Gewalt an Frauen
Maria Egger im Interview - "Zivilcourage nimmt zu"
Gewalt an Frauen im Jahr 2022: Maria Egger ist Standortleiterin der Caritas-Beratungsstelle in St. Veit. Im Interview spricht sie über patriarchalische Gesellschaftsmuster, Gewalterfahrungen und zunehmende Zivilcourage.
BEZIRK ST. VEIT. Gewalt an Frauen im Jahr 2022: Maria Egger ist Standortleiterin der Caritas-Beratungsstelle in St. Veit. Untenstehende Statistik weist im Bezirk St. Veit eine im Vergleich zum Vorjahr deutlich höhere Zahl der Wegweisungen auf. Im Interview erklärt Egger die Hintergründe.
Wie kann man die enorm gestiegenen Zahlen erklären?
MARIA EGGER: Spannung und teilweise Überforderung sind in Familien durch die grundsätzlich anstrengende Zeit der Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona und die zunehmenden finanziellen Belastungen gestiegen. Meiner Wahrnehmung nach nimmt nicht das Ausmaß der Gewalt zu, sondern es ist das Bewusstsein dafür gestiegen. Frauen rufen selber öfter die Polizei oder nehmen Kontakt mit Interventionsstellen auf. Die Zivilcourage hat zugenommen. Nachbarn oder Kollegen beispielsweise schauen nicht weg, sondern holen Hilfe und machen auf die Gewalt aufmerksam. Damit kommt es zu einer größeren Zahl an Wegweisungen.
Frauen nehmen also mehr Hilfe in Anspruch – ist die Scham nach wie vor ein wesentlicher Faktor?
MARIA EGGER: Ja. Frauen nutzen vermehrt das bestehende Hilfsangebot. Am meisten schambesetzt ist aus meiner Erfahrung die sexualsierte Gewalt. Die Menschen, die zu uns kommen, stellen sich oft mit ganz anderen Themen vor. Erst im Laufe der Beratung wird auch gewalttätiges Verhalten daheim sichtbar. Manchmal ist es den Betroffenen selbst gar nicht bewusst, da sie eine Frauenrolle leben, in der sie gewalttätiges Verhalten als Normalität ansehen. Ich erinnere mich an eine Klientin, die ganz verwundert darüber war, dass es in anderen Beziehungen durchaus normal sei, als Ehefrau Sex ablehnen zu dürfen.
Welche Art von Gewalt (sexuelle, psychische, physische) ist die häufigste?
MARIA EGGER: Die sexualisierte Gewalt ist am meisten schambesetzt und am häufigsten ist die psychische Gewalt in ihrer Vielfalt. Gemeinsame Nenner der Aspekte von emotionaler Gewalt sind stetige Abwertung, Beschimpfung und/oder Lächerlich-Machen oder Liebesentzug. Davon betroffene Menschen verlieren mit der Zeit das Gefühl für ihre eigenen Werte und für ihre eigenen Rechte, was diese Form der Gewalt auch schwerer erkennbar machen kann.
Was ist ein ausschlaggebender Punkt, dass Männer auch heutzutage noch so (re)agieren?
MARIA EGGER: Einen einzigen ausschlaggebenden Punkt gibt es nicht. Es kommen meist mehrere Faktoren auf der Basis einer doch eher patriarchalen Gesellschaft zusammen. Solche Faktoren sind beispielsweise Gewalterfahrungen in der Herkunftsfamilie oder Konflikte auf Paar oder Elternebene. In unsere Beratungsstelle kommen Frauen, die Hilfe brauchen. Es kommen aber auch Männer, die nicht mehr gewalttätig sein wollen und aus dieser Gewaltspirale aussteigen möchten. Und es kommen auch Männer, die Gewalt erleben.
Was kann man den Frauen raten?
MARIA EGGER: Unbedingt darüber reden! In unserer Beratungsstelle ist das kostenfrei und auch anonym möglich, was für manche den ersten Schritt einfacher macht. Denn der Weg aus einer Gewaltbeziehung ist kein einfacher. Es geht dabei immer auch um den Partner, den Ehemann und oft auch Familienvater.
KONTAKT:
Beratungsstelle St. Veit
Standortleiterin Maria Egger
Grabenstraße 10/2, 9300 St.Veit
Telefon: 0676/4879653
Persönliche und telefonische Kontaktaufnahmen:
Montag 10 bis 12 Uhr
Dienstag 15 bis 17 Uhr
Familienberatung ohne Voranmeldung (auch anonym):
Montag 10 bis 12 Uhr
Dienstag 15 bis 17 Uhr
Familien- und Scheidungsberatung beim
Bezirksgericht St. Veit:
Dienstag 8 bis 12 Uhr, keine Anmeldung erforderlich.
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