Kommentar
Jäger und Sammler

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

In der Menschheitsgeschichte sind seit jeher Jäger und Sammler eine recht erfolgreiche Spezies. Was früher überlebensnotwendig war, wurde im Laufe der Zeit eher zu einem Hobby – Briefmarken als Beispiel.

Wer sich heute als Jäger und Sammler bezeichnet und dies hauptberuflich macht, der findet sich meist in den digitalen Branchen wieder. Das Sammeln von Daten ist mittlerweile ein Milliardengeschäft. Und was selbst viele Skeptiker nicht wissen oder ahnen: Auch von ihnen werden täglich Daten gesammelt. Wir kommunizieren, wir speichern und lesen, wir schauen und hören, veröffentlichen und teilen. Das Internet begleitet uns jeden Tag und bei jedem digitalen Schritt hinterlassen wir – bewusst oder unbewusst – unsere Spuren. Bei der Anzahl der Cookies, die man ständig auf den Internetseiten akzeptieren muss, wäre das Krümelmonster aus der Sesamstraße wahrscheinlich schon ein sehr übergewichtiges, blaues etwas. Aber es sind ja nicht nur die Cookies. Jedes digitale Gerät, das mit dem Internet verbunden ist, hat eine sogenannte IP-Adresse. Also so etwas Ähnliches wie eine Postanschrift. Über diese Adresse werden im Hintergrund Daten gesammelt: Wie lange bin ich auf einer Internetseite? Habe ich bei einem Artikel „Gefällt mir“ geklickt. Bin ich auf eine Verlinkung gesprungen?

Warum zum Beispiel bekomme ich auf einer Internetseite plötzlich eine Werbung eingeblendet, die mir ein blutdrucksenkendes Mittel anbietet? Hat es etwas mit meiner digitalen Uhr zu tun, die gerade meine Daten mit dem Computer abgleicht?

Warum bekomme ich auf Facebook einen Freundschaftsvorschlag eines bisher Unbekannten, mit dem ich mich gestern nur fünf Minuten bei der Gondelfahrt ins Skigebiet unterhalten habe? Weil unsere digitalen Endgeräte im ständigen Austausch mit der restlichen digitalen Welt sind. Vom Smartphone angefangen bis hin zum eigenen Auto oder den kleinen Helferleins im Haushalt. All diese erzeugen einen digitalen Fingerabdruck meines täglichen Tuns.

Nun kann das erschreckend sein und für viele Neuland bedeuten. Das heißt, viele wissen gar nicht, was sie von sich täglich unbewusst preisgeben. Aber das grenzt dann schon an Naivität und zeugt nicht sonderlich von Interesse daran, die eigenen Daten zu schützen. Oft sind es aber genau die genannten Skeptiker, aber auch Unwissende, die sich spitzenmäßig über alles und jeden eine Meinung bilden und auf diese sowie die persönliche Freiheit in allen Bereichen pochen. Gleichzeitig aber über soziale Netzwerke, Passwörter, Kontodaten und so weiter verschicken. Ständig mit offenen W-LAN und Bluetooth durch die Gegend rennen und mitunter noch bei allen installierten Apps die Ortungsfunktion des eigenen Smartphones eingeschaltet haben. Somit ist das Smartphone für alle Jäger und Sammler von digitalen Daten eine Goldgrube. Was man mit all diesen Daten macht? Unser aller Verhalten analysieren und gezielt darauf reagieren. Und genau mit diesen ausgewerteten Daten wird in allen Branchen agiert und vor allem Geld verdient! Warum auch nicht? Das sind die Geschäftsmodelle von heute. Wer demgegenüber kritisch sein möchte, benötigt Medienkompetenz. Diese sollte schon so früh wie möglich vermittelt werden. Wenn ein Kind das erste Mal ein eigenes Telefon bekommt, ist es meist schon ein smartes Telefon, aber das Kind kennt nur die eigenen Vorteile. Spielen, Videos schauen und sich im Internet aufhalten. Mögliche Gefahren sind unbekannt.

Da sind die derzeit täglichen Scans der digitalen grünen Pässe nur ein geringer Verlust des eigenen Datenschutzes.

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