TTIP: 562.552 Stimmen dagegen
Bei dem Volksbegehren gegen TTIP, CETA und TiSA kamen österreichweit 562.552 Unterschriften zusammen. Wir sprachen mit Handlfinger und Kalteis.
PIELACHTAL (rg). Tag für Tag gingen im Zeitraum zwischen dem 23. und dem 30. Jänner Menschen auf die Gemeinde, um bei dem Volksbegehren gegen TTIP/CETA und TiSA zu unterschreiben. Österreichweit kamen so 562.552 Unterschriften zustande. Jetzt muss das Ganze im Nationalrat behandelt werden. Die Bezirksblätter sprachen mit Ober-Grafendorfs Bgm. Handlfinger (SP) und Weinburgs Bgm. Kalteis (SP) über ihren Erfolg gegen das Freihandelsabkommen.
BB: Wie sind sie mit dem Ergebnis der Volksbefragung zufrieden?
Kalteis: "562.552 ist eine schöne Zahl. Diese sagt aber auch, dass sich ebenso viele Leute die Zeit genommen haben, ihre Meinung im Gemeindeamt zu deponieren, weil sie mit der Art und Weise der Verhandlungsführung über die Köpfe der Menschen hinweg nicht einverstanden sind und sie sich berechtigte Sorgen um die Lebenssituation der folgenden Generationen machen."
Handlfinger: Ich bin tatsächlich mehr als zufrieden. Wir haben mit defacto keinem Budget und trotz großen Tagesthemen wie Donald Trump, Prölls Rückzug, Regierungskrise und Bundespräsidentschafts Angelobung eine gehörige Medienpräsenz geschafft. Dadurch und durch die Unterstützung unserer Kooperationspartner wie ATTAC, Global 2000, die Daseinsgewerkschaft Younion, Greenpeace oder auch dem Handelsunternehmen SPAR haben wir über eine halbe Million Menschen dazu bewegen können in die Gemeindestuben zu gehen und gegen TTIP, CETA & TiSA zu Unterschreiben.
BB: Was würde sich ihrer Meinung nach, für das Pielachtal und Österreich ändern wenn TTIP und Co. kommen würden?
Kalteis: Gerade die kleinstrukturierte Landwirtschaft mit ihren qualtitätvollen Produkten wird mit massiven Preisdruck zu kämpfen haben. Bei uns hat ein durchschnittlicher Betrieb 15 ha, in Kanada 400 ha. Man wird sich wohl vorstellen, dass aus diesen Agrarindustrien sich Produkte zu wesentlich günstigeren Preisen erzeugen lassen...
Handlfinger: Die kleinstrukturierte Landwirtschaft in unserer Region ist jetzt schon so unter Druck, dass es unverantwortlich wäre unsere Lebensmittelversorgung noch verstärkt mit einer großstrukturierten Landwirtschaft konkurrieren zu lassen. Unsere Produktionsstandards sind höher und nicht auf Hormone oder Genmanipulation angewiesen. Mit den Abkommen müssten unsere hohen Standards gegen die billigeren Produktionsweisen aus Canada oder der USA konkurrieren. Da könnten wir preislich nicht mithalten und müssten um konkurrenzfähig zu bleiben unsere Standards freiwillig nach unten regulieren. Das wäre ein unfairer Wettbewerb, zu Lasten unserer Landwirte und unserer Standards. Konzerne könnten unter bestimmten Bedingungen gegen Gesetze klagen die ihren Gewinn schmälern könnten. Wenn beispielsweise ein strengeres Umweltgesetz den Gewinn eines Unternehmens aus Übersee schmälert, könnte das Unternehmen den Staat auf den entgangenen Gewinn klagen. Einheimischen Wirten steht so eine Möglichkeit nicht zur Verfügung. Und schon gar nicht könnten sie sich so eine Klage leisten, denn dieses Instrument steht nur großen Konzernen zur Verfügung. Was das bedeutet ist klar, die heimischen Klein und Mittleren Unternehmen werden gegenüber großen Konzernen, die nicht mal ihren Steueraufkommen gerecht werden, nochmals schlechter gestellt. Es muss endlich wieder eine Politik für die KMUs gemacht werden. CETA gehört da nicht dazu…
BB: Wie sind sie mit der Beteiligung in Ihrer Gemeinde zufrieden?
Kalteis: Ich bin mit einem Anteil von 38,5 % der Wahlberechtigten sehr zufrieden.
Handlfinger: Mit mehr als 23% und über 800 Unterschriften bin ich mehr als zufrieden. Wir haben in der Gemeinde einen einstimmigen Beschluss aller vier Fraktionen, uns gegen die Freihandelsabkommen auszusprechen. Darum gab es auch breite Unterstützung für das Volksbegehren.
BB: Was ist Ihre Motivation um gegen TTIP zu kämpfen?
Kalteis: Es geht nur vordergründig um den Freihandel. Es geht um Verstärkung neoliberalen Tendenzen, es geht um Erleichterung einer Politik für Vermögensverwalter, Banken und Konzerne, zu Lasten einer Politik, die sich an den Sorgen und Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert. Die Leute spüren ganz genau, dass sie von dieser neoliberal orientierten, im Prinzip antidemokratischen Politik, die die Ungleichheit verschärft, nicht mehr gemeint sind.
Diesen Menschen wollten wir eine Stimme geben und unserer politischen Führung damit zu signalisieren, ihre Anstrengungen für soziale Gerechtigkeit zu verstärken.
Handlfinger: Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir den Handel, den wir alle benötigen, tatsächlich fairer und gerechter hinbekommen können. Wir müssen den Druck von unten erhöhen damit es die Lobbyisten auf EU Ebene nicht ganz so einfach haben unsere Politiker zu beeinflussen. Ich sehe nicht ein, dass große Konzerne, die nicht gewillt sind ihre Steuern ordentlich abzuliefern nun durch die Abkommen noch weitere Vorteile gegenüber KMUs erhalten. Die kleinen und mittleren Unternehmen sind schließlich die Stütze und Basis unserer Wirtschaft.
Die Bezirksblätter bedanken sich bei Bgm. Kalteis und Bgm. Handlfinger für das Interview.
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