Lehre: "Wird extreme Aufwertung geben"
Wirtschaftskammer-Obmann Wolfgang Wimmer über Lehre und ein Schulfach "Wirtschaft".
BezirksRundschau: Von Unternehmen hört man immer wieder Klagen über den Fachkräftemangel. Was kann man gegen diesen machen?
Wolfgang Wimmer: Ich glaube, es ist uns noch gar nicht ganz bewusst, wie arg das wird. Die Zahl der Lehranfänger droht in den nächsten 14 Jahren von derzeit fast 40.000 auf 24.000 pro Jahr abzusinken. Um dem entgegenzuwirken, gibt es mehrere Zugänge.
Wie zum Beispiel das Image der Lehre aufzubessern?
Die Imagebildung ist das Um und Auf. Ein erlernter Beruf zählt nicht so viel wie eine abgeschlossene Schulausbildung. Ich glaube, dass eine extreme Aufwertung der Lehre passieren wird. Das muss man auch in die Köpfe der Eltern bringen. Das Ganze wird sich drehen: Es gibt derzeit sehr viele Schulabgänger, aber nur eine begrenzte Zahl von Berufen und Arbeitsplätzen für sie, da bleiben viele auf der Strecke. Die Image-Trendwende wird Jahre dauern, aber sie kommt spätestens dann, wenn der Fachkräftemangel zuschlägt.
Wie kommt die "Lehre mit Matura" im Bezirk an?
In den vergangenen vier Jahren hatten wir 218 Teilnehmer im Bezirk. Die meisten davon von der Firma Engel, von Hueck Folien und Praher Kunststofftechnik. Eine weitere Möglichkeit ist die Lehre nach der Matura, durch Anrechnungen oft mit verkürzter Lehrzeit. Fest steht: Die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen ist in Ländern mit dualer Ausbildung am geringsten. Spanien, Portugal haben über 25 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Es gibts nichts Schlimmeres, als wenn Jugendliche keine Arbeit haben. Diese Länder schauen nach Österreich und wollen unser Konzept implementieren.
Müsste man früher ansetzen, um Jugendliche für eine Lehre zu begeistern?
Es gibt ein fertiges Schulunterrichtskonzept der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Ab der ersten Hauptschulklasse, der fünften Schulstufe, soll es ein eigenes Fach unter dem Titel "Wirtschaft verstehen" geben. In der dritten oder vierten Klasse ist es zu spät.
Wie konkret sind die Pläne dafür und wie sollen die Inhalte aussehen?
Das Ganze soll im Herbst starten, wir suchen derzeit Kooperationsschulen. Der erste Kontakt läuft über die Berufsorientierungslehrer. Geplant ist eine Stunde pro Woche. Uns geht es darum, dass die Schüler wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen, warum es wichtig ist, im Ort einzukaufen, was es wert ist, wenn der eigene Arbeitsplatz im Ort ist und so weiter. Für die Lehrer soll es eine zusätzliche Ausbildung geben. Und Unternehmer sollen beteiligt werden, in der Klasse über ihren Betrieb und ihren Werdegang erzählen.
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Zur Sache
Lehrlinge im Bezirk:
2012: 1182 Lehrlinge; 2011: 1166 Lehrlinge; 2010: 1188 Lehrlinge.
127 Lehrberufe (Kombinationen eingerechnet) werden im Bezirk angeboten. Die beliebtesten Lehrberufe bei Mädchen sind Lebensmitteleinzelhandel, Bürokauffrau, Friseurin und Gastronomiefachfrau, bei Burschen Kfz-Techniker, Mechatroniker, Lebensmitteleinzelhandel, Bürokaufmann. Quelle: WK
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