Kommentar
Die Zukunft war früher auch besser

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

Der Komiker, Schriftsteller und Filmschauspieler Karl Valentin wusste schon zu seinen Lebzeiten, dass Jammern um die guten alten Zeiten nur eine Farce darstellt. Und so ist sein Spruch heute „Die Zukunft war früher auch besser“ aktueller denn je.

Was für eine turbulente innenpolitische Woche! Ist es eine besondere Sternenkonstellation, die alle zwei Jahre in Österreich die politische Lage in Chaos versetzt? Liegt es am Urlaub von ORF-ZIB 2-Nachrichtensprecher Armin Wolf? Oder doch an seinem Kollegen Martin Thür, der gerade wieder - wie vor zwei Jahren (Stichwort Ibiza-Video) - Dienst hatte? Für den Neo-Ex-Zum zweiten Mal-Bundeskanzler Kurz sind das sicherlich die plausibelsten Gründe. Für alle Bastianer (ich nenn mal so die Kurz-Anhänger) natürlich auch. Alles andere wären ganz böse Verschwörungstheorien. Und eines sollte man fairerweise erwähnen: Juristisch gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung. Bussi!

Wer sich die Mühe gemacht hat, nur wenige Auszüge der besagten Chat-Protokolle zu lesen, der wird sich wahrscheinlich wie ich selbst gedacht haben: So etwas gibts doch nur in Russland, Italien oder zumindest bei einer österreichischen Partei, bei der die Parteigranden gern Urlaub auf Ibiza gemacht haben. Nein, das sind Protokolle einer Partei mit christlichen Grundwerten, deren Parteiobmann mit jugendlichem Leichtsinn versucht hat, sich alles zu erkaufen. Verzeihen Sie mir. Mit jugendlichem Leichtsinn hat das nichts mehr zu tun. Die Frage ist daher berechtigt: Wurden wir mit unseren Steuergeldern und für unser Vertrauen letztlich für dumm verkauft? Unterm Strich heißt die Antwort: Ja. Wir wurden schlicht und einfach verarscht. Im Handel würde man so etwas Mogelpackung nennen.

Na ja, aller guten Dinge sind drei. Herr Kurz benötigt mitunter einen dritten Anlauf, damit Korruption, Postenschacherei und strafrechtliche Handlungen im öffentlichen Dienst endlich ein Ende finden. Sollte das aber Wirklichkeit werden, dann haben wir im selben Jahr weltweit das Klimaziel erreicht und Besiedelung auf dem Mars war ein voller Erfolg.

Um es noch einmal klar zu sagen: Sollte sich all dies bewahrheiten und rechtlich als strafbar erweisen, dann kann keiner mehr zur Tagesordnung übergehen. Denn das Grundvertrauen in unsere Politik ist durch solche Beweismittel - seien sie juristisch verwertbar oder nicht - moralisch stark beschädigt, ja sogar kaputt.

Auf der anderen Seite ist mehr als löblich, dass diese Ursuppe der Korruption aufgedeckt wurde. Das wiederum stärkt das Vertrauen in die Justiz und auch in die Arbeit seriöser Medien. Es ist eben nicht alles schlecht und sehen wir es mal positiv. Wer weiß denn schon, ob es in anderen Ländern nicht noch korrupter zugeht und dies nie an die Öffentlichkeit gelangt, weil eben alles er- und gekauft wird – eben auch die Justiz. Daher habe ich nach wie vor großes Vertrauen, dass, wenn in Österreich in weiteren Bereichen wie etwa Wirtschaft oder Sport so manche Leiche im Keller entdeckt wird, dies dann auch rechtlich sanktioniert wird. Das gilt gerade jetzt für die Causa Kurz-ÖVP. Viele zweifeln an einem Kurz-Comeback. Sollten die juristischen Mühlen ähnlich langsam wie beim KH Grasser-Fall mahlen, dann wäre der einst jüngste Bundeskanzler bei einer möglichen Rückkehr vielleicht der älteste Bundeskanzler Österreichs. Falls und überhaupt. Eines ist leider klar: Er ist ja nicht weg. Er hat nur kurz Platz gemacht. Von Rücktritt war ja nie die Rede. Denn auch für Kurz und seine Anhänger gilt: Die Zukunft war früher auch besser. Und wird sie sicherlich mit Stand heute auch morgen werden.

Herr Wolf sollte also in zwei Jahren seinen Urlaub gut planen und Herr Thür seinen Dienst. Und wir alle sollten das Vertrauen in die Justiz und investigative Medien nicht verlieren. Den Rest erledigen die Sterne.

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