Armuts-Reportage: "Wuascht haumma kane"
Zwischen Ausgrenzung und Hunger, zwischen Amstetten und Ybbsitz: Was Armut für die Betroffenen bedeutet.
BEZIRK. "Haubt's a Wuascht a?", fragt ein Mann. "Nur a vegane", erwidere ich. "Na, na", winkt er ab. "So Fertigburger hätt ma, da wär a Fleisch drin", biete ich an. "Die hob i nu vo letzta Wochn – Erdäpfel habt's kane mehr?", fragt er. "Na, de san leider aus", sag ich. "Des woas daun", deutet er mit der Hand ein Abräumen an.
Ein paar Packerlsuppen, ein Quargelkäse, ein wenig Gemüse und Brot, nicht viel mehr kommt heute in das Einkaufssackerl. Die paar Euro sucht er einzeln aus seiner Geldbörse raus, plaudert noch ein wenig mit einer älteren Dame und winkt dann freundlich: "Pfiat eich."
Wie arm ich eigentlich bin
"Wie muss es eigentlich sein, wenn man arm ist?", stell ich mir die Frage, als ich – BEZIRKSBLÄTTER-Redakteur Thomas Leitsberger – diesen Samstagvormittag mit dem mobilen Sozialmarkt in Mauer, Hausmening und Ybbsitz unterwegs bin.
Nicht so arm, wie man meistens von sich selbst glaubt, man sei es. Nein, ich meine so richtig arm, so arm wie man in Österreich, im Mostviertel, in Amstetten eben sein kann. So arm, dass der regelmäßige Gang in den Supermarkt nicht leistbar ist. So arm, dass man nicht auf Dinge verzichtet aus Sparsamkeit, Geiz oder Gier, sondern zum Überleben.
Das Joghurt aus Ziegenmilch
Beim letzten Halt in Ybbsitz, versteckt hinter dem Marktplatz, warten bereits ein Dutzend Leute auf unser Kommen. Es sind ältere Einheimische und jüngere Flüchtlinge – darunter vor allem Flüchtlingsfrauen. Manche zeigen sich durchaus wählerisch, schließlich sind nicht nur Geschmäcker verschieden, auch auf religiöse Belange muss Rücksicht genommen werden.
Die Gemüsesorten sind mittlerweile so gut wie aufgebraucht. Pudding oder Joghurt gebe es noch. In rauen Mengen auch ein Ziegenmilchjoghurt – man merkt sofort, warum manches übrig bleibt. Übrig geblieben ist auch mancher Kunde. Armut bringt eben auch Einsamkeit mit sich.
Die Blicke der anderen
So nutzen in Hausmening drei Frauen die Gelegenheit und trinken einen frisch zubereiteten Kaffee direkt aus dem "SOMA-Mobil", während ein Mann mit seinem kleinen Sohn neben ihnen einkauft, und eine Frau, die mit dem Rad vorbeifährt, schaut, was da los ist.
Neugierige Blicke scheinen den Kunden allerdings egal zu sein. Denen es nicht egal ist, die gehen eben in den nur ein paar Kilometer entfernten stationären Sozialmarkt in Amstetten einkaufen. Die Kundenanzahl stieg dort in den letzten Jahren ständig an.
Pensionisten sind genauso betroffen wie Alleinerzieher, Flüchtlinge, die keine Arbeit finden ebenso wie Einheimische, die trotz Arbeit an der Armutsgrenze leben. Alle merken, wie wertvoll ein Euro ist.
Was ein Euro wert sein kann
"Wie viel", fragt die Frau. "20 Cent", sage ich zur ihr. "Nein", deutet sie verneinend mit ihrer Hand. "Und das?", zeigt sie schon zum nächsten Lebensmittel in der Vitrine.
Und während mir das noch in Erinnerung ist, sitze ich auch schon wieder in meinem Auto und fahre zum Supermarkt. Kaufe dort fürs Wochenende ein, darunter Bier, Wurst, Milch und Bio-Gemüse. "Da kimma wieda a Randl lebn", erinnere ich mich beim Zahlen an den Mann in Hausmening, der sich die alten Topfengolatschen kaufte.
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