Der Maler, die Frauen und der Glaube

Der Maler und die Frauen. | Foto: Cornelia Grobner
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Der nackte Körper der jungen Frau schmiegt sich wie hingegossen auf ein opulentes Sofa, das sich unter einem pink schimmernden Überwurf versteckt. Die Frau wendet dem Betrachter ihre Rückseite zu: die Rundungen ihrer Hüfte, die schmale Taille. Irritierend bei all dieser Weiblichkeit ist das kurze blonde Haar, das der Gestalt etwas Ambivalentes, weil Burschikoses, verleiht. – So wie seine Werke vereint auch der Maler Michael Fuchs viele scheinbare Gegensätze harmonisch in sich.

KLOSTERNEUBURG. Wer im Atelier des Klosterneuburger Künstlers Michael Fuchs steht und den Akt der Liegenden betrachtet, der wendet seinen Rücken einem deckenhohen Gemälde der Heiligen Familie zu, an dem Fuchs gerade arbeitet. Zufall ist das keiner. Im Universum des 1952 in Paris geborenen Malers gibt es so etwas wie Zufall nicht. Weder im Kleinen („Nicht ein Atom ist Zufall“), noch im Großen („Dieses Sonnensystem, das nur darauf abgestimmt ist, dass auf einem Planeten intelligentes Leben möglich ist, soll Zufall sein?“).

„Die nackte Frau ist unschuldig“
Erotik und Glaube liegen bei Michael Fuchs ganz nah beieinander, schließen sich nicht aus – im Gegenteil, sie bedingen sich fast.
„Erotik ist eine Eigenschaft des Menschen und Gott gewollt. Warum ist die Frau nackt, wie auch das Jesukindlein im anderen Gemälde nackt ist?“, fragt Fuchs, um selbst gleich die Antwort darauf zu geben. „Was weiß ich, ob sie verheiratet oder noch Jungfrau ist? Sie ist dennoch unschuldig. Ich stelle den Menschen in seinem ursprünglichen Zustand dar, in seiner Unschuld.“ „Dirty old men“, nennt Fuchs jene Künstler, die Frauen in seiner Meinung nach herabwürdigenden Posen darstellen. Frauen in Bildern ihre Würde zu nehmen hat für ihn etwas Verwerfliches.

„Beim Malen bin ich unruhig“
Zwischen seinen Frauenbildern, die er gerade für eine Ausstellung vorbereitet, stehen und hängen ein paar Radierungen, allegorische Darstellungen, ein Abbild Jesus’ dem Turiner Grabtuch folgend, ein Blick auf den Stephansdom in tiefschwarzer Nacht, ein Baumstumpf.
Es riecht nach Ölfarben. Das 100 Quadratmeter große Atelier in der Hermannstraße ist entgegen den von Klischees geprägten Erwartungen erstaunlich sauber. An der Wand riesige Panoramafenster, deren Seiten von schweren Vorhängen flankiert werden. Die Pinsel feinsäuberlich aufgereiht, der Holzboden ohne Farbkleckser. „Die Bilder brauchen die Reinheit, ich brauche die Ordnung“, sagt Fuchs. Für die Unruhe im Atelier sorgt er selbst. Das findet zumindest seine Frau Cornelia, die selbst Künstlerin ist. Sie bevorzugt deswegen, in der unterhalb liegenden Wohnung und nicht im Atelier zu malen. – Aus zwei Lautsprecherboxen tönt Klaviermusik. „Beruhigende Musik für ein Nervenbündel wie mich“, kommentiert Fuchs mit amerikanischen Akzent. Den hat er nie abgelegt. Er steht auf und steuert auf das Bild der Heiligen Familie zu. Während er aus seinem Leben erzählt – der Jugend in Los Angeles, den Mentor-Jahren mit seinem Künstler-Vater, dem österreichischen Maler Ernst Fuchs, seiner Frau und den beiden Kindern Clemens Maria, ebenfalls Maler, und Magdalena, und vom gescheiterten Versuch, als Architekt seine Bestimmung zu finden –, mischt er einen Tupfer dunkler Farbe mit einem kräftigen Rot und einem tiefen Blau zu Pechschwarz.

„Bin nur widerwillig gekommen“
Bedächtig färbt Fuchs den Schatten hinter Josefs Umhang ein. Widerwillig ist er Ende der 60er-Jahre nach Wien gekommen, um Malerei zu studieren. Er folgte dem Gefühl, dass dies später einmal das Richtige gewesen sein wird und disziplinierte sich, den Verlockungen L.A.s zu widerstehen. Fuchs ließ die moderne, offene, klimatisch bevorzugte und bequeme Stadt zurück in Amerika und tauschte sie ein gegen ein Wien, das ihm fremd und unheimlich war. Die Gassen waren finstere Schluchten, die Menschen grantig. „Damals wusste ich nichts vom Erbe Österreichs“, sagt er heute. Das Erbe Österreichs, damit meint er den Katholizismus. Jenen Katholizismus, zu dem er, der liberal erzogene Jude, vor allem fasziniert von den Sakramenten konvertierte.

