Kommentar
Und die Moral dieser Gschicht...

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

Jetzt schreibt er schon wieder was über diese ganze Politikermisere. Das kann doch kein Mensch mehr lesen. Richtig. Na ja, fast richtig. Zumindest wünscht sich jeder, dass Ruhe einkehrt im politischen Alltag. Dass die gewählten Politiker ihren Job machen und das gut - im Sinne und zum Wohle des Staates und der Bevölkerung. Das hat sich wahrscheinlich auch die Regierungskoalition gedacht. Der grüne Partner hat die Daumenschrauben etwas zugedreht, aber nur leicht. Damit haben Grünen hin den Druck auf die Türkisen nur so erhöht, dass diese das Gesicht wahren können. Vordergründig zumindest. Die Oppositionsparteien rufen derweil laut „Buh, buh!“ und wollen so vor eigenen Problemen ablenken. Dreck haben immer nur die anderen am Stecken. In einer deutschen Talksendung kam die Frage auf, ob so etwas wie in Österreich mit Ibiza, Kurz-Gate und was da sonst noch kommen mag, auch in Deutschland möglich sei? Fast unisono kam die Antwort: Nein und falls ja, wären schon längst Neuwahlen und die Verantwortlichen weg von der politischen Bühne. Ich stell an dieser Stelle die provokanten Gegenfragen: Wirklich? Ist das so? Oder funktionieren in Österreich die Whistleblower Geschichten einfach besser und damit verbunden auch die (zukünftigen) juristischen Konsequenzen?

Was bei all diesen Aufdeckungen in den letzten Wochen erstaunlich ist oder zumindest wirkt, ist die moralische Ebene. Kurzer Überblick: Chatprotokolle mit teilweise unzumutbaren Formulierungen gegen Personen und Systeme kamen an die Öffentlichkeit. Zu den etwas infantilen Formulierungen der Bussi-Chatpartner kommt noch der juristische Aspekt hinzu. Aber wie schon geschrieben, das wird die Justiz hoffentlich penibelst aufklären. Nun haben wir einen neuen Bundeskanzler und einen neuen Außenminister. Der Bundeskanzler steht voll hinter seinem Bundes-ÖVP-Obmann und Altkanzler Kurz. Und laut Aussage von Sascha Schallenberg wird sich herausstellen, dass Basti unschuldig ist. Bravo Herr Bundeskanzler NEU! Als ehemaliger Außenminister, der viel diplomatisches Gespür haben sollte, ist so eine Aussage als oberster Repräsentant - gleich nach unserem Bundespräsidenten – schlimmer als nur ein sogenanntes No-Go. Das geht einfach nicht.

Ist Ihnen aber aufgefallen, dass sich außer unserem Bundespräsidenten niemand entschuldigt hat? Allen voran die Betroffenen, äh Beschuldigten. Außer einem „Ich mache diesen Schritt zur Seite für Österreich und eine stabile Regierung“ kam nicht wirklich viel. Im Gegenteil. Alle Bundes- Türkis ÖVP-Granden stehen nach wie vor hinter Basti. Von Kopf bis Blümel sind zwar alle not very amused über diese Chats, aber was macht man nicht alles als Pubertierender. Vielleicht befand sich Basti 2016 ja mittendrin im Pubertieren.

Am Ende bleibt die Frage, was von der Moral bleibt, wenn man in Chats so mit und über Menschen redet, versucht Systeme zu manipulieren und somit das Vertrauen der Bevölkerung und am Ende auch der Wähler missbraucht? Welches gesellschaftliche Bild geben wir so unseren Kindern weiter? Ist doch eh alles nicht so schlimm und diese Tun und Handeln hat wenig Konsequenzen.

Als mündiger Bürger eines so wunderschönen Landes fühle ich mich in meinen Grundwerten und Erwartungen an eine gewählte Regierung im Stich gelassen. Ich sehe nach all den Skandalen und moralentleerten Debatten im Nationalrat wenig Sinn in einer solchen Bundesführung.

Am Ende werden aber zu viele Wähler solche Geschichten schnell vergessen, weil jeder dieser Wähler Verantwortung abgeben möchte und selbst keine Entscheidungen treffen will. Sollen das doch die machen, die ich gewählt habe. Die Moral von dieser Gschicht, ob ihr’s glaubt oder nicht – Moral hat man - oder eben nicht.

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