Reisen und helfen
Pakistan: Land der Extreme

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Bunte LKWs, hohe Berge und großartige Gastfreundschaft in einem der wildesten Länder der Welt
Von Rudolf Gossenreiter

2007 war Rudolf Gossenreiter das erste Mal in Pakistan, einem der wildesten und faszinierendsten Länder der Welt mit 200 Millionen Einwohnern, das oft in einem Atemzug mit Terrorismus und Taliban genannt wird. Er erfüllte sich einen alten Jugendtraum, indem er in seinem VW Bus „Ganesha“ – benannt
nach dem beliebten indischen Gott mit dem Elefantenkopf – auf dem Landweg nach Indien gefahren ist. Seine 16-monatige Reise über insgesamt 57.000 Kilometer, auf die der ehemalige Optiker auch Hunderte Lese- und Sonnenbrillen mitgenommen hat, führte ihn über die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien nach Istanbul und von dort über die
beeindruckende Bosporusbrücke nach Asien. Auf der legendären
Seidenstraße – eigentlich müsste man im Plural von Seidenstraßen sprechen – ging es durch die Türkei weiter in den Iran, nach Turkmenistan und Usbekistan. Die Seidenstraße hat nicht nur Asien mit Europa verbunden
sondern auch Städte und Länder innerhalb Asiens. Sagenumwobene Städte wie Isfahan, Buchara und Samarkand zeugen vom einstigen Glanz und Reichtum der Städte an diesen wichtigen Handelswegen. Von Usbekistan führte sein Weg durch Turkmenistan wieder zurück in den Iran, da eine Reise mit dem eigenen Fahrzeug durch China aufgrund behördlicher Vorgaben viel zu teuer gewesen wäre.

Ein Besuch des Grabmals von Imam Reza in Meshed, der heiligsten Stadt der Schiiten, zählte zu einem der beeindruckendsten Erlebnisse seiner Reise und zeugt von der großen Toleranz der Perser, die auch für ihre großartige Gastfreundschaft bekannt sind.

Rudolf Gossenreiter erzählt:

„Der legendäre Hippie-Trail, der Europa in den 60iger und 70iger Jahren
des vergangenen Jahrhunderts mit Indien und Nepal verbunden hat, führte seinerzeit durch Afghanistan. Auf Grund der dramatischen Sicherheitslage meiden aber derzeit alle Überlandreisende dieses „Pulverfass am
Hindukusch“. Als einzig möglicher Landweg bleibt daher die Einreise über Zahedan in der südöstlichen Provinz Belutschistan. Dieses Dreiländereck Iran, Afghanistan und Pakistan gilt auf Grund von Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggel als eine der gefährlichsten Ecken der Welt. Belutschistan ist mit 347.190 km² die größte Provinz Pakistans, hat aber nur ca. 13 Millionen zumeist recht freundliche Einwohner. Hohe Sanddünen, wild gezackte Bergrücken und wunderschön dekorierte, bunt bemalte LKWs –
wahrscheinlich die schönsten der Welt – prägen das Landschaftsbild vor allem zwischen Dalbandin und der Provinzhauptstadt Quetta. In Dalbandin
habe ich in der stark befestigten Polizeistation übernachtet, von der tags darauf vierzig junge afghanische Flüchtlinge per LKW in ihre Heimat abgeschoben worden sind. Von der Provinzhauptstadt Quetta sind es keine 100 Kilometer bis zur afghanischen Grenze. Viele der Anschläge, die aus Pakistan gemeldet werden, finden in Quetta statt, da hier viele schiitische
Hazara-Flüchtlinge aus Afghanistan leben. Da die pakistanische Regierung sehr um die Sicherheit ihrer (wenigen) Gäste mit eigenem Fahrzeug bemüht ist, habe ich 2007 gemeinsam mit zwei deutschen Motorradfahrern ab Quetta kostenlose Polizeibegleitung über 1000 Kilometer bekommen. 2011 bekam ich dann sogar gleich ab der Grenze Polizeibegleitung bis Quetta. Für die Weiterreise von Quetta nach Indien dürfen Überlandreisende nur die Hauptstraße ins Industal benützen, die bei Sukkur über den Indus nach
Multan und Lahore führt. Von dort sind es dann nur mehr 30 Kilometer bis zur indischen Grenze. An der indisch-pakistanischen Grenze in Wagah
gibt es jeden Abend vor Sonnenuntergang eine faszinierende Flaggenzeremonie mit viel militärischem Paraden und Getöse und Tausenden ekstatischen Zuschauern auf beiden Seiten, bevor die Tore bis zum nächsten Morgen geschlossen werden. Lahore ist die Hauptstadt der Provinz Punjab
und mit mehr als 11 Millionen Einwohner nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans. Zahlreiche beeindruckende Bauten wie z. B. das Große Fort und die Badshahi Moschee zeugen von der einstigen Bedeutung Lahores als ehemalige Hauptstadt (1585–1598) des riesigen Mogulreiches, das fast den ganzen indischen Subkontinent und Teile Afghanistan umfasste.

