7. Internationales Menschenrechtesymposium
"Nichtexistenz lebender Menschen beenden!"

Menschenrechte und Medien: ORF-Chefreporter Fritz Dittlbacher beeindruckte mit seiner Festrede, die  Pascal Gamper simultan in Gebärdensprache übersetzte. | Foto: Eckhart Herbe
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  • Menschenrechte und Medien: ORF-Chefreporter Fritz Dittlbacher beeindruckte mit seiner Festrede, die Pascal Gamper simultan in Gebärdensprache übersetzte.
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Artikel 6 der Erklärung der Menschenrechte betrifft die "Anerkennung als Rechtsperson". Was zunächst sperrig-juristisch klingt, hat  ungeahnte Auswirkungen auf das tägliche Leben von Millionen Menschen - in so manchem Fall auch in Österreich. Unter dem Ehrenschutz der Unesco gaben beim siebten Internationalen Menschenrechtesymposium der Bewussteinsregion Mauthausen - Gusen - St. Georgen Experten, prominente Gäste, nationale und internationale Besucher jedes Alters und vieler Kulturen dem Thema Gesichter und Stimmen. Allgemeiner Tenor: Im 75. Jubiläumsjahr der Unterzeichnung der Erklärung der Menschenrechte stehen diese wieder stark unter Druck - von vielen Seiten!

MAUTAUSEN, LANGENSTEIN, ST.GEORGEN/GUSEN. Stell dir vor, du lebst, existierst aber offiziell vor den Behörden und der Justiz deiner Heimat nicht. Hast keine Geburtsurkunde, keinen Reisepass, kannst weder einen Job antreten noch Krankenversicherung oder Bankkonto beantragen. Kannst kein Gericht anrufen, wenn dir Unrecht geschieht. Bist als Frau wie aktuell in 32, vor allem konservativ-islamischen Staaten, nur rechteloses Anhängsel eines männlichen Verwandten oder Ehegatten. Kannst selbst als bei uns geborenes und aufwachsendes Kind nicht stolz im Dialekt sagen "I bin a Österreicha", ohne dabei zum Feindbild und Hassobjekt bis weit hinein sogar in Parlaments- und Landtagsparteien oder populistische Gruppierungen zu werden.
Die bemerkenswerten Beiträge bei der von Journalistin und Autorin Christine Haiden souverän moderierten Eröffnung des Symposiums am 9. Oktober im Johann Gruber Pfarrheim in St. Georgen illustrierten diese täglich millionenfach erlebte Situation eindringlich. Die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten oder der Urkraine bildeten dabei Anknüpfungspunkte zum historischen Geschehen.

Terror: Verschwinden in "Nacht und Nebel" 

"Das gezielte Löschen amtlicher Existenz von Menschen ist für die Betroffenen wie deren Angehörige eine kaum ertragbare Form von Erniedrigung und Psychofolter. Was die Nazis in der Aktion "Nacht und Nebel" mit dem Identitätsraub bei Zwangsarbeitern und späteren KZ-Insassen begannen, wo Namen durch eingeritzte Nummern im Arm ersetzt wurden, fand später im Verschwindenlassen Zehntausender während der Militärdiktaturen Chiles und Argentiniens Fortsetzung. Und zeigt aktuell mit den Geiselverschleppungen durch die Hamas im furchtbaren Nahostkonflikt den Terror dieser Strategien", so Guy Dockendorf (Präsident Int. Mauthausenkomitee) in seiner Grußbotschaft.
Was es praktisch heißt, staatenlos und jahrelang amtlich nicht existent zu sein, schilderte Silvia Dinhof-Cueto, Tochter eines spanischen Widerstandskämpfers gegen das Franco-Regime und späteren Mauthausener KZ-Häftlings. Dieser blieb als unfreiwillig Staatenloser nach seiner Befreiung 1945 in Österreich und durfte erst zehn(!) Jahre später Staatsbürger werden. "Ich war als sein Kind einige Jahre Erbin dieser Situation - meine persönlicher Motivation, mich in seinem Gedenken aktiv gegen die 'Nichtexistenz' von Menschen einzusetzen", so die Obfrau des Gedenkvereins Republikanischer Spanier in Österreich. 

Demokratie ist ohne Bildung gefährdet 

"Eine Vervielfachung der Anstrengungen, jungen Menschen Demokratie nachhaltig zu vermitteln. Sie aktiv involvieren, aktuelle Bezüge herstellen und ihnen vertraute Kommunikationskanäle nutzen: Das ist zur Sicherung der Menschenrechte unverzichtbar, sowohl auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene!"
Darin waren sich Othmar Karas (1. Vizepräsident EU-Parlament), EU-Parlamentarier Hannes Heide (SPÖ) mit den jungen Talkgästen Sarah Peterseil (Kath. Jugend), VBgm. Philipp Mascherbauer (JVP OÖ), Manuel Hofstätter (SJ OÖ) und Nadine Penz (Vorsitzende Rote Falken OÖ) einig.

