Pannonische Streifzüge - 100-Jahre-Burgenland
Ostern 1921: Ein Königreich ohne König

Kaiser Karl I von Österreich und König Karl IV. von Ungarn. | Foto: Wikipedia
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  • Kaiser Karl I von Österreich und König Karl IV. von Ungarn.
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Zu Ostern vor 100 Jahren versuchte Karl Habsburg, bis 1918 Kaiser von Österreich und König von Ungarn, den Königsthron in Ungarn zurückzuerobern. Für die Bezirke Eisenstadt und Neusiedl am See, im Grunde für das gesamte Burgenland, ergaben sich daraus fatale Folgen.
Autoren: Prof. Dr. Ingrid Nagl-Schramm und Andrea Glatzer
NEUSIEDL AM SEE.  Nach dem Zerfall der Monarchie im Jahr 1918 wehte ein Spottreim auf die alte Kaiserhymne wie ein frischer Wind durch die Straßen der noch „blutjungen“ Republik Österreich.
„Gott erhalte, Gott beschütze - Unsern Renner, unsern Seitz. Und erhalt – man kann nie wissen –
Auch den Kaiser in der Schweiz!“

Der Zustand der jungen Republik war aber wesentlich stabiler, als man damals dachte. Staatskanzler Renner und Karl Seitz, der Präsident der Provisorischen Nationalversammlung, saßen damals so fest im Sattel, dass sich der letzte Träger der Krone, wie Exkaiser Karl I. nun genannt wurde, keinerlei Chancen ausrechnen konnte, den Thron zurückzuerobern. Zum Unterschied zu Ungarn, wo er zweimal in die Offensive ging.
Was viele nicht wissen, ist, dass Ungarn und damit auch das Burgenland, nach dem kurzen Intermezzo einer Räterepublik am 21. März 1920 wieder zur Staatsform der Monarchie zurückgekehrt war. Kurioserweise blieb Ungarn sogar noch bis weit über den Tod Karls am 1. April 1922 hinaus, bis ins Jahr 1946 eine Monarchie. Ein Königreich ohne König gewissermaßen. Drei Wochen vorher, am 1. März 1920, war Miklós Horthy zum Reichsverweser gewählt worden, der den Thronsessel für den König warmhielt, aber nicht freigab, als zu Ostern 1921 Karl IV., wie er in Ungarn hieß, die Macht zurückforderte.
Während Karl in Ungarn möglicherweise zu Recht auf die Rückgabe der Macht pochte, war er in Österreich längst ausgewiesen worden. Er musste im Frühjahr 1919 ins Exil in die Schweiz gehen, weil er nicht bereit war, die Republik anzuerkennen. Aus der Sicht Karls hatte er weiterhin Anspruch auf den Thron, auch in Österreich. Er hatte zwar am 11. November 1918 unterschrieben, auf „jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ in Deutsch-Österreich zu verzichten und in Ungarn zwei Tage später eine ähnliche Verzichtserklärung abgegeben, doch hielt er beide für ungültig, weil ihm die Unterschriften unter Druck abgerungen worden waren. Da er seine Herrschaft „von Gottes Gnaden“ ableitete, war aus seiner Sicht die Republik Österreich eine Revolutionsregierung.
Mit einem gefälschten Reisepass reiste Karl Habsburg zu Ostern 1921 von der Schweiz kommend über Österreich nach Ungarn ein. Er kam am Karsamstag, den 26. März in Szombathely an und richtete in der Residenz des Bischofs sein Hauptquartier ein, in dem er seine Sympathisanten empfing. Besondere Unterstützung erhielt er von Antal Lehár, dem Kommandeur der in Westungarn stationierten Truppen. Lehár hatte bereits lange vor der Ankunft Karls in Ungarn heftig in Gesprächen mit Miklos Horthy darum gerungen, dass dieser seinen Treueeid gegenüber dem König einhalte. Am Ostersonntag, den 27. März fuhr Karl nach Budapest und fordert Miklos Horthy in einem Vier-Augen-Gespräch auf, ihm die Macht zu übergeben. Geschickt taktiere Horthy damit, dass es im Staatsinteresse liege, seine Funktion weiter als Reichsverweser