100 Jahre Burgenland
Gedenkkapelle für die Gründergeneration des Burgenlandes

Diese Gedenkkapelle wurde von Familie Paul Rittsteuer aus Neusiedl am See im Gedenken an die Mitbegründer des Burgenlandes errichtet. | Foto: Andrea Glatzer
11Bilder
  • Diese Gedenkkapelle wurde von Familie Paul Rittsteuer aus Neusiedl am See im Gedenken an die Mitbegründer des Burgenlandes errichtet.
  • Foto: Andrea Glatzer
  • hochgeladen von Andrea Glatzer

Eine Waldkapelle am Grundstück der Familie Paul Rittsteuer wurde vor kurzem fertiggestellt. Sie ist als Gedenkstätte den Freiheitskämpfern, die sich für das Recht auf kulturelle und politische Selbstbestimmung Deutsch-Westungarns eingesetzt haben, gewidmet. Geehrt werden die Mitbegründer des Burgenlandes, deren Forderung einer Angliederung an Österreich durch den Vertrag von Saint Germain erfüllt worden war.
Autorinnen: Prof.Dr. Ingrid Nagl-Schramm und Andrea Glatzer 
Als Volksschulkind erfuhr Paul Rittsteuer am Krankenbett seiner Großmutter atemlos lauschend die Geschichte seines gleichnamigen Onkels. Ein abgerüsteter Offiziersanwärter und Kämpfer für die Selbstbestimmung Westungarns.
"Meine Großmutter war eine begnadete Erzählerin und ihre Augenzeugenberichte waren für mich als Kind so spannend wie ein Karl May-Roman", so der Landesrat a.D. Ökonomierat Paul Rittsteuer.

Dieser Onkel musste in den Jahren 1919 bis 1921 mehrmals nach Österreich flüchten und konnte bei Verwandten in Bruck an der Leitha Unterschlupf finden.
Die Region Westungarn war durch den Vertrag von Saint Germain, der am 10. 9. 1919 von Staatskanzler Karl Renner unterzeichnet wurde und am 16. 7. 1920 in Kraft trat, Österreich zugesprochen worden, aber Ungarn wehrte sich mit allen Mitteln bis Oktober 1921 gegen die Übergabe. Als die Héjjas-Freischärler in der Neusiedler Kaserne Einzug hielten, versuchten sie nicht nur mit legalen Mitteln, sondern mit Terrorakten den längst nicht mehr bestehenden "Herrschaftsanspruch" von Ungarn zu verteidigen. Die Gruppe um Iván Héjjas war eine besonders gefürchtete Terroreinheit. 

Im Schutze des Marthalwaldes
Um Neusiedl zu verlassen und ihren Sohn in Österreich (Bruck an der Leitha) zu besuchen, musste die Großmutter die Anordnungen der Héjjas umgehen.  Sie marschierte in den frühen Morgenstunden mit Lebensmitteln und warmer Kleidung für den Sohn los, in ständiger Angst den Freischärlern zu begegnen. Ab 8.00 Uhr abends herrschte Ausgehverbot, und ausserdem durfte man den Ort nur mit einer Legitimation verlassen. In den frühen Morgenstunden rechnete die Großmutter damit, dass die Héjjas noch nicht vom abendlichen Feiern ausgeschlafen und nicht so wachsam waren. Wäre sie erwischt worden, hätte man sie streng bestraft und wahrscheinlich schwerst verprügelt. Ein besonders abschreckendes Exempel hatten die Héjjas an dem Neusiedler Windmühlenbetreiber Johann Fekete gesetzt, dem die Barthaare einzeln ausgerissen wurden.
Paul Rittsteuer (1888 - 1953) war wie viele andere Neusiedler wegen seiner deutschen Gesinnung in die Mühlen des ungarischen Machtapparates geraten.

Seit dem ungarischen Unabhängigkeitskampf von 1848, mit dem Ziel, sich von der Habsburg-Herrschaft zu befreien, gab es massive politische Anstrengungen, den ungarischen Nationalgedanken zu stärken. Damals waren viele ungarische Städte, wie auch Budapest, überwiegend deutschsprachig, und das kulturelle Leben wurde von einer deutschsprachigen Bürgerschicht bestimmt. Diese Städte und im Grunde auch alle anderen deutschsprachigen Regionen wurden in den darauffolgenden Jahren Ungarisch eingefärbt. Mit dem Ausgleich1867 war Ungarn gleichwertiger Partner der Doppelmonarchie geworden. Trotzdem betrieb Ministerpräsident Kálmán Tisza, als er 1875 die Regierung der ungarischen Reichshälfte übernahm, eine systematische Verdrängung der deutschen Sprache aus allen Lebensbereichen.  Ungarisch wurde als Amtssprache eingeführt und die deutsche Sprache aus dem Schul- und Universitätsunterricht verdrängt. Diese Maßnahmen wurden auch den Westungarn aufgezwungen, einer seit vielen Jahrhunderten bestehenden deutschsprachigen Region. Selbst die Ortsnamen mussten auf ungarisch umgestellt werden.
Kurz nach dem Zusammenbruch der Monarchie, wurde für eine kurze Periode die Autonomiebewegung der Deutsch-Westungarn akzeptiert.