Eine uralte Handelsstraße – die von den Moguln ausgebaute Grand Trunk
Road – verbindet Lahore mit Amritsar, Delhi, Benares und Kalkutta im Osten und Islamabad und Peshawar im Westen. Peshawar (Peschawar) ist die Hauptstadt der Provinz Khyber-Pakhtunkhwa, die im Westen an Afghanistan grenzt. Die kleinste und waldreichste Provinz Pakistans ist mit 74.521 km²
etwas kleiner als Österreich, wird aber von mehr als 30 Millionen Menschen bewohnt, von denen die meisten Paschtunen sind. Die meist großgewachsenen Paschtunen bewohnen das gebirgige Grenzgebiet zu Afghanistan und stellen in Afghanistan die Bevölkerungsmehrheit. Ihre Gesellschaft wird hauptsächlich durch das Stammeswesen mit seinem strengen, stark vom orthodoxen Islam geprägten Ehrenkodex Paschtunwali
bestimmt. Stammesdenken, der Zusammenhalt der Familie, großartige Gastfreundschaft und Rache (wörtlich „Austausch“) bestimmen ihr Denken und Handeln.

Männer mit langen Bärten, tief verschleierte Frauen und bunte Truck-Busse prägen das Straßenbild dieser wilden Stadt, in der aufgrund der Nähe zu Afghanistan – zur afghanischen Grenze am legendären Khyber Pass sind es nur 30 km – viele afghanische Flüchtlinge leben. Viele von ihnen
sind in den hauptsächlich von Saudi-Arabien finanzierten Koranschulen in den oft schwer zugänglichen Grenz- bzw. Stammesgebieten zu Taliban („talib“ heißt wörtlich „Schüler“) für den Kampf in Afghanistan ausgebildet worden.

Nordöstlich von Peshawar liegt das Swat Valley. Dieses schöne Gebirgstal ist bei uns vor allem durch Malala Yousafzai bekannt geworden (ihr Nachname weist auf ihre Herkunft vom Paschtunen-Stamm der Yousaf hin). Wegen ihres Einsatzes für die schulische Bildung der weiblichen Bevölkerung ist sie im Oktober 2012 von Taliban-Kämpfern angeschossen worden und hat 2014 den Friedensnobelpreis bekommen.

Weiter nördlich im Distrikt Chitral werden drei kleine Hochtäler von der Volksgruppe der Kalasha bewohnt. Auffallend viele Kalasha haben helle Hautfarbe, helles Haar und eine helle Augenfarbe. Die Kalasha haben ihre ganz eigene Kultur, Sprache und Religion. Die Kalasha-Frauen gehen im
Gegensatz zu vielen Frauen in Pakistan unverschleiert durch den Alltag und tragen nicht nur zu festlichen Anlässen bunte Kleider und einen wunderschönen Kopfschmuck. Von den ursprünglich 100.000 Kalasha im Jahre 1900 sind durch Verfolgung und Konversion zum Islam nur mehr ca.
3000 übrig geblieben. Im Herbst 2007 habe ich fast zwei Wochen bei den Kalasha verbracht und als ehemaliger Optiker viel Freude durch das Verteilen und Anpassen von Lesebrillen bewirkt, da es in diesen Tälern keinen Optiker gibt bzw. viele Kalasha kein Geld für Brillen haben.

