Acht Jahre bin ich...

Episoden aus meinem Leben

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Mutter
Meine Mutter, Ernestine Biechl geb. Berger, bei ihrer Hochzeit

Acht Jahre bin ich alt. Mein Vater ist aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen, nachdem er noch unseren Umzug aus dem Ötztal ins Außerfern organisiert und begleitet hat. Meine Mutter und ich wohnen jetzt in einem frisch erworbenen Haus meiner Tante, welches zu ihrer Altersversorgung von einem kleinen Bauernhof in eine Fremdenpension umgewandelt werden soll.

Ich bin jetzt Mutters Ein und Alles, das sie wie ihren Augapfel hütet.

Das bringt mir viele Annehmlichkeiten wie beispielsweise ein – auch auf meine Bedürfnisse zugeschnittenes – Zuhause und die tägliche Versorgung, die für sie nicht so einfach ist. Sie muss mit den geringen Alimenten eines Vaters, der sich mit Gelegenheitsarbeiten durchs Leben bringt, und einer kurz bemessenen staatlichen Sozialunterstützung sehr geschickt haushalten, um sich und vor allem mich, ihren geliebten Sohn zu kleiden und zu nähren. Kein Wunder also, dass unsere täglichen Speisen aus Kartoffeln, Nudeln, Grießmus oder Polenta bestehen. Manchmal gibt es auch Fleisch, dann aber eher von der billigeren Sorte, wie Kuddelfleck oder Innereien.

Meine Mutter achtet auch auf die notwendige Erziehung für einen Achtjährigen, indem sie mich nicht nur zur Schule schickt, sondern auch zum Lernen anhält. Sie pflegt mich, wenn ich krank bin. Und das kommt gar nicht so selten vor, weil ich andauernd an Kopfschmerzen leide. Das hat mit meinen früheren Unfällen zu tun, wird aber von mir – später werde ich das freimütig zugeben – auch als Entschuldigung benützt. Das passiert vor allem an Tagen, an denen das Fach Zeichnen, das überhaupt nicht meinen Talenten entspricht, unterrichtet wird. Da darf ich dann daheim bleiben.

Und meine Mutter ist zärtlich zu mir, was mir mit zunehmenden Alter immer unangenehmer wird.

Damit fangen dann die Unannehmlichkeiten an, denn ich bin – wie man sich unschwer vorstellen kann – nicht der Herr, aber doch der Mann im Haus.

Ich fühle mich benützt, unseren Hausgarten zu pflanzen, zu gießen, zu jäten und dann auch noch zu ernten. Das sind nicht meine Lieblingsbeschäftigungen.

Was mir schon etwas mehr gefällt ist das Holzhacken. Das ist Männerarbeit und wurde früher von meinem Vater erledigt. Also macht mir diese Arbeit zwar einige Mühe, besonders wenn die Holzpflöcke so groß sind, dass ich nicht nur mit der Axt, sondern auch mit Hartholzkeilen arbeiten muss. Aber sie weckt meinen Stolz, dass ich kleiner Kerl schaffe, woran meine Mitschüler und Altersgenossen nicht einmal denken (müssen).

Aber ein Auftrag meiner Mutter bringt mich doch aus der Fassung und lässt – ich sage es ganz ehrlich – meine Knie schlottern: “Lieber Bub, ich habe unsere Nachbarinnen – Bäuerinnen – gebeten, unser Huhn abzuschlachten. Aber beide haben abgelehnt, sie hätten das nie gemacht, weil das immer die Aufgabe ihres Mannes gewesen sei. Also musst Du das Hendl umbringen, wenn wir Deinen Geburtstag mit diesem Festmahl feiern wollen!”

Zwiespältige Gefühle plagen mich. Natürlich bin ich stolz darauf, dass meine Mutter mir zutraut, ich könne diese Aufgabe bewältigen. Andererseits habe ich Angst und schrecke vor dieser Herausforderung zurück. Es ist doch ganz etwas anderes, einen Holzprügel zu Kleinholz zu spalten als auf demselben Hackstock und mit derselben Hacke einem Huhn den Kopf abzutrennen. Dass es sich um mein Geburtstagsessen handelt, spielt in diesem Moment überhaupt keine Rolle.

Aber was soll’s? Kurzentschlossen stimme ich tapfer zu und schleiche mich alleine – meine Mutter kann auch nicht zuschauen – in den Hühnerstall, um unser einziges Hendl in jenen Teil des früheren Heubodens zu bringen, den wir jetzt als Holzschuppen eingerichtet haben. Ich fasse das arme Tier so, dass sein Hals auf dem Holzstock zu liegen kommt. Es beginnt, sich zu wehren, aber ich schlage mit einem gut gezielten Hieb zu. Ich bin auf Anhieb erfolgreich, was mir im ersten Moment jedoch nicht so klar ist, weil jetzt flattert das geköpfte Hendl wild durch die Gegend, verliert Blut und lässt mich erschauern. Aber auch das hat sein Ende und mein Stolz über die getane Arbeit erfasst mich.

Eine der unangenehmen Seiten meines Lebens besteht darin, dass meine Mutter mich kategorisch nach der nachmittägigen Spielzeit zum Radfahren oder zum Zeitvertreib mit meinen Altersgenossen auf den unasphaltierten Wegen des Dorfes um Punkt 16 Uhr zum Lernen zurückruft.