"Die politische Bereitschaft, allen österreichischen Jugendlichen nachhaltiges Demokratiebewusstsein, entsprechendes Hintergrundwissen und Motivation zum aktiven Engagement dafür zu vermitteln, ist hierzulande sehr überschaubar!"
(Hannes Heide, EU-Abgeordneter im Kultur- und Bildungsausschuss)

Sorgen bereitet den EU-Parlamentariern "eine gefährlich niedrige Wahlbeteiligung von teils nur 50% in einem Land wie Österreich. Ebenso der sehr überschaubare Einsatz heimischer Parteien, politische Bildung, Demokratiebewusstsein und diesbezügliches Engagement aktiv und konsequent zu fördern." Das EU-Bildungsprogramm Erasmus+ sei ein positives Musterbeispiel, dessen Budget trotz populistisch motivierter Kürzungsversuche nun "sogar verdoppelt wurde. Das selbe Bewusstsein brauchen wir in Österreich - es geht ja auch darum, zukünftig junge Menschen als politische Verantwortungsträger zu gewinnen", appellierte  Hannes Heide, Mitglied im EU-Bildungs- und Kulturausschuss.

"Menschrechtsbewusstsein wächst mit Nähe"

Festredner Fritz Dittlbacher, ORF Chefreporter und stellvertretender Leiter des Innenpolitikressorts, analysierte treffend, warum es  gerade in unserer multikommunikativen Zeit so schwer ist, Menschenrechte jedem in gleichem Maß und gleicher Anteilnahme zuzugestehen. "Tagelang hat die ganze Welt den missglückten, hochriskanten Tauchgang einiger Superreicher in einem fehlkonstruierten U-Boot zum Titanic-Wrack verfolgt. Die Betroffenheit über ihren Tod war riesig, ebenso die Zahl der großen Schlagzeilen - auch im ORF. Als kurz danach 500 Menschen vor Griechenland nach Kentern eines Flüchtlingsbootes ertranken, war es nur ein kleiner Bruchteil davon. Zu anonym, zu viele Leute, zu schwer vorstellbar. In manchen Teilen Ostdeutschlands stimmen bis zu 40%(!) dem Satz 'Es gibt wertvolles und unwertes Leben' zu. Was für Fremde offenbar gelten soll, das wäre im eigenen Familien- und Freundesumfeld wohl niemals vertretbar", illustriert der gebürtige Kirchdorfer. Das "Gewöhnen" oder gar bewusstes Fördern hässlicher, abschreckender Bilder sei mittlerweile bis weit in die Gesellschaft hinein politischer und medialer Usus im Kampf um Wähler oder medialer Reichweite.

"Sehnsucht nach Schwarz-Weiß"

Die von rechts- wie linksaußen oft kritisierten "Mainstreammedien", im Wesentlichen Österreichs seriöse Zeitungen und TV-Sender abseits des Trash-Boulevards, könnten das "Wohlfühlen Gleichgesinnter" kaum abbilden. Müssten sie doch differenziert und sachlich berichten, auch wenn das der eigenen Meinung zuwiderlaufe. "Viele sind es gewohnt, sich in vertrautem Social Media Umfeld, verstärkt von manipulierenden Algorithmen, eine persönlich passende Meinungswelt in einer Community Gleichdenkender zurechtzubasteln. Wer Kritiker und Unliebsames blocken oder disliken kann, wer maßgeschneiderte 'Wahrheiten' populistischer Politik einfach konsumierbar vorgesetzt bekommt, wird rasch zum Schwarzweißdenker", ist Dittelbacher überzeugt.

"Menschenrechte brauchen breiten Konsens, um ihre universelle Gültigkeit bewahren zu können. Daran müssen wir täglich arbeiten!" (Fritz Dittlbacher, ORF)

Das eigene Bild von "wir Guten" und "die anderen Bösen" vermittle die trügerische Geborgenheit einer kalkulierbaren Gesinnungsgemeinschaft. Man empfinde sich als Teil "der Vielen, die recht haben", obwohl die eigene Blase vielleicht in der Gesamtsicht winzig klein sei. Corona, Ukrainekrieg, Nahostkrise - jeder von uns erlebe selbst, wie verdammt schwer es sei, sich nicht von hochemotionalen Bildern und Botschaften den klaren Blick trüben zu lassen. Oder insgeheim sogar Gefühle zu entwickeln, die humanitär geprägte Demokraten eigentlich zutiefst ablehnten.

"Mehrheit der Vernunft ist weiter da!"

"Menschenrechte brauchen breiten Konsens, um ihre universell Gültigkeit bewahren zu können. Dafür lohnt es, sich zu engagieren, auch wenn es derzeit wenige Lichter gibt", ist der langjährige Medienprofi überzeugt.
"Aussichtslos? Ich glaube nicht. Insgesamt hat sich die Welt trotzdem verbessert, auch wenn uns gegenteilige böse Bilder oder der Hass mancher Einpeitscher auf Social Media oft die Welt verstellen. Dann lohnt es sich, einmal auf die Zahl der Follower oder Likes zu blicken: Zehn? Tausend? Zehntausend? Ok, es sind manchmal viele. Die denken möglicherweise wirklich so - aber es sind immer noch ungleich mehr, die das nicht tun, aber nicht im direkten Vergleich sichtbar sind. Es gibt sie nach wie vor: Die Mehrheit der Vernunft auf einem stabilen, humanitären Wertefundament. Und diese Mehrheit sollten wir alle zusammen mit den Mitteln echter Demokratie stärken!"

Über 30 Veranstaltungen in vier  Tagen

Das siebte Internationale Menschenrechtesymposium hat diesen Appell mit mehr als 30 hochwertigen Veranstaltungen für alle Alters- und Bevölkerungsgruppen auch heuer in beeindruckender Professionalität national und international vorbildlich unterstützt.
Eine Übersicht der vielfältigen Angebote hier

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