„Malen ist eine rationelle Arbeit“
Seit 1990 lebt und malt der Künstler in Klosterneuburg. Er lebt hauptsächlich von der Porträt-Auftragsmalerei. Alle seine Arbeiten laufen schlussendlich auf ein Hauptthema zusammen: Die Schönheit der Frauen. Was nach Leidenschaft und Passion klingt, ist für Michael Fuchs eine sehr Vernunft betonte Arbeit. Kunst ist für ihn Handwerk und vom Verstand geleitet.
Während der Regen heftiger gegen die Glasfront prasselt und die Dämmerung sich über Klosterneuburg legt, beginnt es im hinteren Teil des Ateliers zu leben. Die Schattenspiele, in denen die Porträts gehüllt sind, vermischen sich mit den Schattenspielen im Raum. Die Kleider der in Öl getunkten Frauen buhlen plötzlich um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Selbst aus dem hinteren Eck blitzt es auffordernd in Violett und Gelb hervor.
Nicht nur Michael Fuchs Werken, auch ihm sind viele Gegensatzpaare immanent: Judentum und Katholizismus, Amerika und Europa, Tradition und Moderne.
So leuchtend die Farben und so sauber die Linien seiner Bilder, so geordnet das Atelier, genauso klar sind die Regeln, die moralischen Wertvorstellungen des Künstlers Michael Fuchs. Über allem stehen für ihn die Verfassung und die Zehn Gebote. Wie aber passt der Glaube in all diese rationellen Überlegungen und philosophischen Abwägungen hinein? Fuchs: „Meine Werte sind durch das Denken entstanden, aber mein Verstand wird – so wie es viele Philosophen sagen – vom Glauben erleuchtet.“

„Katholizismus ist Wiens Erbe“
Wie sich Erotik und Glaube nicht ausschließen, so gehören auch Wissenschaft und Gott für ihn zusammen. Fuchs betrachtet sich selbst als Traditionalist mit Zukunftsvisionen. – Mit Argwohn glaubt der einstige glühende Verfechter der EU-Idee heute den Versuch auszumachen, die unterschiedlichen Länder von oben „glatt zu bügeln“. Der Künstler verfällt – enthusiastisch diskutierend – halbsatzweise ins Englische: „Was bleibt von Indien ohne Hinduismus? Ein riesiges Call-Center. Was bleibt von Wien ohne Katholizismus? Nichts. Dann gibt es kein Wien mehr, keinen Wiener Charme. Das ist eine kultursoziologische Wahrheit.“ Eindringlich trägt er diese Worte wie aus einem Katechismus zitierend vor. Alles Zentralistische ist ihm ein Graus.
Gegen das Attribut reaktionär verwehrt er sich. Fuchs: „Ich hafte nicht am Alten, wenn das Alte etwas Schlechtes ist. Was aber in der Vergangenheit etwas Gutes war, das hat für alle Zeiten eine gewisse Gültigkeit. Das formte die Vergangenheit und sichert die Zukunft – die Familie ist so etwas.“

„Alles wird gut“
Seine Vorstellung von der Zukunft ist eine versöhnliche. All die Information, die heute vorhanden ist, werde sich früher oder später zu Wissen zusammenknüpfen. Verbunden mit ethisch-moralischem Handeln führe dies schluss-endlich zur alles umspannenden Weisheit.
„Alles wird gut“, Michael Fuchs Augen funkeln. Er quert sein Atelier, um erneut ein paar Pinselstriche am Bild der Heiligen Familie zu machen. Er hält inne. „Wissen Sie, man sagt immer, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Interessanterweise hat sich das bei mir geändert.“ Aus diesem Grund schreibt er seit drei Jahren Gedichte.
Seine Träume nach all den Erfolgen? Eine Kirche würde er gerne bauen, meint er. Sein Blick folgt jenem der auf dem Pink verhüllten Sofa Liegenden. Nach einigem Zögern setzt Michael Fuchs nach: „Und noch ein Kind zu bekommen wäre wirklich schön. Mein Vater hat ja noch mit 70 ein Kind gezeugt.“ Er lehnt sich zurück, schmunzelt und verliert sich wieder in dem Gemälde über ihm. Blickt vorbei an dem schweren Vorhang, den die nackte Frau zur Seite rafft, hinaus aufs offene Meer, über den Horizont, in den Himmel.

Cornelia Grobner

Der Maler und die Frauen. | Foto: Cornelia Grobner
Zwischen sakraler und erotischer Kunst. | Foto: Cornelia Grobner

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