Alt Simmering: Der Scharfrichter und der Knochenberg
Der Zentralfriedhof ist zwar groß und bekannt - doch der Simmeringer Friedhof erzählt eine wahrlich spannend-gruselige Geschichte über den Bezirk. Die bz war Scharfrichtern und Knochenbergen auf der Spur.
SIMMERING. Der 71er, der Ambros und der Falco. Alle Lieder und alle Wege führen irgendwann zum Zentralfriedhof. Doch drei Straßenbahnstationen vor der zweitgrößten Grabstätte Europas steht eine Kirche auf einem Berg, unter ihr liegt ein Friedhof. Umschlossen von einer dicken Ziegelmauer wirkt das Kirchlein unscheinbar und schlicht und kann doch eine der gruseligsten Geschichten des Bezirkes erzählen. Hier ist sie.
Am Simmeringer Platz trifft Mythologie auf Märchen und Gruseliges auf Komisches. Mitten in Simmering, an der Kreuzung der Simmeringer Hauptstraße und der Kaiserebersdorfer Straße, steht seit mehr als 1000 Jahren die Kirche St. Laurenz. Zu ihren Füßen breitet sich der Simmeringer Friedhof aus, letzte Ruhestätte für viele Simmeringer Bürgerinnen und Bürger. Beim Bau der U-Bahn-Station fanden die Archäologen an dieser Stelle unter anderem die römische Straße, die von Vindobona nach Rom führte.
Ein Knochenberg mitten in Simmering
Der Friedhof wurde vermutlich bereits im Mittelalter angelegt und schließt im Norden direkt an die auf einer Anhöhe gelegene Kirche an. 1267 wurde das Bestehen dieser Kirche erstmals erwähnt. Seither wurden am Friedhofsberg Menschen begraben. Zum Vergleich: der Zentralfriedhof wurde 1874 eröffnet. Ein wahrer Knochenberg ist der Kirchenberg in Alt Simmering. Immer wieder stieß man bei Grabungen auf Reste menschlicher Skelette.
Der letzte Henker Österreichs
Auch Henker müssen sterben. Stufen führen hinter der Kirche hinab, rechts an der Friedhofmauer steht ein Grabstein. Auf ihm ist zu lesen: " Josef Lang, letzter Scharfrichter Österreichs". Josef Lang war Simmeringer. Hier wurde er geboren, hier starb er. Er war der letzte Scharfrichter Österreich-Ungarns. Er übte dieses Amt von 1900 bis zum Ende der Monarchie 1918 aus und vollstreckte in dieser Zeit 39 Todesurteile. Doch davor war Lang Tischler, Wirt Feuerwehrmann. Als solcher war Lang offenbar fleißig. Denn bevor er seine Profession änderte, war Lang immer wieder als "Lebensretter" in der Zeitung zu finden.
Ein Würgegalgen und ein lachender Scharfrichter
Lang wurde im Ersten Weltkrieg öfter eingesetzt, um Spione und Verräter hinzurichten. 1916 vollstreckte er das Todesurteil des Italieners Cesare Battisti, der wegen Hochverrates zum Tode durch den Würgegalgen verurteilt worden war. Das Foto des „lachenden österreichischen Henkers“ ging dann als Postkarte um die Welt. Eben dieses Foto, das Bild des letzten Scharfrichters Österreichs, der unter dem Simmeringer Knochenberg begraben liegt, ist das Titelbild einer besonderen Österreichischen Geschichte.
Karl Kraus und der Teufel
Karl Kraus hat diese Geschichte verfasst. "Die letzten Tage der Menschheit" erzählen von der Unmenschlichkeit und Absurdität des Ersten Weltkrieges. Darin thematisiert Kraus auch die Hinrichtung Battistis und dessen Zurschaustellung. "Der Teufel ist ein Optimist, wenn er glaubt, dass er die Menschen schlechter machen kann", soll Kraus einmal gesagt haben. Er selbst wurde am Zentralfriedhof begraben, ein paar Straßenbahnstationen vom Simmeringer Henker Lang entfernt.
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