Kooperation klappt
Medizinstudenten im Pflegeheim: "Man muss sich auf die Person einlassen"
So lustig geht es in der Abteilung des Pflegeheimes und Pfegekrankenhauses nicht immer zu. Eine Heimbewohnerin freut sich ungeheuer, weil sie beim Mensch-ärgere-dich-Spiel voran liegt. Dass sie und eine zweite, erst seit kurzem im Haus der Barmherzigkeit wohnende hochbetagte Frau sich an diesem Nachmittag so gut bei dem Gesellschaftsspiel unterhalten, liegt an zwei Medizinstudenten. Luisa Azer und Jakob Tiefenbacher absolvieren in diesen Wintermonaten das schon früh im Medizinstudium vorgeschriebene Praktikum "soziale Kompetenz". Die beiden Erstsemestrigen kommen dafür in das Haus der Barmherzigkeit in Ottakring, das mit der Medizinuniversität Wien kooperiert.
Seit nunmehr 15 Jahren gibt es die an der Wiener Medizinuniversität vorgeschriebene Lehrveranstaltung "Soziale Kompetenz". Sie finde es "eigentlich voll schön", berichtet Luisa Azer, auch wenn sie zugibt: "Ich habe mir gedacht, dass es leichter wird." Pflegerische und medizinische Tätigkeiten sind ausdrücklich nicht Teil des Praktikum, sondern der Umgang mit - älteren - Menschen. Bei der mehrwöchigen Lehrveranstaltung mit einmal wöchentlich zweieinhalb Stunden im Pflegeheim hat sie aber rasch herausgefunden, wie das am besten klappt: "Ich glaube, dass man sich voll auf die Person einlassen muss."
Manchmal braucht es ein gewisse Anlaufzeit, bis sich Heimbewohnerinnen auf die beiden Medizinstudierenden einlassen. In der Vorwoche ist das nach anfänglich schwierigen Bemühungen bei einer Frau auf einmal gelungen, als aufliegende Zeitschriften besprochen wurden. Da habe sie dann "eifrig mitgeredet", erinnert sich Azer. Es gehe darum, dass man "die kleinen Sachen findet, wo jemand mehr darauf eingehen kann."
Zugang zu Menschen schwieriger als erwartet
Ihr Studienkollege Jakob Tiefenbacher, der mit Azer auf derselben Station im Haus der Barmherzigkeit in Ottakring an Montagnachmittag zum Besuchsdienst kommt, hat die gleichen Erfahrungen gemacht. "Es ist ein bisschen schwieriger, als anfangs gedacht", bestätigt auch er: "Ich habe erwartet, leichter Zugang zu finden." Was auch daran liegt, dass die insgesamt mehr als 20 Bewohnerinnen und Bewohner dieser Abteilung des Pflegeheims zu einem großen Teil auch an Demenz leiden. "Aber sobald man den Zugang gefunden hat, auf welcher Ebene man sich trifft, ist das immer sehr erfüllend", schildert der Medizinstudent.
Im Fall der beiden Heimbewohnerinnen ist dies das Würfelspiel, mit dem Würfeln an sich und mit der Ungewissheit, welche Zahl aufscheint und welche neue Situation das Vorrücken auf dem Spielfeld bringt. Natürlich ist von Person zu Person unterschiedlich, was passiert. Der Spaß und die Freude mancher ist aber tatsächlich unüberhörbar.
Tiefenbacher hält dieses Praktikum rasch nach Beginn des Medizinstudiums für sinnvoll. Es handle sich dabei um "ein erstes Heranführen an Patienten". Darüber muss nach Abschluss der mehrwöchigen Lehrveranstaltung berichtet werden.
Insgesamt rund 11.000 Medizinstudenten haben seit 2009, also seit 15 Jahren, die Lehrveranstaltung "soziale Kompetenz" absolviert. Rund 760 davon wie Azer und Tiefenbacher im ersten Studiensemester bis zum Jänner dieses Jahres.
Vertrauensbeziehung zu Patienten erlernen
"Aus unserer Erfahrung in der Langzeitpflege wissen wir, dass der empathische Umgang mit unseren Bewohnerinnen und Bewohnern einen wesentlichen Einfluss auf deren Gesundheit und Lebensqualität hat", erläutert der Institutsdirektor des Hauses der Barmherzigkeit, Christoph Gisinger. Man begrüße es, dass soziale Kompetenzen einen hohen Stellenwert am Beginn des Medizinstudiums haben. Das Lehrveranstaltung "soziale Kompetenz" habe sich als "unverzichtbarer Teil der medizinischen Ausbildung fest etabliert", betont die Vizezrektorin für Lehre, Anita Rieder. Die angehenden Mediziner würden dabei den "Aufbau einer Vertrauensbeziehung mit Patienten erlernen".
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