Am Marchfeldkanal in Wien: Libellen, Biber und Baum des Jahres
Kennen Sie den Marchfeldkanal? Natürlich kennen Sie ihn. Aber waren Sie schon dort? Ich war diesen Sommer zweimal am Kanal, beide Male mit dem Rad – und mit meinem Camcorder. Erstmals übrigens. Eine Schande eigentlich, dass ich mir den Kanal, genauer gesagt die Wiener Teilstrecke, erst jetzt näher angesehen habe, nachdem es ihn schon seit mehr als 20 Jahren gibt.
War aber vielleicht keine schlechte Idee. Denn erst in all der Zeit seither hat sich entlang des Kanals eine beeindruckende naturnahe Vegetation samt Tierwelt gebildet – einige Eindrücke davon möchte ich mit diesem Beitrag vermitteln.
Die Naturnähe war übrigens fast ein Glücksfall. Zehn Jahre früher, und alles wäre wohl asphaltiert und einbetoniert worden, erzählte Dipl. Ing. Wolfgang Neudorfer von der Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal in einem Interview mit Robert Ebhart (tv21.at) im Juli.
Das Wesentliche am Marchfeldkanal ist natürlich das Wasser. Bis zu 6 m³ pro Sekunde werden der Donau bei Langenzersdorf entnommen, vor allem um die Grundwasservorräte im Trockengebiet Marchfeld zu erhalten. Nebenbei entstand derart ein neuer Wasserweg für Paddler und Paddlerinnen, und der begleitende Radwanderweg erfreut u.a. die Sportlichen, die mit auf dem Schotter knirschenden Reifen vorbeirauschen. Die 67 Kilometer bis nach Schlosshof lassen sich an einem Nachmittag locker runterkurbeln. Man kann dort aber auch einfach Spazierengehen – mit oder ohne Hund. Positiv: Selbst an einem sonnigen Samstagnachmittag ist es relativ ruhig – jedenfalls kein Vergleich zur Hauptallee im Prater.
Es ist erstaunlich, welche Vielfalt in einem schmalen Vegetationsstreifen zu beiden Seiten eines kleinen Fließgewässers existieren kann. Meine spärlichen botanischen und zoologischen Kenntnisse sind zwar kein Maßstab. Aber auf den wenigen Kilometern habe ich einiges gesehen, was für mich neu war: Etwa Wilde Karden, Gebänderte Prachtlibellen (siehe Bild) oder Bienen-Kugeldisteln (siehe Bild). Ich fand sogar einen Baum, dessen Anblick mich völlig ratlos hinterließ (viertes Bild unten). Zum Namen nur so viel: Er war hierzulande einmal Baum des Jahres, und in ganz Ostösterreich soll es nur ca. 500 Altexemplare davon geben. (Wenn Sie den Baum erkennen, alle Achtung. Aber bitte nicht in einem Kommentar verraten: Das Rätsel soll zum Recherchieren anregen.)
Es gibt mittlerweile mehr als 55 Fischarten im Kanal, ein überragender Wert für österreichische Gewässer – davon habe ich leider nichts mitbekommen. Dafür waren aber die Biber bei der Brünner Straße meine ersten in „freier Wildbahn“ (Bild). Ich war fasziniert.
Andere sind das weniger. Die Biber hätten schon einen Yorkshire Terrier totgebissen und einen Schäferhund schwer verletzt, erzählte mir eine Anrainerin – fest überzeugt übrigens, dass es sich um kanadische Biber handelt. Die sollen besonders stark und aggressiv sein. Ein Gerücht, dass sich in Floridsdorf offenbar hartnäckig hält. Im März 2012 etwa brachte der Kurier einen Beitrag („Biberplage in Floridsdorf“), in dem sich ein Kleingärtner über von „kanadischen Bibern“ zerstörte Obstbäume beschwerte. Stimmen kann es nicht. Laut offiziellen Informationen sind die geschätzten 200 Biber, die es in Wien gibt (Lobau, Donaukanal, Donauinsel, Wienfluss und Marchfeldkanal), allesamt europäische – und eine Kreuzung zwischen kanadischen und europäischen Bibern ist aufgrund der unterschiedlichen Gen-Anzahl gar nicht möglich.
Ob kanadisch oder europäisch: Es würde mich freuen, wenn ich einige Leserinnen und Leser von meinbezirk.at dazu motivieren kann, den Marchfeldkanal als Ausflugsziel zu wählen. Und vielleicht wollen Sie sich meine beiden Videos zum Marchfeldkanal ansehen:
Nähere Informationen: marchfeldkanal.at
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