Glaubenskirche: Pfarrerin Kampl und Kuratorin Hörmann im Interview
„Bischöfin wird auch noch kommen“
Ein heißer Sommerabend, die Hitze durchdringt auch den eigentlich kühlen Innenhof der Glaubenskirche. Pfarrerin Anna Kampl und Kuratorin Eva Hörmann stellen sich gemeinsam zum Interview – über die besondere Herzlichkeit, die die Evangelische Pfarrgemeinde Simmering auszeichnet, Unterschiede in der Religiosität zwischen Österreich und Kampls Heimatland Tschechien, gute Gründe, Pfarrerin zu werden und – nicht zuletzt – die Stellung der Frau in der Kirche.
Ihr trefft einen Menschen, den ihr noch nie gesehen habt, Was erzählt ihr ihm, um ihm zu zeigen, dass die Glaubenskirche etwas Besonderes ist?
Eva Hörmann: Ich würde ihn in der Glaubenskirche willkommen heißen, aber ihm nicht erzählen, was hier besonders ist, sondern ihn erst einmal ankommen lassen. Er sollte sich selbst ein Bild machen.
Anna Kampl: Ich würde ihn auch ankommen lassen. Ich würde ihm aber auch erzählen, dass die Glaubenskirche einfach anders ist. Dass ich selbst erst vor drei Jahren hier angekommen und in eine für mich fremde Welt gekommen bin. Und dass ich hier so herzlich aufgenommen wurde wie noch nie irgendwo.
„…dass man sich auf die Herzlichkeit dieser Pfarrgemeinde verlassen kann“
Ist diese Herzlichkeit das, was Du gemeint hast, dass die Glaubenskirche einfach anders ist?
Anna Kampl: Ja, es ist diese Herzlichkeit und dieses große Gemeinschaftsgefühl. Wenn ein Mensch zum ersten Mal in die Glaubenskirche kommt, dann wird er gesehen. Es wird ihm nicht passieren, dass er wieder geht, ohne wahrgenommen und angesprochen zu werden – ohne, dass es ihm unangenehm ist, ohne, dass er sich überfordert fühlt.
Eva Hörmann: Das ist genau das, was ich mit Ankommen-Lassen gemeint habe – weil ich einfach weiß, dass man sich auf diese Herzlichkeit dieser Pfarrgemeinde verlassen kann.
Jetzt sitzt ihr hier beim Interview als die obersten Repräsentanten der Pfarrgemeinde Simmering, als Pfarrerin und Kuratorin. Jemand, der die evangelische Kirche nicht so kennt, könnte sich nun fragen: Wer ist hier der Boss?
Eva Hörmann: Es geht um ein Zusammenwirken von ehrenamtlichen Vertretern und theologischen Vertretern, die einander ergänzen. Amtsführung ist aber natürlich in erster Linie die Aufgabe einer Pfarrerin, eines Pfarrers. Und die Aufgabe einer Kuratorin ist es, die Amtsführung bestmöglich zu unterstützen.
Ein Buch entscheidet: Pfarrerin statt Journalistin
Warum wird man eigentlich Pfarrerin?
Anna Kampl: Warum man Pfarrerin wird, weiß ich nicht. Ich weiß nur, warum ich Pfarrerin geworden bin. Ich stamme aus einer evangelischen Familie in Tschechien, habe das Leben in der Gemeinde schon als Kind und Jugendliche miterlebt. Trotzdem wollte ich ursprünglich Journalismus studieren. Und dann habe ich mich mit 18 Jahren kurzfristig umentschieden, weil ich das Buch eines tschechischen Pfarrers gelesen habe, der in der Zeit des Kommunismus nicht als Pfarrer arbeiten durfte, auch im Gefängnis war und in die Schweiz gehen musste, wo er dann Pfarrer sein durfte und der nach der Wende wieder zurückgekommen ist. Ich habe dieses Buch gelesen und es hat mich fasziniert, dass man in diesem Job so viel Freiheit leben kann und so viel gestalten kann. Ich glaube, Pfarrer bzw. Pfarrerin zu sein ist das größte Ehrenamt der Welt – das noch dazu bezahlt wird (lacht) und bei dem man unendlich viel zurückkriegt. Das ist für mich mein absoluter Traumjob.
„Tschechien systematisch zu atheistischem Land gemacht“
Du hast es erwähnt, Du kommst aus Tschechien. Gibt es zwischen Tschechien und Österreich Unterschiede in der Religiosität der Menschen?
Anna Kampl: Es gibt große Unterschiede, weil Tschechien über Jahre systematisch zu einem atheistischen Land gemacht wurde. Es gibt aber auch viele Ähnlichkeiten. So ist in beiden Ländern die evangelische Kirche in der Minderheit. Und in Österreich ist es den Menschen, zumindest punktuell, doch noch wichtig, mit der Kirche Kontakt zu haben. Das ist in Tschechien weniger.
„Kann eine Frau das Wort Gottes verbreiten…?“
Da Pfarrerin, da Kuratorin, also zwei Frauen an der Spitze. Ist der Stellenwert der Frauen in der evangelischen Kirche höher als in anderen Religionen?
Eva Hörmann: Ich weiß es nicht, weil ich auch diese ganze Entwicklung miterleben durfte – Entstehung des Feminismus, Gleichberechtigung, das war quasi meine Jugend-Sozialisierung. Und da durfte ich auch miterleben, dass Frauen in der evangelischen Kirche einen großen sozialen Part hatten, wenn sie Pfarrersfrauen waren. In meiner Jugend in den 70ern durften Frauen ja noch nicht predigen – mit ganz blöden Vorurteilen wie: Kann eine Frau das Wort Gottes verbreiten, wenn sie menstruiert? Solche G’schichten sind da im Umlauf gewesen. Und da hat es sehr viele starke Frauen gebraucht, die sich dafür eingesetzt haben, dass Frauen Pfarrerinnen werden können. Und es werden immer mehr. Was mich trotzdem traurig macht: Wir haben derzeit weder eine Superintendentin, noch eine Bischöfin.
Anna Kampl: Ich will und kann den Stellenwert von Frauen in anderen Religionen nicht beurteilen. Für mich persönlich ist die evangelische Kirche die Kirche, wo ich als Frau und an dem Ort, wo ich bin, gut wirken kann. Und wo ich in der Gemeinde spüre, dass es überhaupt keine Rolle spielt, ob ich eine Frau oder ein Mann bin und wo es überhaupt keine Rolle spielt, dass ich aus einem anderen Land komme. Wobei ich Eva recht gebe: Ich würde mir auch zumindest eine Superintendentin in Österreich wünschen. Es gab ja auch schon einmal eine. Und ich bin mir sicher, dass das wieder kommt. Und eine Bischöfin wird auch noch kommen.
Den zweiten Teil des Interviews, unter anderem zu den Themen Zuwanderung, Integration und Ökumene, lesen Sie hier ab Mittwoch, 10. Juli 2019.
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