Endstation Pflegeheim

Brillieren in der Tragikomödie „Paradiso“: Stephanie Larcher-Senn als Vicky und Barbara Walder als bereits von einem Schlaganfall gezeichnete Martha. | Foto: BogenTheater
  • Brillieren in der Tragikomödie „Paradiso“: Stephanie Larcher-Senn als Vicky und Barbara Walder als bereits von einem Schlaganfall gezeichnete Martha.
  • Foto: BogenTheater
  • hochgeladen von Christine Frei

Das BogenTheater wagt und gewinnt mit Lida Winiewiczs aufwühlender Tragikomödie „Paradiso“.

Man hat sie noch gut und eindrücklich in Kopf, gleichwohl seither schon einige Theatersaisonen verstrichen sind: Julia Gschnitzer als Enten fütternde alte Dame auf der Parkbank, die ehemalige Schuldirektorin Martha, die mit spitzer Zunge und von oben herab vortrefflich jedwede sprachliche Ungenauigkeit oder Zudringlichkeit abzuschmettern versteht, Judith Keller als etwas übergriffige Überlebenskünstlerin und Krankenschwester Vicky, die in Martha ihre nächste einträgliche Klientin wittert. Ein starkes Paar, ein abgründiges Stück. Nun wagten sich Barbara Walder und Stephanie Larcher-Senn, die beiden starken Frauen und Macherinnen des BogenTheaters in der Regie von Julian Larcher-Senn an diese wahrliche Steilvorlage.

Dass die beiden derartige Herausforderungen nicht scheuen, sondern sich im Gegenteil stets lustvoll darauf stürzen, das macht ja seit jeher den Charme und die Eigenart des BogenTheaters aus. Mit „Paradiso“ von Lida Winiewicz ist ihnen nun tatsächlich ein richtig großer Wurf gelungen. Das liegt nicht zuletzt an der Präsenz und Ausdruckskraft von Walder und Larcher-Senn, die sich da ganz ohne Fangnetz und fast ohne Requisiten auf dieses anspruchsvolle Zweipersonenstück eingelassen haben. Denn da sind einerseits die herrlich süffisanten Dialoge, mit denen die beiden gerade zu Beginn ihrer Bekanntschaft ebenso zielsicher wie genüsslich die wunden Punkte der jeweils anderen befeuern, da sind andererseits die schauspielerischen Anforderungen gerade an Walder, die nicht nur in die Rolle einer resoluten und eigenwilligen Achtzigjährigen zu schlüpfen hat, sondern schließlich auch deren physischen Verfall geradezu beklemmend auf die Bühne bringt. Nicht minder anspruchsvoll die Figur der Vicky, die Stephanie Larcher-Senn ganz zu der ihren macht. Denn Vicky ist zwar augenscheinlich berechnend, aber gleichzeitig doch voll sprühender und einnehmender Lebenslust; sie hat zudem die Chuzpe und die durchaus liebenswürdige Unverfrorenheit, um nicht nur in Marthas Leben, sondern auch an ihrem schon gänzlich abgeschotteten Herzen anzudocken. Zuletzt trifft sie zwar eine wenig rühmliche Entscheidung, aber Lida Winiewicz genügen da zwei Worte, um zu verdeutlichen, dass sie an dieser vermutlich ein Leben lang knabbern wird.

Die Stärke des Stücks ist ohnehin seine Fallhöhe: es gibt sich zunächst leichtfüßig wie eine Screwballkomödie, spielt dabei die Gegensätzlichkeit der beiden Frauen genüsslich aus, um dann in freiem Fall am harten Boden der großen ethischen Fragen von Loyalität und Verantwortungsbewusstsein zu landen. Dem BogenTheater gelingt damit ein ebenso berührender wie aufwühlender Theaterabend. Das Premierenpublikum quittierte die herausragende Leistung der beiden passionierten Theateramateurinnen nicht nur mit Applaus nach jedem Bilderwechsel, sondern anschließend mit mehr als verdienten Standing Ovations, was beide Frauen sichtlich bewegte.

Wo: Bogentheater, Viaduktbogen 32, 6020 Innsbruck auf Karte anzeigen
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.