Im Distrikt Chitral befindet sich mit dem Tirich Mir (7708m) der höchste Berg des Hindukusch-Gebirges. Dieser in etwa 800km lange Gebirgszug erstreckt sich von Afghanistan entlang der Grenze zu Tadschikistan bis zum legendären Karakorum Highway, der die in den 1960iger Jahren schachbrettartig angelegte neue Hauptstadt Islamabad mit Kashgar (Kaschgar) in der Provinz Xinjiang (ehemals Sinkiang-Uighur) in Südwestchina verbindet. Eine Fahrt über diesen insgesamt 1284 km langen „Highway“, der 1978 nach 20jähriger gemeinsamer Bauzeit von China und Pakistan fertiggestellt wurde, ist ein einzigartiges Erlebnis. Der KKH führt über weite Strecken den Indus entlang und bietet grandiose Ausblicke – u. a. auf den „Schicksalsberg der Deutschen“, den Nanga Parbat (8125m), und den majestätischen Rakaposhi mit seinen 7788 Metern im Hunzatal. Dieses tief eingeschnittene Tal wird von ca. 50.000 hellhäutigen Hunzas bewohnt, die in der Mehrzahl tolerante Ismaeliten sind (eine Untergruppe der Schiiten), deren religiöses Oberhaupt Aga Khan ist. Vom Baltit Fort in der Hauptstadt Karimabad (2500m) kontrollierten die Hunza-Könige diesen wichtigen Handelsweg durch das Hunzatal, der China mit Indien verbunden hat, und forderten von den durchziehenden Händlern Steuern und Abgaben ein.

Ein gewaltiger Felssturz blockierte im Jänner 2010 den KKH und ließ einen 20 Kilometer langen See entstehen, der fünf Jahre lang nur per Boot zu passieren war. Chinesische Firmen haben den KKH in den letzten Jahren generalsaniert und fünf Tunnel um den See gebaut, sodass die chinesischen Lastwägen nun wieder ohne Probleme ihre Güter über den 4693 Meter hohen
Khunjerab Pass, den höchsten internationalen Grenzübergang, zum riesigen Tiefseehafen Gwadar am Arabischen Meer bringen können.

Heuer im Juli bin ich nun das insgesamt fünfte Mal nach Pakistan gereist, um nach sechs Jahren endlich wieder mein Herzensprojekt besuchen zu können: Die von mir und meinem pakistanischen Freund Muhammad Karim erbaute
World Roof Public School mit derzeit 123 Schülerinnen und Schülern im Alter von fünf bis achtzehn Jahren im Yasin Valley. Dieses abgelegene Hochtal im
Hindukusch-Gebirge liegt wie das Hunzatal und die grandiose Bergwelt des Karakorum im Sonderterritorium Gilgit-Baltistan mit der Hauptstadt Gilgit, die auf einer Fläche von 72.496km2 von nur knapp über 1,3 Millionen Menschen bewohnt wird.

Nach einer berührenden Begrüßungsfeier und dem Versprechen, dass ich durch Spenden und Einnahmen aus meinen Reisevorträgen neue Computer für die Schule anschaffen werde, ging’s dann mit einheimischen Freunden weiter zum höchstgelegenen Pferdepolo-Festival am 3700 Meter hochgelegenen Shandur-Pass. Hier im „Niemandsland“ spielen die besten Teams, bestehend aus jeweils 5 Spielern, die aus der Region Gilgit stammen, gegen Teams aus dem Distrikt Chitral – ein wildes und einzigartiges Erlebnis, das in dieser Form seinesgleichen sucht.

Aus unzähligen Fotos und Videos habe ich nun einen ganz neuen Pakistan-
Vortrag zusammengestellt, den ich am 6. November um 19:30 erstmals im
Rathaussaal in Amstetten und am 8.11. im Gasthaus Kaar in Schenkenfelden präsentiert habe.“

Weitere Termine:

14.11. Linz im Volkshaus Dornach
20.11. Bad Leonfelden im Haus am Ring
28.11. Gmunden im Stadttheater

Beginn ist um jeweils 19:30. Weitere Termine und Infos unter

www.rudolf-gossenreiter.at

Informationen zur Schule:
www.bildung-fuer-pakistan.at

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Foto: Cityfoto
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