Der Kaolinzug im Josefstal
Verschwundenes Schwertberger Werksbahnidyll

- Bahnromantik im Josefstal in den1950ern: Die Dampfspeicherlok der KAMIG bringt am Ortsrand von Schwertberg einen Kaolinzug zum Bahnhof.
- Foto: unbekannt, Fotorepro Eckhart Herbe
- hochgeladen von Eckhart Herbe
2021 ist es 40 Jahre her, dass ein urtümliches Bähnchen, das trotz seiner Putzigkeit ein gewaltiges Transportvolumen bewältigte, für immer aus dem Bezirk Perg und sukzessive auch aus der Erinnerung der Menschen in und um Schwertberg verschwand. Während ihres Bestandes sind 2,5 Millionen Tonnen Kaolin, eine halbe Million Tonnen Quarzsand und mehr als 100.000 Tonnen Betriebsmaterial von dieser Kleinbahn transportiert worden. Heute erinnern nur mehr die alte Verladeanlage und zwei ihrer Lokomotiven im Schwechater Feld- und Industriebahnmuseum an ein Stück Industriegeschichte im Tal der Aist.
SCHWERTBERG. Der Schwertberger Kaolinzug, liebevoll von der Bevölkerung auch "Kaoline" genannt, war die Werksbahn der Kaolin-Montan-Industrie-Gesellschaft, besser bekannt als Kamig AG, welche einst vom Schwertberger Bahnhof entlang der Aist ins Josefstal führte. Am Höhepunkt der Förderung in den 1960er-Jahren wurden im einzigen Bergwerk des Mühlviertels jährlich bis zu 170.000 Tonnen Rohkaolin abgebaut und daraus rund 50.000 Tonnen Kaolin erzeugt. Teilweise fanden bis zu 500 Menschen dort Arbeit, die Kamig war damals einer der größten Betriebe Oberösterreichs. Einzigartig und heute archaisch anmutend erfolgte übe viele Jahrzehnte der Transport des Kaolins.
Transport mit Feldbahn, Seilbahn und zwei Zügen
Das zunächst in Stollen und später im Tagebau in Kriechbaum (Gemeinde Allerheiligen im Mühlkreis) geförderte Rohkaolin wurde am Werksgelände mit Loren-Feldbahnen transportiert und dann mittels einer langen, abenteuerlichen Seilbahn ins Aisttal zur Verladeanlage etwas südlich der Firma Merckens gebracht. Ursprünglich wollte sich dieses Unternehmen ebenso wie die Poschacher Steinwerke zum Abtransport ihrer Produktionen am Bau der Bahn durchs Josefstal beteiligen. Die Kooperation kam letztendlich aber nicht zustande und die Kamig AG fungierte als alleiniger Bauherr.
Ab 1923 wurde Rohkaolin in Schmalspurwagen verladen und zum knapp 3,8 Kilometer entfernten Bahnhof Schwertberg befördert. Dort erfolgte eine erneute Umladung, diesmal in normalspurige Waggons der ÖBB zum Weitertransport in die zwei Kilometer entfernten Verarbeitungsanlage in Aisthofen. Dass diese aufwändige Logistik auf Dauer nicht wirklich ökonomisch war, ist nachvollziehbar. 1978 wurde die Einstellung der Werksbahn beschlossen. Man benötigte sie nicht mehr, denn die Kaolinerde gelangte, nunmehr mit Wasser versetzt, durch eine Pipeline von den Abbauorten in Kriechbaum und Weinzierl bei Perg nach Aisthofen. Letztendlich existierte die "Kaoline" 78 Jahre, bis zur endgültigen Betriebsstilllegung 1981.
