Kommentar
Oho Vorradelbärg

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

Zwar als Land ein Zwerg, aber hey – wir sind Vorradelbärg. In den letzten Tagen ist unser Ländle in aller Munde. Medial hören wir immer wieder Berichte über ein gewisses Vorradelbärg oder gar Furradlbärg. Die Gsi‘s fragen sich dann immer: Meinen die etwa unser Vorarlberg? Um es für manche Kollegen aus den östlichen Teilen Österreichs aus den Branchen TV und Radio noch einmal zu sagen: Das westlichste Bundesland Österreichs heißt Vor-arl-berg. Sprachtrainer würden jetzt das arl noch unterstreichen. Vor-arl-berg. Damit soll verdeutlicht werden, dass das arl schneller ausgesprochen wird als Vor und berg. Somit haben wir Gsiberger weder was mit dem Furradl (sprich Fahrrad) noch stehen wir mit dem Fahrrad vor einem Berg. Wobei statistisch gesehen ist der Vorarlberger ein absoluter Fahrradnarr. Nutzten wir selbst in der Pandemiezeit – die ja bekanntlich noch anhält – das Bike, Fahrrad oder Göppl so intensiv wie nie. Also doch ein Land der Fahrräder vor dem Arlberg?

Schon alleine die korrekte Aussprache unseres geliebten Ländles - und nur wir nennen und dürfen es auch so nennen (!) - bleibt eine ostösterreichische Herausforderung. Warum sich ein deutsches Bundesland wie Baden-Württemberg auch Ländle nennt, ist für uns Schluchtenscheißer ein Rätsel. Wir Ländle-Ösis sind stolz auf unsere Vor-reiterrolle. Derzeit sowieso. Ein gallisches Dorf im Herzen Europas. Sonderstellung, Sonderregelung. Heißt aber nicht gleich sonderbar. Oder doch? Ja, wir haben einen gewissen Ruf der Eigensinnigkeit oder der Starrköpfigkeit. Wobei kein Vorarlberger starrköpfig sagen würde, höchstens „Du bisch an sturer Bock!“. Die Sonderstellung derzeit bezieht sich aber nicht auf unseren Dialekt und auch nicht auf das fragende „Odr“ an fast jedem Satzende. Ganz Österreich blickt seit dieser Woche auf den Vorarlberger Sonderweg in der Pandemiezeit. Gastro-Öffnung, Freizeit-Öffnung, Öffnung kultureller Veranstaltungen und damit verbunden ein Schritt Richtung Freiheit. Ein kleiner für uns, aber ein großer für die Regierung. Konkret heißt das, dass nur 30 Prozent der Gastrobetriebe in Vorarlberg öffnen, Vereine die sich teilweise komplizierte Konzepte überlegen müssen. Das alles für einen weiteren Schritt in die neue Normalität. Viele sagen sich: „Wenn das die neue Normalität ist, dann pfeif ich drauf.“ Hinter dieser Aussage stehen Hoffnungen auf Rentabilität, Arbeitsplätze und die Chance auf ein Angebot jenseits von 20 Quadratmetern pro Person.

Am Ende dürfen wir uns von den Regierungsverantwortlichen nur anhören, dass alles erdenklich Mögliche getan wurde, um den Wünschen der Bevölkerung nachzukommen. Heißt übersetzt: Ihr könnt ja aufmachen, aber nur unter gewissen Voraussetzungen.

All das macht aber die Tatsache nicht besser, dass bei diesem Hickhack über die europaweite Verteilung von Impfstoffen und die täglich neuen Meldungen über Nebenwirkungen von Vakzinen ein gewisses „Gschmäckle“ übrigbleibt. Das Ländle der Seligen wird als Probebundesland nur dann die Testphase überstehen, wenn es eine schnellere Durchimpfungsrate gibt und die Mutanten von COVID-19 uns nicht doch noch einen gröberen Strich durch die geplante neue Normalität macht.

Furradelbärg hat derzeit sicherlich einen Platz an der Verordnungssonnenseite eingenommen. Auch wenn es meteorologisch nicht wirklich so aussieht, sollten wir uns doch vor einem Sonnenbrand schützen. Wir sind alle miteinander schon einen weiten Weg gegangen. Für viele war dieser Weg zu weit. Auch das sollte uns jeden Tag bewusst sein, wenn wir wieder gemeinsam a Käsknöpfle-Partie im Gasthaus genießen dürfen. Zu welchem Preis, du Ländle, meine teure Heimat?!

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