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Leistbare Perspektiven fehlen

Derzeit sieht der Blick in die Zukunft etwas düster aus. | Foto: pixabay
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Als ich mich kürzlich mit einem Kollegen unterhalten habe, meinte er in einem Nebensatz zur Thematik Teuerung, Inflation und Co., dass es auf die Perspektive ankomme. Er selbst war drei Wochen in Norwegen im Urlaub. Dort sei alles so unvorstellbar teuer, dass das Leben bei uns wieder günstig erscheine. So würde man für eine normale Pizza Salami ohne viel Chichi schon einmal 30 Euro bezahlen. Das mag zwar stimmen und es klingt unfassbar teuer, aber die Menschen in Norwegen verdienen im Schnitt einfach wesentlich mehr als wir. So gesehen wäre für die Norweger ein Urlaub bei uns in einem Fünf-Sterne-Hotel in Lech wahrscheinlich ein Billigurlaub. Auch das ist eine Perspektive, die man einnehmen kann. Daher muss grundsätzlich die Frage gestellt werden, ob ein dreiwöchiger Urlaub in Norwegen die Verhältnismäßigkeiten zur derzeitigen Verteuerung der Lebenserhaltungskosten repräsentativ widerspiegelt? Nein, tut es nicht, denn wer sich einen solchen Urlaub leisten kann, der hat wahrscheinlich andere Sorgen. An dieser Stelle möchte ich klarstellen, dass ich jedem seinen Urlaub gönne, egal wohin, wie lange und wie teuer. Fakt ist aber: Der Perspektivenwechsel funktioniert nur bedingt und viele haben gar keine Chance dafür, weil sie sich keinen Urlaub mehr leisten können – egal wo!

Nun kommen wir schön langsam und spürbar aus einem sehr heißen und trockenem Sommer in eine Jahreszeit mit kühleren Temperaturen und spätestens mit dem ersten Frost steigen die Energie- und Heizkosten der Haushalte und Betriebe. Warum es zu einer Preisexplosion im Energiesektor gekommen ist und warum wir eine so hohe Inflation und Teuerung haben, wie sie jetzt ist, wäre eine eigene Abhandlung eines Experten wert. Alles andere versucht man landauf und landab bisher zur Genüge meist spekulativ zu erklären - auch seitens der Politik.

Wir bemerken also alle, dass unser Geld für das tägliche Leben weniger wird. So manche Rücklagen werden angezapft und dadurch Wünsche und Träume aufgeschoben. Was passiert aber mit denjenigen, die keine Rücklagen haben? Menschen, die schon vor den Preissteigerungen für den täglichen Lebenserhalt nicht genug Geld hatten? Diese Menschen sind abhängig von Hilfen. Was aber, wenn soziale Einrichtungen wie „Tischlein Deck Dich“ plötzlich weniger Lebensmittelspenden bekommen? Und das ist nur ein Tröpfchen an Hilfen für sozialbedürftige Menschen hier bei uns im reichen Ländle.

Derzeit wird über eine Anhebung der Pensionen diskutiert. Wie bei allen anderen Lohnverhandlungen sollte bei dieser Diskussion zumindest eine Anpassung in Höhe der Inflation herauskommen. Gerade Frauen im Rentenalter, die ihr Leben lang nur Teilzeit oder mitunter gar nicht für den Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden haben, sind jetzt noch mehr von Armut betroffen.

Wie es so heißt: Jede Krise hat ihre Gewinner und Verlierer. Leider werden es immer mehr Verlierer und die Gewinner hatten meist schon vor einer Krise genug Geld. Und so wird es kommen, dass zukünftig kleine, aber sehr elitäre Kreise ihre eigene Welt so steuern, wie sie es wollen. Das ist kein neues Phänomen. Das gab es immer schon. Es wird nur gefährlicher, mit neuen Strukturen der Globalisierung und damit verbundenen Machtverhältnissen.
Vielen Menschen fehlt es schlicht und einfach an leistbaren Perspektiven. Sowohl im privaten als auch im wirtschaftlichen Bereich. Das hat direkte Auswirkungen. Vieles ist nicht mehr leistbar. Indirekt werden die Auswirkungen erst später sichtbar. Man nennt so etwas gesundheitliche Folgeschäden. Was all das mit uns psychisch macht, ist mit Verlaub gar keine leistbare Perspektive.

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ
Derzeit sieht der Blick in die Zukunft etwas düster aus. | Foto: pixabay
Christian Marold
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