Am 1.12. 1918 wurde in einer Versammlung im Gasthaus Adler in Neusiedl am See ein Entwurf über die Errichtung der Landesautonomie für Deutsch-Westungarn vorgestellt, der vom ungarischen Parlament angenommen wurde. Die führenden Köpfe dieser Bewegung waren der  Rechtsanwalt Dr. Karl Amon und der Apotheker Mag. Adalbert Wolf, beide gebürtige Neusiedler. In dieser Versammlung fiel zum ersten Mal der Begriff "Vier-Burgenland", der später zu "Burgenland" verkürzt wurde.

Im Zuge mehrerer Regierungswechsel  in Ungarn in den Jahren 1919 - 1921 schlug den Kämpfern um die Selbstbestimmung der Region heftiger Gegenwind entgegen. Neusiedl wurde zu einem Zentrum der Agitation. Einige der führenden Köpfe, wie Dr. Amon und Mag. Wolf setzten sich für eine Angliederung an Österreich ein. Diese Forderung der Mitgründer des Burgenlandes wurde von Staatskanzler Renner in den Vertragsverhandlungen in Saint Germain eingebracht und von den Siegermächten angenommen. Am 1. 9. 1919 wurde Wolf wegen Hochverrats verhaftet und so wie auch zwei weitere Neusiedler in Györ eingekerkert. Andere, wie Rechtsanwalt Amon und Paul Rittsteuer konnten nach Österreich fliehen.

Die errichtete Gedenkkapelle steht im Marthalwald zwischen Neusiedl am See und Bruck an der Leitha, bei Jois. Familie Paul Rittsteuer ließ sie nach ihren Plänen, in Form zweier betender Hände erbauen. Gedenktafeln an die Geschehnisse, ein schlichtes Kreuz und Bilder des Neusiedler Künstlers Franz Rittsteuer zieren den Andachtsort. Am 31. Juli  um 18 Uhr wird hier eine Heilige Messe gefeiert werden.

Autoren: Prof. Dr. Ingrid Nagl-Schramm und Andrea Glatzer

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Anzeige
SPS: Catering im Seewinkel | Foto:  ©SPS
17

Partyservice & Catering
Der regionale Gourmet-Anbieter im Seewinkel

Der Seewinkler Partyservice bietet kalte und warme Delikatessen, Gegrilltes sowie Picknick am See: Feinste Leckereien als Catering, aus bevorzugt regionalen und frischen Zutaten. FRAUENKIRCHEN. Ob dekoratives Fingerfood, kalte Platten oder warme Strudel, Wraps und Burger, der Seewinkler Partyservice bietet für jede Gelegenheit und jedes Event die passende - köstliche - Lösung. Auch kreative Ideen und individuelle Wünsche setzt das Team gerne um. Das schmutzige Geschirr? Nimmt SPS wieder mit! ...

Neu auf MeinBezirk.at
Sudoku - gratis und so oft du willst, spiele jetzt!

Jetzt kannst du Sudoku auf MeinBezirk.at spielen - gratis und unbegrenzt. So spielst du Sudoku: Wähle deinen gewünschten Schwierigkeitsgrad: leicht, mittel, schwer. Klicke ins gewünschte Feld, setze eine Zahl von 1 bis 9 ein - und fülle alle leeren Felder. Ziel des Rätsels: In jeder Zeile (waagrecht), Spalte (senkrecht) und jedem Block (3 mal 3 Zellen) soll jede Ziffer genau nur einmal vorkommen.

Hier findest du den aktuellen Mondkalender ab sofort. Jeden Monat neu. | Foto: RegionalMedien Burgenland
1 3

Gesundheit, Haushalt, Garten & Schönheit
Dein Mondkalender für den Mai 2024

Die RegionalMedien Burgenland präsentieren den aktuellen Mondkalender für April 2024. Ein Mondzyklus dauert ca. 28 Tage. Dabei durchläuft er verschiedene Phasen, die unterschiedliche Qualitäten haben. Nach alter Überlieferung sollte man bestimmte Arbeiten also stets zur richtigen Zeit erledigen. Vom Einpflanzen der Tomaten 🍅 bis hin zum Haare schneiden 💇 – die Mondphase kann darüber entscheiden, ob die roten Früchtchen zur Attraktion in der Nachbarschaft und dein Kopf zur Löwenmähne 🦁 wird....

Benzin- & Dieselpreise
Die billigsten Tankstellen im Burgenland

Hier erfährst du täglich, wo im Burgenland die billigsten Tankstellen zu finden sind, wie man günstig tankt, und wie man Sprit sparen kann - immer AKTUELL. BURGENLAND. In ganz Österreich ist es immer am günstigsten, am Vormittag zu tanken. Denn Tankstellen dürfen nur einmal täglich um 12 Uhr die Spritpreise erhöhen. Preissenkungen sind jedoch jederzeit in unbegrenzter Anzahl und Ausmaß möglich. Wir aktualisieren die Liste der günstigsten Tankstellen im Burgenland täglich mit den aktuell...

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus dem Burgenland auf MeinBezirk.at/Burgenland

Neuigkeiten aus dem Burgenland als Push-Nachricht direkt aufs Handy

Bezirksblätter auf Facebook: MeinBezirk.at/Burgenland

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus dem Burgenland und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.