Dritte Piste für den Flughafen: Bürgerinitiativen gegen "Staatsziel Wirtschaft"
Lärm, Umweltbelastung und Absturzgefahr: In Liesing und Penzing sieht man die Gefahr, dass nun Umweltrechte ausgehebelt werden.
PENZING/LIESING. Die Interessen der Gegner und Befürworter sind eindeutig, die Machtverhältnisse unausgewogen und die Geschichte ist einigermaßen kompliziert. Rund um das Thema "Bau der dritten Piste" am Flughafen Wien-Schwechat tut sich wieder einiges. Denn die Regierung hat in der vergangenen Woche erklärt, man wolle das "Staatsziel Wirtschaftswachstum" in die Verfassung schreiben – gleichwertig mit dem Umweltschutz. In diesem "Staatsziel" sehen Bürgerinitiativen den Versuch, Umweltrechte auszuhebeln, um die dritte Piste am Wiener Flughafen bauen zu können. Was die Bezirke im Westen Wiens betrifft, allen voran Liesing und Penzing, schlagen die Bürgerinitiativen Alarm. "Denn die dritte Piste würde gerade für diese Bezirke eine deutliche Erhöhung der Lärm- und Klimabelastung bedeuten und zudem die Sicherheit der Bevölkerung gefährden", so Martin Tögel von der Bürgerinitiative "Liesing gegen Fluglärm und gegen die 3. Piste".
"Es würden dann hunderttausende Menschen ohne technische oder wirtschaftliche Notwendigkeit überflogen. Hier geht es nur um eine politische Entscheidung", erklärt auch Heinz Thume, ein Pilot, der jahrzehntelang für die AUA geflogen ist. "Über die Lärmbelastung und auch über die Absturzgefahr wird politisch nicht gesprochen", kritisiert der Pilot. Studien zeigen auch, dass das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen oder sogar Krebs zu erkranken, mit der Lärmbelastung steigt. "Die Mehrkosten für die Fluglinien für das großräumige Umfliegen von Wien und seinen Siedlungsachsen erscheinen gegenüber den Gesundheitskosten der Abflugroute Liesing vernachlässigbar", so Tögel. "Alleine die direkten Gesundheitskosten für den 23. Bezirk würden rund 12,3 Millionen Euro pro Jahr betragen."
Schutz nicht mehr wichtig?
„Das öffentliche Interesse am Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels sei höher zu bewerten als die positiven öffentlichen Interessen“, entschied das Bundesverwaltungsgericht Anfang 2017. Doch der Verfassungsgerichtshof hob das Urteil im Juni 2017 auf. Der Bundesverwaltungsgerichtshof habe nämlich den Klimaschutz und den Bodenverbrauch in einer verfassungswidrigen Weise in die Interessensabwägung einbezogen. So der aktuelle Stand.
Vor einigen Jahrzehnten wurden auch die politischen Interessen noch anders gewichtet. Damals, vor dem Bau der zweiten Piste, im Juli 1966, hieß es im Nationalrat: „Durch den Bau einer zweiten Piste, die zur bestehenden Piste verschwenkt angelegt werden soll, wird der Fluglärm und die Unfallgefahr vom engverbauten Gebiet der Großstadt Wien abgewendet (…).“ Und weiter: „Heute ist es so, dass die Mehrzahl aller anfliegenden Flugzeuge vom Westen kommend die gesamte Stadt überfliegen müssen. Und hier wird die zweite Piste ja die ganz wesentliche Verbesserung bringen.“ „Es ist daher unverständlich, warum einer Parallelpiste zu 11/29 der Vorzug gegeben wird, mit der die seit 1965 ums Zehnfache mehrbelastete Westeinflugschneise quer über Wien irreparabel einzementiert werden würde“, so die Initiative aus Liesing. "Wenn man der Meinung ist, man bräuchte eine dritte Piste", so Tögel, "dann so, dass Wien entlastet und nicht belastet wird." Doch auch die Notwendigkeit stellen die Bürgerinitiativen in Frage. Denn auch die Zahlen der Starts und Landungen am Flughafen Wien sprechen nicht für einer dritten Piste. Denn diese Zahl ist im Sinken. Die Ab- und Anflüge werden weniger.
Was sagen die Bezirke?
Die Position der Bezirksvorstehung (SPÖ) ist diplomatisch formuliert: "Für den Wirtschaftsstandort Wien und die gesamte Ostregion ist ein gut funktionierender internationaler Flughafen von existenzieller Bedeutung", heißt es hier. "Völlig unabhängig von der Anzahl der Pisten in Schwechat ist jedenfalls eine faire Verteilung der Start- und Landebewegungen über Wien und Niederösterreich notwendig. "Fair" heißt in dem Fall "gleichmäßig", ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Gebiete oder Bezirke", so Thomas Mück von der ÖVP Liesing. Aus Liesinger Sicht sei diese Fairness derzeit nicht gegeben. Und weiter: "Für uns ist entscheidend, ob sich an dieser nicht akzeptablen Situation durch eine dritte Piste etwas ändern würde. Die Antwort auf diese Frage wird unsere Position zur 3. Piste bestimmen." Auch Neos Liesing spricht sich gegen den Bau der dritten Piste aus: "Eine wirtschaftliche oder verkehrstechnische Notwendigkeit ist für uns nicht nachvollziehbar", lässt man wissen. Auch die FPÖ Liesing zeigt sich – im Gegensatz zur Bundespartei – kämpferisch: "Sollte die dritte Piste gebaut werden, werden wir die Garantie einfordern, dass es zu weniger Flügen über Liesing kommt", heißt es von dort. Die Grünen in Liesing sind sicher: Die dritte Piste wird nicht gebraucht. "Gerade Liesing ist bereits jetzt stark lärmbelastet. Dies stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Eine weitere Piste, die genau auf das Stadtgebiet zielt, wäre gegen jede Vernunft. Die Zahl der Starts und Landungen sinkt laufend", so Cordula Höbart.
So sehen das auch die Grünen in Penzing: "Wir Grünen Penzing waren, sind und bleiben gegen die dritte Piste in Wien-Schwechat. Eine zur ersten Piste parallele Führung hätte die Fixierung der Einflugschneise über Penzing zum Resultat", ist man sich sicher. Anders sieht das die Bezirksvorstehung: "Über Penzing gehen nur 11,5 Prozent der Landungen im Jahr, verdichtet auf einige Wochen im Jahr. Die Betroffenheit ist daher nur relativ zu sehen. Natürlich freuen wir uns über alle Maßnahmen, die die Landeanflüge über Penzing weiter reduzieren. Sollte das wie angekündigt durch die dritte Piste garantiert werden, unterstützen wir sie natürlich", heißt es aus dem Büro der Bezirkschefin.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.