Leserbrief: "Willkommen im Mittelalter"
Die folgenden Zeilen stammen von Tierärztin Dr. Andrea Nagele, Zell am See.
Zu den Aussagen des Tierarztkollegen Dr. Fuchs zum Thema "Wir brauchen dringend ein Tierheim im Pinzgau" möchte ich Stellung nehmen, obwohl mir vor Erstaunen und Entsetzen eigentlich die Worte fehlen!
Ich habe 15 Jahre lang eine Kleintierpraxis in Bruck/Glstr. betrieben. Bemühungen um ein Tierheim gab es schon vor 20 (!) Jahren. Wir sind als "Pinzgauer Tierschutzverein" damals schon erfolglos bis zur Landesregierung vorgedrungen. Die Gründe der Ablehnung waren - blablabla- die gleichen wie heute im Jahre 2014!
Ich entschloss mich damals dazu, zumindest Katzen und anderes Kleingetier (Wildvögel, Tauben, Meerschweinchen etc.) in meiner Praxis aufzunehmen, habe im Schnitt 100 bis 150 Katzen im Jahr aufgenommen, operiert und gesundgepflegt, wenn es notwendig war (auf meine eigenen Kosten selbstverständlich).
Bis zur Vermittlung waren diese Tiere zwischen einigen Tagen und 2 zwei bis 3 Monaten bei mir. Den passenden Platz gefunden, denk ich, hab ich letztendlich für alle.
Die Gründe für die Abgabe von Tieren waren vielfältig: Wohnungswechsel, Scheidung, Todes- und Krankheitsfälle, verletzte Findlinge am Straßenrand, zugelaufene Katzen (handzahm), die kein Winterquartier hatten, uvm.
Es ist absurd, wenn Herr Dr. Fuchs behauptet, mit einem Tierheim werden dann eh nur noch Tiere abgegeben. Ich weiß aus meiner Erfahrung, dass oft wirkliche Notlagen vorlagen. Und mit dem Argument "Wenn man kein Tierheim hat, kann man auch nicht so leicht ein Tier loswerden", komme ich nicht zurecht! Ist aber eine praktische Vogel-Strauß-Denkweise. Klingt ja fast so, als ob der Herr Dr. Fuchs das Tierheim von seinem eigenen Geld bezahlen müsste…
Desweiteren vergleicht er Äpfel mit Birnen: Ein Tierheim für notleidende Tiere und Kastrationsprojekte für Streunerkatzen sind zwei völlig verschiedene Dinge. Streunende Katzen sind in der Regel spritzwild, werden mit einer Falle gefangen, kastriert, und dann in eben diesen von Dr. Fuchs erwähnten Holzschuppen wieder freigelassen. Dort sind in der Regel betreute Futterplätze. Aber potentiellen Kandidaten für ein Tierheim sind diese Tiere nicht. Und ein solches brauchen wir im "von Salzburg vergessenen Innergebirg" notwendig! Vor 20 Jahren schon - und jetzt erst recht!
Es macht mich traurig, dass ich die Argumente von Fr. Rössler vor 20 (!) Jahren auch schon mal gehört hab. Und ich schäme mich als Tierärztin für die Aussagen des Herrn Dr. Fuchs. Und ich freue mich über den Mut und den Willen der "Tierschutzgruppe Tiernest"!
Dr. Andrea Nagele,
5700 Zell am See
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