RMagazin Buchtipp: Martin Prinz: „Die unsichtbaren Seiten“

Foto: Insel
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König, Prinz und Enkelsohn – von Mirjam Dauber

Er heißt Prinz und ist trotzdem ein König. Der König von Lilienfeld, acht Jahre alt, Volksschüler. Dass er schmächtig ist, eine dicke Brille trägt und von der Lehrerin gepiesackt wird, tut nichts zur Sache. Auf dem Heimweg läuft er, fürchtet sich vor anderen Kindern. Trotzdem ist er der König, denn er ist der Enkel des Bürgermeisters. Das heißt schon was. Von Politik, von Sitzungen, von Ämtern hört er, der Wissbegierige, ja Neugierige, schon früh und ist fasziniert. Wie von vielem. Vor allem von Büchern. Er liest, stets am Entlehnlimit der örtlichen Bücherei. Zumeist heimlich, die Eltern austricksend, die zwar das Lesen unterstützen, aber nicht das nächtelange. Wenn die unterste Treppe knarrt, geht das Licht aus, nie schaffen sie es, ihn zu überrumpeln. Die kleine Schwester, die im selben Zimmer schläft, hält dicht, sie ist furchtlos und stark. Der österreichische Autor Martin Prinz erzählt von seiner Kindheit in den 70er und 80er- Jahren des letzten Jahrhunderts, zwischen Zwentendorf und Mauerfall, zwischen dem roten und schwarzen politischen Lager. Die Mutter und Bürgermeistertochter stammt aus dem bürgerlichen Lilienfeld, hier wohnt die Familie fortan auch, baut ein Haus, am Fuße des Hauses der Großeltern. Der Vater ist in ärmlicheren Verhältnissen aufgewachsen, im benachbarten Arbeiterort Traisen. Im Gegensatz zum Bruder darf er Matura machen, Lehrer werden. Prinz liebt beide Familien, hat eine enge Bindung zu den Großeltern; der Roman ist auch eine Hommage an sie. An die emsige Traisner Großmutter, deren Nähereien ihn faszinieren, die verbittert, als ihr die Arbeit wegbleibt. An den viel zu früh verstorbenen Großvater, schwer kranke Fußballlegende, von dem die Erinnerung an ein qualvolles Leiden und Sterben bleibt. An die Großmutter, die während des Krieges über sich hinaus wächst und danach trotzdem aufs Abstellgleis gestellt wird. Und schließlich an den Bürgermeister-Großvater, der an Demenz erkrankt und mit dem Blick auf die von ihm gepflanzte, blühende Magnolie im Garten seinen Frieden findet. Ein starker Roman über Wurzeln und Erinnerungen, über das, was fortbesteht und weiterlebt, sprachlich faszinierend. 

Foto: Insel
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