Dieser Rückruf meiner Mutter ist so unbarmherzig, dass er auch trotz meiner – in meinen Augen -berechtigten Argumente durchgesetzt wird, als ich zusammen mit anderen Kindern zu einer Jause als Belohnung für getane Arbeit eingeladen bin. Es ärgert mich in diesem speziellen Fall unbändig, hauptsächlich weil ich vor meinen Altersgenossen als Muttersöhnchen dastehe und weil ich – so tüchtig und lerneifrig ich auch bin – als Taugenichts hingestellt werde, der mit Gewalt zum Lernen gezwungen werden muss. Ich empfinde meine Mutter als immens hart und unsensibel, weil sie vollkommen achtlos über meine persönlichen Wünsche hinwegtrampelt.

Ich gehe trotzdem – gehorsam wie ich gelernt habe zu sein – nach Hause, lasse dann aber meiner Wut freien Lauf. Verzweifelt gehe ich in das Zimmer, wo die Briefmarkensammlung aufbewahrt ist, die wohl eher meiner Mutter als mir gehört. Ich reiße wahllos unzählige der sonst so sorgsam gehüteten Marken aus dem Album heraus und zerknülle sie, getrieben von unendlichem Zorn.

Nachdem meiner Rage damit nicht ausreichend Genüge getan ist, nehme ich mein Fahrrad und strample damit nicht nur zum nächsten Nachbarort, sondern bis hinauf auf die Passhöhe. Erst bei der Rückkehr, auf der ich mein Rad locker und schnell laufen lassen kann, besänftigt sich meine bisher hemmungslose Erregung.

Zuhause angekommen habe ich mich wieder voll im Griff und werde von meiner Mutter für all diese ‘Straftaten’ zwar gemaßregelt, aber nicht so streng, wie ich es mir erwartet hätte.

Und das ist das Feedback zu dieser Episode:

Titel-Tipps:

Liane:
"Gelernter Gehorsam"
Tatjana:
"Die nackte Wut"
"Die liebevolle Gewalt"
"Einfach - zersplittert ..."
Brigitte:
"Auch Kuttelfleck machen stark!"
"Lieber Kuttelfleck als Hühnermord"
Christian:
"Muttertag!"
"Meine Jugend - ein ganz nomaler Tag!"
Christof:
"Der Mutterstolz hackt gerne Holz"
"Eine Geschichte aus einer Zeit, die so fern erscheint"
"Der Mann im Haus ist grad 8 Jahre alt, hat aber schon große Aufträge"
"Wer den Geburtstagsbraten will, darf nicht vor einer Bluttat zurückschrecken"
"Die Nachkriegszeit war kein Zuckerschlecken, das tut mich aber heute nicht mehr schrecken"
Elisabeth :
"Trost im kindlichen Stolz"
Lieselotte:
"Die Herausforderung"
Caroline:
"Mutter's Liebling ;-)"

Kommentare (autorisiert):

Brigitte:
"Ich habe diesen 1. Splitter aus Deinem Leben mit Vergnügen gelesen. Dass "Fortsetzung folgt" lässt auf weitere sehr interessante und gleichzeitig humorvolle Zeilen hoffen."
Ilona:
"Ich finde diese Kurzgeschichten wundervoll und werde mich immer freuen, sie zu lesen!"
Gerti:
"Wenn man von deiner Kindheit liest, versteht man den grossen, alten Egon besser."
Michaela:
"Danke, dass ich an deinen Geschichten teilhaben darf. Du hast einen wundervollen Schreibstil. Ich freue mich weitere Splitter zu lesen."
Lieselotte:
"Danke für deine Erzählung aus deiner Kindheit. Es berührt, wirft aber auch viele Fragen auf. Es ist interessant, denn gerade auch Buben wurden in der Nachkiegszeit mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Wunderbar, bleibe der Art der Beschreibung treu und ich freue mich auf den nächsten Beitrag."
Jahleh:
"Eine gute Idee und ehrlich erzählt"
Caroline:
"Sehr schön, gefällt mir!"
Catriel:
"du lieber freund, was fuer ein beginn einer autobiographie, lebenslauf, erzaehlt in
fortsetzungen wie ein roman, in "splittern" . danke dir dafuer dass du mich zu deinen freunden zaehlst, eine ehre, freundschaftsbestaetigung; und entschuldige mich fuer meine spaete antwort, und "kommentar". deine mutter - eine schoenheit; dein vater ?
wie und warum er die familie verlassen konnte ? du mit 8 jahren "halbwaise"
erinnert mich an meinen "verlust" ebenfalls mit 8 jahren, der mich in ein waisenhaus im 14ten bezirk versetzte. ein total unerwarteter brief aus russland 1939, ohne erklaerung - familien wiedervereinigung. verschaffte mir, mutter und schwester, eine "einladung" von der gestapo " wos soll des"? in meiner unwissenheit habe ich ihn gehasst. wie man spaeter in erwachsenen jahren, im rueckblick seine eltern anders in anderem licht sieht....
ich kenne dich doch nur als baertigen, vierkantigen (?) liebenswuerdigen egon, "fast"priester, bin gebannt gespannt auf weitere folgen ( halte jetzt erst bei nr 1).
du als holzhacker, hendl moerder, briefmarkenschaender, ach egon, haett dich doch so gern wieder gesehen !du zornbinkl, als ejemaliger begeisterter briefmarken sammler (diese marken haben mich in meiner zeit im waisenhaus von der weiten, welt dort draussen traeumen lassen; und mich in den zwei hauptschulklassen - das letzte mal da ich eine schule von innen erlebte) zum besten in geographie machten. ich versteh, und "verzeihe" dir deinen kurzen zornwahnsinnsakt."

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