Andreas Heinz: "Die Notruf-Schwelle ist sicher gesunken"

Laut Andreas Heinz wären vier bis sechs weitere Rettungsautos mit zusätzlichem Personal für Wels und Wels-Land optimal. | Foto: Hollig
  • Laut Andreas Heinz wären vier bis sechs weitere Rettungsautos mit zusätzlichem Personal für Wels und Wels-Land optimal.
  • Foto: Hollig
  • hochgeladen von David Hollig

Was beschäftigt das Rote Kreuz Wels denn derzeit ganz besonders?
Ein Dauerbrenner im Bereich des Roten Kreuzes ist immer der Krankentransport. Auf der einen Seite ist es so, dass das ein Angebot, eine Dienstleistung am Patienten ist, der den Weg von zuhause ins Krankenhaus oder auch zurück benötigt. Eine Frage ist hier immer: Was ist denn ein Notfall? Es ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, das in den Bereich von Erkrankungen, Verletzungen und Vergiftungen fällt. Da ist es immer wichtig, dass der Patient raschestmöglich den Notruf wählt. Von Vorteil wäre es, wenn im Umfeld jemand über Erste-Hilfe-Kenntnisse verfügt.

Kommt es im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten häufiger vor, dass jemand einen Notruf abgibt, obwohl es eigentlich keinen Notfall gibt?
Die Schwelle, die Rettung zu rufen, ist sicher gesunken. Manche, die schwerer verletzt sind, überlegen es sich zweimal. Manch einer denkt sich aber:"Warum sollte ich mit dem Taxi oder Bus fahren?".

Aber auch ihr habt ja Kapazitäten, die irgendwann ausgeschöpft sein können.
Genau. Es ist schon zu beobachten, dass häufiger das Rote Kreuz gerufen wird, als eigentlich notwendig ist. Was ist denn eigentlich der Sinn eines Rettungsfahrzeuges? Es ist ein Fahrzeug mit zwei oder drei Rettungssanitätern, das den Zweck hat, einen bedürftigen, nicht gehfähigen Patienten von seinem Zuhause in ein Krankenhaus oder zum Arzt oder in die Ambulanz zu bringen. Es gibt viele Leute, die aus Kostengründen die Rettung anstelle des Taxis rufen. Das muss man sich selbst zahlen, das ist schon mal der Unterschied. Bei der Schwelle, die Rettung zu rufen, gibt es auch sicher ein Stadt-Land-Gefälle.

Ist die Schwelle in der Stadt also niedriger als am Land?
Es ist jedenfalls zu beobachten, dass manche Leute kein schlechtes Gewissen haben, diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Es ist ja ein Unterschied, ob ich mich in den Finger geklemmt oder in den Finger geschnitten habe und viel Blut verliere. Will man mit ersterem wirklich zwei Leute mit Blaulicht beschäftigen? Die Einschätzung eines Notfalls durch den Betroffenen ist aber immer auch anders zu bewerten als die des Rettungsdienstes.

Welche Gründe kann es denn für das Stadt-Land-Gefälle geben?
Es ist die Gewohnheit einer schnellen Verfügbarkeit. Es gibt Personen mit der Einstellung: "Die haben eh zum Dasein, schließlich bezahle ich sie ja mit meinem Steuergeld. Ich bin eh sozialversichert, das steht mir zu." Das ist dann ähnlich wie bei einem Lieferdienst. Es ist nicht nur für den Rettungsdienst, sondern auch für das Krankenhaus belastend, dass sich manche Personen, anstatt zum Arzt zu gehen, in der Nacht mit der Rettung ins Krankenhaus bringen lassen.

Sind die Erste-Hilfe-Kenntnisse bei Vielen zu gering ausgeprägt?
Sie sind immer noch gering. Es ist unsere Kernaufgabe, dieses Wissen in der Bevölkerung zu verankern. Eine regelmäßige Auffrischung wäre von Vorteil. Das Zugehen auf den Patienten und das Absetzen des Notrufs wären aber schon mal ein Anfang. Nichts zu tun ist ein Fehler. Es muss ja nicht jeder ein perfekter Ersthelfer sein.