fortzusetzen, denn mehrere Staaten, unter anderem Tschechien, Jugoslawien und Rumänien drohten mehr oder minder offen mit Krieg. Auch die Siegermächte, besonders England und Italien seien schwer dagegen, einen Habsburger wieder an die Macht zu setzen. Karl blieb noch einige Tage in Szombathely, um im zähen Austausch von Depeschen Horthy an seinen Treueeid zu erinnern. Er forderte von ihm ultimativ die Rückgabe der Macht. Am 5. April kehrte Karl unverrichteter Dinge in sein Exil in die Schweiz zurück. Ein halbes Jahr später, am 20. Oktober startete er einen zweiten Restaurierungsversuch und reiste per Flugzeug mit seiner Frau Zita in Ungarn ein. In Ödenburg (Sopron) und auf der Fahrt nach Budapest vereidigte er die ihm treu zur Seite stehenden Truppen und ernannte eine neue Regierung. Iván Rakovszky wurde Ministerpräsident, Andrássy wurde Außenminister und Lehár Kriegsminister. Unter dem Vorwand, dass man Horthy zu Hilfe kommen müsse, weil in Budapest ein kommunistischer Pusch drohe, wurden die Soldaten Richtung Budapest verlegt. Am 23. Oktober trat Horthy, der inzwischen von den Aktivitäten Karl Habsburgs und seiner Anhänger Wind bekommen hatte, mit Repräsentanten der Entente-Kommission zusammen, die eine Rückkehr Karls auf den Thron entschieden ablehnten. Horthy gelang es in kürzester Zeit eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. In einem Vorort von Budapest kam es zu einem Zusammenstoß der gegnerischen Soldaten, bei dem 19 Männer ums Leben kamen. Karl Habsburg, der gegen ein weiteres Blutvergießen war, erkannte resigniert, dass sein zweiter Versuch der Machtübernahme gescheitert war.
Das Königspaar wurde Anfang November ins Exil nach Madeira verbannt. Kurz darauf beschloss die ungarische Nationalversammlung die Dethronisation des Hauses Habsburg.
Für das Burgenland hatte Karls Versuch, in Ungarn den Thron zurückzuerobern, fatale Auswirkungen. Oberst Lehár, als Kommandant der Westungarischen Truppen hatte ursprünglich den Plan gefasst, eine Übergabe in allen Ehren zu organisieren. Mit Ehrenkompanie, Einholen der ungarischen Fahne und Hissen der österreichischen Flagge. Ohne unnütze Gewaltanwendung. Er war jedoch aus Protest gegen Horthys Treuebruch gegenüber dem König als Kommandant der Westungarischen Truppen im Frühjahr 1921 zurückgetreten. Damit war die Möglichkeit einer geordneten Übergabe gescheitert und dem Terror der Freischärler Tür und Tor geöffnet, die zunächst noch gemeinsam mit den regulären Truppen gegen die Übergabe Westungarns kämpften. Die gemäßigteren Freischärler-Truppen rückten bereits im Spätsommer ab, von denen einige, im Oktober Karl bei seinem Versuch die Macht zurückzuerobern unterstützten. Am 4. Oktober 1921 rief der brutale Guerillaführer Pál Prónay den Freischärlerstaat Lejtabánság aus. Und noch schlimmer, die Gebiete Eisenstadt und Neusiedl waren danach schutzlos dem Terror der Hejjas-Freischärler ausgesetzt. In Neusiedl am See bezogen sie die Kaserne als Quartier, diktierten Ausgangssperren, verprügelten die Leute, die sich ihren Anordnungen widersetzten. Mord, Terror und Plünderungen standen auf der Tagesordnung, bis das Burgenland endlich im Dezember 1921 an Österreich übergeben werden konnte. Der Preis, den das Burgenland für die friedliche Übergabe bezahlen musste, war die Aufgabe der Landeshauptstadt Ödenburg, welche die Ungarn im Zuge von diplomatischen Verhandlungen den Österreichern abgerungen hatten. In Ödenburg und weiteren acht Gemeinden fand eine Volksabstimmung statt, die zu Gunsten Ungarns ausfiel.

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