Teil 1
So heiß war die erste Sitzung des Alsergrunder Bezirksparlaments 2023
Am Mittwoch, dem 22. Februar, war es wieder soweit: das Alsergrunder Bezirksparlament tagte. Dabei ging es wieder heiß her, gab es doch einige Umstellungen und Streitfragen in der Bezirksvertretung. Diesmal ging's im ersten Teil um ausgetretene Abgeordnete, emotionale Debatten, um eine Schulsanierung und wann die Fernwärme ins Servitenviertel kommt.
WIEN/ALSERGRUND. Die Stimmung, die vor der vergangenen Sitzung des Bezirksparlaments herrschte, war eine gespannte. Immerhin hatte sich an der Zusammensetzung der Alsergrunder Bezirksvertretung zuletzt einiges geändert. Drei Mandatarinnen und Mandatare hatten die SPÖ verlassen, drei Ex-Grüne hatten mit "Damma wos" einen neuen Klub gegründet. Dazu wurde von der SPÖ noch eine neue Mandatarin angelobt, nachdem Ludwig Riedl die Partei verlassen hatte: für ihn kam Anna Milian nach. Für sie gab's kollektiven Applaus zur Begrüßung.
Und dann, nach diesen Formalia, ging's auch rasch ans Eingemachte. Einer der ersten Redner war Neos-Klubchef Rudolf Mayrhofer-Grünbühel, der ob der vielen Umstellungen ein "demokratiepolitsches Problem" am Alsergrund ausmachte. "15 Prozent der Mandatarinnen und Mandatare sind nicht mehr auf der Wahlliste, auf der sich angetreten sind", sagte er. Er finde, dass die Politik im Allgemeinen zuletzt viel Vertrauen verloren hätte. Durch die Änderungen im Bezirksparlament befürchtet er nun, dass auch am Alsergrund ein weiterer Vertrauensverlust der Bevölkerung blühen könne. "Es ist schade, wenn man Unstimmigkeiten und Probleme nicht innerhalb der eigenen Partei lösen kann", so Mayrhofer-Grünbühel.
Emotionale Eröffnungsworte
Darauf antwortete eine der indirekt angesprochenen Mandatrinnen und Mandatare selbst: dabei handelte es sich um Claudia O'Brien, die ehemalige Klubchefin der SPÖ und mittlerweile freie Abgeordnete. Sie bestätigte nochmals öffentlich, was Leserinnen und Leser der BezirksZeitung schon wussten: sie war aufgrund eines Skandals rund um eine mutmaßliche sexuelle Belästigung ausgetreten, die von einem ehemaligen SPÖ-Mitglied 2019 begangen worden war.
"Ich wollte nicht mehr Teil einer Orga sein, die es nicht geschafft hat, mit sexuellen Übergriffen in ihr umzugehen", sagte sie sichtlich bewegt. Der Umgang der Partei hätte "nicht ihrer Erwartung" entsprochen. Trotzdem sei der Austritt ein "unglaublich schwerer Schritt" für sie gewesen, nachdem sie viele Jahre lang aktiv in der SPÖ Alsergrund gewesen sei. Trotzdem wolle sie für den "Alsergrund, ich ich liebe" weiterhin politisch tätig sein.
Auch Markus Delitz war im Herbst aus der SPÖ ausgetreten. Er sprach von "Entfremdung und Desillusionierung", die wegen des Umgangs der SPÖ mit sexuellen Grenzüberschreitungen bei ihm eingetreten sei. Dabei hätte ihn betroffen gemacht, dass einigen der Betroffenen nicht geglaubt worden wäre. "Ohne selbst betroffen zu sein, weiß ich, dass Leid aus Missbrauch zu Trauma führen und lange weiterleben kann, auch über Generationen hinweg", so Delitz: "Und ich weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn einem nicht geglaubt wird."
Nach diesen Statement herrschte eine gewisse betretene Stille im Parlament. FPÖ-Bezirksrat Nikolaus Amhof forderte danach noch, dass hier eigentlich die Gerichte informiert werden müssten: "Hier wird in einer öffentlichen Sitzung gesagt, dass in einer Partei sexuelle Belästigung stattfand." Nach dieser letzten Wortmeldung zum Thema ging man zur Tagesordnung über.
Grüne Kritik an zu teurer Schulsanierung
Der nächste wichtige Tagesordnungspunkt befasste die Schule Marktgasse. Hier wird ein Budget von 12 Millionen Euro gebraucht, dass für eine Generalsanierung des Gebäudes aufgewendet werden musste. Ein Teil der Mittel musste nun in der Sitzung freigegeben werden.
Die Grünen zeigten sich hier wenig glücklich. Die Bezirksvorsteherin-Stellvertreterin Josefa Molitor-Ruckenbauer (Grüne) meldete sich zu Wort: "Was wären mit dem Geld für Klimaschutzprojekte möglich?", fragte sie. So könne man etwa mit 12 Millionen Euro rund 480 Bäume pflanzen oder 4.000 Bänke aufstellen, rechnete sie vor. Zwar spreche man sich nicht prinzipiell gegen eine Sanierung aus – aber man fordere, dass die Stadt Wien die Kosten voll übernehmen solle.
