Die Zeit des großen Nerzes ist vorbei
"Wer braucht heute noch einen großen Pelzmantel?", fragt Gertraud Löw. Die 70-Jährige ist Salzburgs letzte Kürschnerin.
Ende März sperrt Pelzdesign Mares in der Goldgasse in der Salzburger Altstadt mangels Nachfolger zu. Salzburgs letzte aktive Kürschnerin, Getraud Löw, ist 70 Jahre. In Kuchl betreibt sie ihr Geschäft samt Werkstatt. "Wir haben es vorwiegend mit alten Pelzmänteln zu tun, die aus Omas Kleiderkasten stammen und die wir jetzt für die Enkelkinder modernisieren. Denn es gibt nichts Schlimmeres als einen altmodernen Pelz", erklärt die Kürschnermeisterin. Und: "Wir verwerten alles, jeden noch so kleinen Rest. Wir zerlegen die alten Mäntel vollkommen und verpassen ihnen der jetzigen Mode entsprechend einen modernen Schnitt", so Löw.
Veränderte Bekleidungsmoral
Die Zeit des großen, langen Nerzes sei vorbei – einerseits weil es heutzutage kaum noch Gelegenheit gebe, "einen großen Mantel" anzuziehen, andererseits weil die Winter milder würden – aber auch weil sich die Bekleidungsmoral verändert habe.
"Was zur Zeit wieder ein bisschen mehr ins Bewusstsein rückt, ist der Pelz aus dem heimischen Rotfuchs, Nutria und Bisam. Der wird aber nicht zur Pelzproduktion gezüchtet, sondern steht – weil er bejagt wird – zur Verfügung."
Zur nicht artgerechten Pelzproduktion sagt Gertraud Löw: "Das Problem ist – so wie bei allem – die Massenproduktion, in der das Produkt möglichst nichts kosten darf. Wir Kürschner haben immer darauf geachtet, dass die Pelze, die wir verwenden, aus artgerechter Produktion kommen. Wenn Sie ein industriell hergestelltes Pelzprodukt kaufen, dann wissen Sie nicht, woher der Pelz ist und wie er produziert worden ist. Und: Manche Mär stimmt einfach nicht. Zum Beispiel, dass Silberfüchse vor dem Töten gequält werden, damit sie ihre Haare aufstellen und so ein flauschiges Fell haben. Waren Sie schon einmal in einer Gerberei? Dort werden sämtliche Leder und Felle in eine Lauge gelegt – danach steht kein einziges Haar mehr auf. Die Felle werden danach nämlich aufgebügelt."
Nicht als Entschuldigung, aber als Hinweis auf das eigene Konsumverhalten will Gertraud Löw den Vergleich zu Produktionsbedingungen in anderen Branchen verstanden wissen: "Schauen Sie sich an, wieviele Kinder in der Handy-Herstellung arbeiten, wie viele Kinder und Frauen unter unmenschlichen Bedingungen in der Textilindustrie arbeiten. Wenn ich ein T-Shirt um zehn Euro kaufe, dann muss jemand anderer darunter leiden. Darüber sollte man schon auch nachdenken, bevor man pauschal auf Pelzhersteller schimpft."
Kunstpelz: Abfall von morgen
Insgesamt gebe es aber einen Trend zu mehr Bewusstsein für Qualität und Herkunft – vor allem im Textilbereich. "Die Menschen wollen nicht mehr nur in der uniformierten Steppjacke aus Kunstfaser herumlaufen – die sie dann nach zwei Jahren wegwerfen und die nie verrotten wird. Das gleiche gilt für Kunstpelz. Auch der verrottet nicht, sondern bleibt irgendwann als Abfall übrig. Unsere Pelzmäntel sind teilweise 30, 40 Jahre alt und wir machen in unserer Werkstatt neue, moderne Kleidungsstücke daraus. Das ist für mich ein schöner Beruf, mit viel Kreativität und vor allem mit vielen Kunden, die wieder glücklich sind mit einem Pelz, der davor jahrelang nur im Kas- ten gehangen ist."
Nochfolger? Gibt's keine
Ein Nachfolger für ihr Geschäft und ihre Werkstatt ist nicht in Sicht. "Wahrscheinlich werde ich irgendwann ganz zusperren", sagt Gertraud Löw, die ihr Geschäft pensionsbedingt nur mehr sieben Monate im Jahr offen hat. "Als meine Tochter in die Schule ging, musste sie einen Aufsatz gegen Pelz schreiben – Sie können sich vorstellen, dass sie sich nicht für den Beruf des Kürschners interessiert hat. Und das Hinhacken auf die Branche hat dazu geführt, dass sich jetzt keiner mehr dafür interessiert." Den letzten Lehrling hat Gertraud Löw in den 80er-Jahren ausgebildet.
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