Von vielen Leuten hört man, dass sie es sich nicht zutrauen, Erste Hilfe im Notfall zu leisten. Bräuchte es hierfür den Zwang zu einer häufigeren Auffrischung des Erste Hilfe-Kurses?
Das ist eine Frage der Grundeinstellung. Wenn ich mich regelmäßig über ein Kinoprogramm updaten kann, dann kann ich mich auch regelmäßig über Erste-Hilfe-Kenntnisse updaten, wenn ich will. Jemanden, der gerne hilft, muss ich nicht dazu zwingen, sich die Kenntnisse anzueignen und sie umzusetzen. Viele Großmütter machen beispielsweise einen Kindernotfallkurs, weil sie bei ihrem Enkerl nichts falsch machen und gerüstet sein wollen.

Der Zwang zu einer häufigeren Auffrischung hätte also weniger Sinn als der Appell an die Leute, es für sich und andere zu tun?
Ja, so kann man es nennen. Der Wert der Ersten Hilfe liegt ja darin, dem Nächsten über eine Situation hinweg zu helfen. Das dient der Verkürzung des Intervalls bis die Rettung kommt. Im günstigsten Fall ist diese nicht weit weg, im ungünstigsten Fall hat sie jedoch eine größere Wegstrecke zurückzulegen.

Wo stehen denn die Rettungsautos in der Region?
In Wels, Lambach, Marchtrenk und Sattledt. Damit sind wir über das Gebiet Wels-Stadt und Wels-Land gut situiert, weil wir fast in der Mitte stehen. In Summe sind es 20 Stück, davon 13 in Wels.

Wie viele Autos mehr hättet ihr gerne?
Für die wachsenden Aufgaben und die steigenden Transportzahlen wären zwischen vier und sechs zusätzliche Autos notwendig.

Ein Appell an die Bevölkerung, nicht immer sofort die Rettung zu rufen, wäre wahrscheinlich günstiger.
Es gibt ja Handlungsanweisungen seitens der Sozialversicherungsträger, wann mir als Patient wo etwas zusteht. Es werden aber öfters mal Transportscheine ausgegeben, obwohl diese Kriterien nicht zu 100 Prozent erfüllt sind.

Es kommt an Personal ja auch was aus der Jugend nach. Wie läuft dort die Ausbildung?
Es ist nicht so, dass sie nur in Erste Hilfe trainiert werden, sondern sie lernen auch soziale und humanitäre Werte. Die Jugendrotkreuz-Gruppe Lambach hat beispielsweise bei einem internationalen Jugendbewerb die Gruppe in Sarajewo kennengelernt. Jetzt sind sie öfters mal bei uns Gäste. Das ist für sie ein völlig anderer Zugang. 20 Jahre nach dem Krieg sind sie in vielen Dingen noch nicht so weit, wie man es sich hierzulande vorstellt. Durch die Hilfe der Lambacher Jugendgruppe, ein Buchprojekt, konnte sich das Rote Kreuz in Sarajewo ein neues Auto leisten. Dort steht auch „Rotes Kreuz Lambach“ drauf. Die setzen das Geld entsprechend ein und sind für die Spenden sehr dankbar. Wieder andere Gruppen unterstützen Flüchtlingskinder oder den Besuchsdienst im Altersheim. Die Tätigkeiten sind sehr vielfältig.

Anzeige
Karin befördert mit Begeisterung Fahrgäste. | Foto: OÖVV/Kneidinger-Photography
4

Für den OÖVV am Steuer
Quereinsteiger im Bus: Ein neuer Job mit vielen Vorteilen

Es gibt Menschen, die von Kindheitstagen an auf das Buslenken als Traumberuf hinarbeiten. Die meisten Buslenkerinnen und Buslenker entdecken diesen abwechslungsreichen und krisensicheren Job aber erst im Laufe der Zeit für sich.Wir stellen heute vier Beispiele vor: Karin ist gelernte Konditorin, Kathrin war Tischlerin – beide hatten vorher auch Lkw-Erfahrung –, und Bernadette und Michael tauschten ihre Gastrovergangenheit mit einem Platz hinter dem Buslenkrad.  Übers Lkw-Fahren zum...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Wels & Wels-Land auf MeinBezirk.at/Wels&Wels-Land

Neuigkeiten aus Wels & Wels-Land als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Wels & Wels-Land auf Facebook: MeinBezirk.at/Wels&Wels-Land - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Wels & Wels-Land und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.