"Wollen die Armut nicht wegschieben, weil sie zur Fassade vom Rathaus nicht passt"
Pfarrer Slawomir Dadas sprach sich bei Podiumsdiskussion klar gegen ein Bettelverbot aus.
Am Freitag veranstalteten die Kirchen von Wels und Umgebung eine Podiumsdiskussion zum Thema Betteln. Unter dem Motto „Ham`s an Euro, bitte?“ saßen am Podium Rosa Gitta Martl, vom Verein Ketani für Roma und Sinti, die aus ihrem persönlichen Erleben heraus über die Roma und Sinti in Österreich sprach. Sie erhielt den Menschenrechtspreis des Landes Oberösterreich, weil sie sich speziell für die Sinti engagiert. Ihre Mutter überlebte das KZ Mauthausen, aber deren Eltern, Großeltern, 11 Geschwister, Cousins und Cousinen, Onkeln und Tanten, nicht. Insgesamt wurden 301 Personen ihrer Familie in Konzentrationslagern ermordet. Nach dem Krieg zogen sie hausierend in Oberösterreich herum, bekamen keine Staatsbürgerschaft und die erste KZ – Entschädigung erst 1991. Sie lebten vom Schleichhandel in Holzwägen in der Nähe von Linz. Wovon hätten sie sonst leben sollen?
Viele interessierte der Unterschied zwischen Roma und Sinti? Es sind 2 verschiedene indogermanische Volksgruppen, die ursprünglich in Indien lebten, durch Kriege und Vertreibungen auf verschiedenen Wegen nach Europa kamen. Die Roma siedelten sich vor allem in Süd- und Osteuropa an, die Sinti in Nord- und Mitteleuropa. Sie leben beide in Familienclans mit 500 bis 1000 Leuten mit einem Ältestenrat. Sie unterscheiden sich in ihrer Sprache, in ihrer Musik, ihrer Kultur.
Die Sinti, die auf ihrer Reise auch durch Wels ziehen sind keine Bettler, sondern Händler. Der Verein Ketani ist auch im Gespräch mit dem Welser Bürgermeister und versteht die Suche nach einem alternativen Durchreiseplatz zum Messegelände.
Michaela Haunold,/b> betreut ArmutsmigrantInnen in der Wärmestube der Caritas Linz. Sie erklärte dass das keine organisierten, kriminellen Bettelbanden sind, sondern Familiengruppen mit 15 bis 20 Leuten, die gemeinsam reisen, irgendwo in Abbruchhäusern oder Zelten nächtigen und nach 2 Wochen wieder nach Hause fahren zu ihren Familien, deren Überleben sie so sichern. Dann kommen sie wieder und fahren wieder von Ort zu Ort zum Betteln, weil es die einzige Möglichkeit ist das Überleben der Familien zu sichern. Viele hätten gerne eine Arbeit, aber das ist durch die schlechte Schulausbildung und die fehlenden Sprachkenntnisse nicht möglich.
Sigried Spindlbeck von der Osteuropahilfe der Caritas sagte: „Man muss die Armut bekämpfen und nicht die Armen.“ Die Caritas OÖ unterstützt vor allem Menschen in Rumänien und Bulgarien, den Ländern Europas mit den geringsten Sozialbudgets. Die Armutsrate liegt dort bei 42%. Laut UNO gilt jemand als arm, wenn er weniger als 1 Dollar pro Tag zur Verfügung hat. In Rumänien lebt jedes 2. Kind unter der Armutsgrenze. 2/3 der Roma Haushalte haben nicht ausreichend zu essen. Die Caritas unterstützt die Bildung in Rumänien und schenkt somit Roma-Kindern Zukunft.
Bei dieser Veranstaltung wurden 643,50 Euro gespendet, davon können 43 Kinder ein Monat lang ein Gratisschulessen im Armenviertel Sf. Gheorghe bekommen.
"Wir dürfen nicht so tun, als ob es Armut nicht gäbe. Wir sprechen uns klar gegen ein Bettelverbot aus. Wir können nicht allen helfen, aber wir wollen die Armut nicht wegschieben, weil sie zur Fassade vom Rathaus nicht passt", stellte Slawomir Dadas, Dechant von Wels-Stadt fest.
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