Blumen.

Die Informationen verdanken wir den Recherchen von Dr. Eva Mannsberger, Landesrat Paul Rittsteuer und in ganz besonderem Maß Herrn Dr. Sepp Gmasz, der uns die entscheidenden Daten und seine Texte zur Region Neusiedl zukommen lassen hat.

Der Märtyrer-Priester Franz Wohlmuth. | Foto: Landauer
Barocke Dorfkirche von Császár, die Wirkungsstätte von Pfarrer Franz Wohlmuth. | Foto: Klaus Dieter Hiesche

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