Pogrom
Simmeringer Gedenken unter trauriger Aktualität
In der Pogromnacht vor 85 Jahren wurde auch der Simmeringer Tempel zerstört. Die Erinnerung daran beim Gedenkstein dazu sowie in der evangelischen Glaubenskirche erhielt heuer traurige Aktualität.
Es ist ein stilles, ein sehr stilles Gedenken. Vermehrte Übergriffe und die jüngste Schmieraktion bei der jüdischen Abteilung des Zentralfriedhofs lassen die Widerwärtigkeiten des Antisemitismus umso lauter und aktueller klingen – und schlagen einen traurigen Bogen von der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ins Hier und Jetzt. Damals fiel den tobenden Nazi-Horden auch der Simmeringer Tempel in der Braunhubergasse 7 zum Opfer. „Zuerst zerstörten sie die Gebäude, dann töteten sie die Menschen“, ist auf dem Gedenkstein zur Pogromnacht in Simmering zu lesen. Am Abend des 9. November versammeln sich hier Vertreterinnen und Vertreter des Bezirks, verschiedener Religionsgemeinschaften, Menschen, denen dieses Zeichen wichtig ist. In jüdischer Tradition werden zur Erinnerung Steine, teils auch weiße Rosen niedergelegt. Auf große Reden wird heuer bewusst verzichtet. „Aber das leise Zeichen ist deshalb nicht weniger deutlich“, so Anna Kampl, die Pfarrerin der evangelischen Pfarrgemeinde Simmering. „Und es ist gerade heuer ganz besonders wichtig.“
Puppenspiel taucht tief in Grauen der Shoah ein
In der evangelischen Glaubenskirche, wie einst der Tempel ebenfalls in der Braunhubergasse beheimatet, finden Mahnung und Gedenken ihre Fortsetzung. Im Puppenspiel „Das Leben ist ein Fisch an der Wand“ lässt Puppenspieler Sven Stäcker, musikalisch begleitet vom eindrucksvollen Mundharmonikaspiel von Stephan Rausch, das Grauen der Shoah wieder auferstehen – ein Grauen, das selbst die übermächtige Figur des Todes, die anderen Puppen in Menschengröße überragend, kaum mehr erträgt. „Es gibt Schlimmere als mich“, sagt er. Und so versucht der Tod den eigenen Schmerz und den Schmerz der Opfer mit Witzen zu betäuben, überlegt, sich selbst umzubringen, um das Stück letztlich im wahrsten Sinn des Wortes in einem Totentanz kulminieren zu lassen. Das letzte Wort an diesem Abend in der Glaubenskirche hat freilich nicht der Tod, sondern die Musik. „Hevenu Shalom alechem“, klingt es durch den Kirchenraum, „wir wollen Frieden für alle“.
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