Aktuell ist vorgesehen, dass diese 80 Prozent der 12 Millionen Euro zahlt – die Grünen wollen, dass sie die Kosten ganz übernimmt. Es beschleiche Molitor-Ruckenbauer nämlich der Gedanke, dies sei ein von der zuständigen Magistratsabteilung 56 gewünschtes Projekt, dass der Bezirk erfüllen solle.
Ahmad: Keine Themen gegeneinander ausspielen
Dagegen argumentierte O'Brien. Zwar stimme sie der Analyse teilweise zu, allerdings fände sie es problematisch, das Thema auf den Rücken der Kinder zu diskutieren. "Das ist kein Luxusprojekt, sondern es geht auch um Sicherheitsfragen wie den Brandschutz", so O'Brien. Daher fände sie die Renovierung sinnvoll.
In eine ähnliche Kerbe schlug Bezirksvorsteherin Saya Ahmad (SPÖ), die "Whataboutism" bei den Grünen ortete – man spiele zwei Themen gegeneinander aus. "Ich bitte, von der Art des Denkens Abstand zu nehmen, dass man etwas für eine Schule macht, und dann nix anderes mehr geht." So würde man auch die Marktkasse klimafit sanieren.
Bei der Abstimmung zur Schulsanierung zeigte sich dann auch ein eindeutiges Stimmungsbild: alle Parteien und auch die freien Mandatarinnen und Mandatare stimmten dafür zu, Budgetmittel für die Schule freizugeben. Die Grünen blieben mit ihrer Ablehnung alleine.
Wann kommt die Fernwärme im Servitenviertel?
Anschließend gab es noch ein umfassendes Update zum Servitenviertel, auch hier wurde um die Freigabe von Geldern abgestimmt. Dieses soll ja ab Mai umfassend umgestaltet werden.
Hier war zuletzt nach einem Interview mit Klima-Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) ein gewisser Wirbel entstanden. Dieser hatte angekündigt, dass das Servitenviertel zeitnah einen vollen Fernwärme-Ausbau erhalten solle. Da gab es Befürchtungen, dass dies erst nach der schon im Mai beginnenden Umgestaltung des Viertels am Alsergrund geschehen könnte – es also zweimal hintereinander zwei große Baustellen dort geben könne.
Hier versuchte, Bezirksvorsteherin-Stellvertreter Christian Sapetschnig (SPÖ) zu beruhigen. Den Fraktionen wurde so dem Vernehmen nach 2,5 Stunden vor der Sitzung ein Dokument vorgelegt, wo wichtige Fragen und Antworten zum Fernwärme-Projekt aufgeworfen und beantwortet wurden. So sei weniger das Servitenviertel, sondern eher das Grätzl Rossau gemeint. "Hier gibt es viele Altbauten und dezentrale Gastthermen. Gleichzeitig sind schon viele Fernwärme-Anschlüsse da", so Sapetschnig.
Daher solle hier ein Fokus auf das Gebiet gelegt und dort verstärkt Häuser an die Fernwärme angeschlossen werden. Allerdings seien auch Anschlüsse im Servitenviertel frühestens bis 2028 geplant – also in fünf Jahren. "Kein Projekt kommt sich da gegenseitig in die Quere", so Spapetschig.
Die Gelder fürs Servitenviertel sind freigegeben
Die Damma Wos-Klubchefin Momo Kreutz meldete sich dann noch zu Wort. Sie kritisierte, dass die Infos so knapp vor der Bezirksparlament-Sitzung gekommen waren. "Wenn da jetzt steht, vor 2028 soll nichts passieren, kann ich nur sagen, ich glaube das oder nicht", so Kreutz. Sie forderte, dass nun auch die betroffenen Haushalte bald mittels einer Aussendung informiert werden sollten. Es sei wichtig, dass man nun die Bevölkerung informiere.
Zum Projekt Servitenviertel bekannte sie sich grundsätzlich trotzdem. "Wenn fünf Jahre zwischen den beiden Projekten Fernwärme-Ausbau und Servitengasse-Umgestaltung liegen, muss man überlegen, ob man wirklich so lange mit beiden warten will", so Kreutz.
Letztlich stimmten sechs grüne Mandatarinnen und Mandatare, Damma Wos, die freien Abgeordneten Delitz und O'Brien sowie Links und die SPÖ für die Umgestaltung der Servitengasse. ÖVP, FPÖ, Neos und eine grüne Stimme waren dagegen. In den Anträgen forderten ÖVP und Neos dann sogar den Stopp des Bauprojekts - davon liest du im zweiten Teil der Reportage aus der Sitzung des Bezirksparlaments!
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