Dampflok ohne Feuer unterm Kessel
Stets eine Besonderheit waren die Lokomotiven des Zügleins: Ganz zu Betriebsbeginn übernahm eine benzinelektrische(!) GEBUS-Lok den Betrieb, die aber wegen ihrer Reparaturanfälligkeit bald in Ungnade fiel. "Star" der Bahn war rund 50 Jahre lang eine Dampflok, in der kein Feuer brannte. Die Kamig AG erwarb von der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik die letzte dort erzeugte feuerlose Dampfspeicherlokomotive mit 114 PS , welche von der Floridsdorfer Lokomotivfabrik fertiggestellt und im Oktober 1930 nach Schwertberg geliefert wurde. Die Lokomotive blieb erhalten und bereichert heute als Exponat das Feld- und Industriebahnmuseum Schwechat. Dort befindet sich auch eine ebenfalls auf der Kaolinbahn eingesetzte und von den Jenbacher Werken in Tirol gebaute 50 PS - Diesellok. Die Dampfspeicherlok ermöglichte einen sehr wirtschaftlichen Betrieb. Im Josefstal stand genügend industrieller Dampf zur Verfügung, mit dem der Kessel "betankt" wurde. Eine Dampffüllung reichte für eine Fahrt von der Verladeanlage nach Schwertberg, für den dortigen Verschub und die Rückfahrt mit Versorgungsgütern für die Kamig-Anlagen im Aisttal. Am 13. Oktober 1982 verließ die putzige Dampflok auf ihrer letzten Fahrt das Josefstal und gelangte - von ihrer dieselbetriebenen Schwesterlok gezogen - nach Schwertberg, von wo aus sie am nächsten Tag auf einem Bundesbahnwaggon ihre letzte Reise ins Museum antrat.
Die Kaoline in Bildern und Videos
Dass es Wissen, Bilder und sogar Filme zur Bahn im Josefstal gibt, ist aktiven und ehemaligen KAMIG-Mitarbeitern, leidenschaftlichen Eisenbahnliebhabern und engagierten Heimatkundlern zu verdanken, die dieses Stückchen Industriegeschichte für die Nachwelt bewahren und ihm immer wieder neue Puzzleteile hinzufügen. Nachfolgend einige sehr interessante Links:
- Die in diesem Beitrag verwendeten Bilder fanden sich vor 15 Jahren - leider ohne Quellenangabe - als Fotoabzüge im Archiv der früheren Perger Rundschau und wurden vom Verfasser abfotografiert und digital verbessert.
- Kürzlich entdeckte Fritz Huber, der aktuelle Standortleiter der Bezirksrundschau Perg, zwei sehenswerte Videos auf Youtube mit Betriebsszenen und einer Fotoshow über die Kaoline.
Aus dem Dampfarchiv: 1978 - Schwertbergbahn (Video, Quelle: Christoph Wachendorf)
Aus dem Dampfarchiv: 1975 - Schwertbergbahn (Fotoshow, Quelle: Christoph Wachendorf)
- Unmittelbar vor Ort bietet das sehr interessante Bergbaumuseum "Kaolinum" in Kriechbaum eine umfangreiche Dokumentation, einzigartige Fotos und Schaustücke zum Bergbau in der Region und natürlich auch zur Kaoline und den Feldbahnen am Werksgelände sowie zur Materialseilbahn ins Josefstal. Alle Informationen auf
- Im Perger Heimatmuseum gestaltete der Katsdorfer Josef Dober, Fahrdienstleiter in Schwertberg, vor einigen Jahren eine sehenswerte Ausstellung zu Kaoline. Eine Zusammenfassung findet sich unter
https://angebote-pergmuseum.blogspot.com/2012/12/kamig-werksbahn-ein-stuck-eisenbahn.html
- Viele Fotos von Josef Dober und detaillierte Informationen zu Strecke und Fahrzeugen der Kaolinbahn gibt es auch auf der umfangreichen Homepage des Eisenbahnenthusiasten Gerhard Obermayr.
https://www.eisenbahn.gerhard-obermayr.com/feldbahnen/schwertberg/






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