Lohn statt Taschengeld
Gerechte Entlohnung für Menschen mit Behinderung
Die Forderung „Lohn statt Taschengeld“ der KlientInnen und InteressensvertreterInnen der Caritas Tagesstätten besteht schon seit mehreren Jahren. Nun will auch die Regierung das System der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung umstellen und anstatt von Taschengeld sollen die KlientInnen in Beschäftigungsverhältnisse mit sozialversicherungspflichtiger Entlohnung überführt werden.
LANZENDORF. Die InteressensvertreterInnen der Caritas Tagesstätte in Lanzendorf haben regionale PolitikerInnen eingeladen, die Tagesstätte zu besuchen und ein paar Stunden mitzuarbeiten, um zu sehen was wirklich vor Ort in den Tagesstätten geleistet wird. Dieser Einladung sind Frau Bürgermeisterin Silvia Krispel, Herr Vizebürgermeister Heinz Blocher und die geschäftsführende Gemeinderätin Frau Christa Forster von der Gemeinde Lanzendorf nachgekommen. Unterstützt wurden sie dabei auch von Frau Sonja Wirgler vom Energiepark Bruck/Leitha.
In den Gartengruppen, in der Gruppe Holz & Deko sowie bei den Aktiv-SeniorInnen gab es eine rege Mitarbeit der PolitikerInnen. Abschließend gab es noch einen Erfahrungsaustausch in Bezug auf die Aufgabengebiet und Tätigkeiten der KlientInnen und natürlich wurde das Thema „Lohn statt Taschengeld“ nochmals besprochen. Der Besuch endete mit einem gemeinsamen Mittagessen in der Tagesstätte.
Hr. P. / 36 Jahre:
„Behinderung sollte nicht hinter einem Gehalt stehen. Ich möchte für meine Arbeit eine normale Entlohnung bekommen!“
Hr. F. / 56 Jahre:
„Ich möchte für meine Arbeit nicht mit einem Anerkennungsbeitrag (Taschengeld) abgespeist werden. Ich arbeite täglich von 09:00 Uhr bis 15:00 Uhr mit einer Stunde Pause und leiste meinen Beitrag für die Gesellschaft. Mein Traum ist eine eigene Wohnung.“
Die KlientInnen wollen zeigen, dass Menschen mit Behinderung viel können, dass es gut ist, gemeinsam etwas zu tun – und sie wollen ihren Gästen auch etwas mitgeben, damit sie die Anliegen von Menschen mit Behinderung in ihrer politischen Arbeit mittragen.
Regierung will System umstellen
Die Bundesregierung will das System der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen umstellen. Anstatt für ihre Arbeit in "Werkstätten" lediglich ein Taschengeld zu bekommen, das durch andere staatliche Leistungen ergänzt wird, sollen sie in Beschäftigungsverhältnisse mit sozialversicherungspflichtiger Entlohnung überführt werden. Dies könne aber nur Schritt für Schritt passieren, so Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP).
Derzeit sind rund 28.000 Menschen mit Behinderung in Tages- und Beschäftigungsstrukturen ("Werkstätten") der Bundesländer tätig. Die Angebote reichen dabei von basalen Förderungen von Personen mit hohem Unterstützungsbedarf über berufliche Qualifizierungsangebote bis zu arbeitsmarktähnlichen Tätigkeiten. Dafür bekommen sie ein Taschengeld, das je nach Bundesland zwischen 35 und 100 Euro im Monat ausmacht, und sind unfallversichert.
Studie untersuchte Auswirkungen
Das Vorhaben "Lohn statt Taschengeld" ist im Regierungsprogramm verankert. Dazu wurde 2021 vom Sozialministerium eine Studie beauftragt, die die Auswirkungen einer solchen Umstellung analysiert. Dazu haben Forscherinnen und Forscher der Wirtschaftsuniversität (WU) den Ist-Zustand mit einem Alternativsystem verglichen, bei dem eine Entlohnung von 1.180 Euro brutto (14-mal im Jahr) das Taschengeld ersetzt. Ab dieser Höhe fließen vielfach keine weiteren Leistungen aus der Sozialhilfe, außerdem fallen Leistungen wie lebenslange Waisenpensionen oder Familienbeihilfe weg, die Invalidenpension würde auf eine Teilpension reduziert. Gleichzeitig erwerben die Personen aber Versicherungszeiten und damit Anspruch auf eine Alterspension.
Für die Studie wurde ein Prognosezeitraum von 55 Jahren gewählt. Resultat: Die meisten "Player" in dem System steigen positiv bzw. neutral aus, lediglich die Länder haben hohe Verluste. Auf einen durchschnittlichen Menschen mit Behinderung bezogen, würde die Sozialversicherung mit einem Positivsaldo von rund 5.800 Euro pro Jahr aussteigen. Bund (plus 76 Euro/Jahr) und Trägereinrichtungen (plus 44 Euro/Jahr) würden in etwa pari abschließen, das jeweilige Bundesland mit einem Negativsaldo von rund 11.100 Euro pro Jahr. Klar auf der Gewinnerseite wäre auch die behinderte Person selbst mit rund 5.200 Euro pro Jahr.
"Die Geldflüsse ändern sich", erläuterte Studienautor Christian Grünhaus bei einer Pressekonferenz. So würden aus dem Taschengeld Personalkosten. Gleichzeitig müssten Sozialversicherungsabgaben geleistet und vom Gehalt Lohnsteuer bezahlt werden. Unter der Annahme, dass die Länder das Entgelt bezahlen, würden diese wohl im Rahmen des Finanzausgleichs dafür Ausgleichsforderungen stellen.
Rauch bekannte sich zu einer Änderung:
"Wenn wir das System ändern, ist das integrationspolitisch geboten, volkswirtschaftlich sinnvoll und für den Arbeitsmarkt positiv." Man habe sich im Rahmen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur Chancengleichheit bekannt. "Das ist ein Staatsvertrag, und Staatsverträge sind dazu da, eingehalten zu werden."
Im kommenden Jahr werde es daher Gespräche mit den Bundesländern geben, wie man über Pilotprojekte in das neue System einsteigen könne. Er habe nach den Verhandlungen zur Gesundheitsreform durchaus Erfahrung mit komplexen Zuständen, meinte Rauch. "Das schreckt mich nicht wirklich." Auch Kocher sprach sich für eine schrittweise Umsetzung aus, um von tagesstrukturellen Einrichtungen zu sozialökonomischen Betrieben zu kommen. "Das wird nicht im nächsten Jahr abgeschlossen sein, aber wir werden wichtige Voraussetzungen schaffen."
Behindertenrats-Präsident Klaus Widl erwartet sich nun rasch weitere Schritte. Durch das derzeitige System des Taschengelds ohne Anspruch auf Pensions- und Krankenversicherung würden Menschen mit Behinderung lebenslang in die Rolle eines Kinds gezwängt.
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