Herausforderung Bildung – Verbesserungspotenziale auf Schritt und Tritt
Wien gehört jedes Jahr zu den lebenswertesten Städten der Welt. Das freut uns und macht uns stolz. Dennoch dürfen wir die Augen vor Herausforderungen und Problem nicht verschließen. Zu den größten „Baustellen der Zukunft“ zählt der Bildungssektor. Wo liegen die Probleme? Welche Herausforderungen gehören genommen und wo liegt unser Handlungsspielraum? Genau darauf wollen wir in einer dreiteiligen Blogserie am Beispiel der Brigittenau eingehen.
WIE ERSTSPRACHEN DEN BILDUNGSWEG BEEINFLUSSEN
Wien hat einige Herausforderungen im Bildungssystem zu meistern. Dazu gehört, dass Im Durchschnitt 50 Prozent der Schulkinder eine andere Erstsprache als Deutsch haben
„Im Pflichtschulbereich haben mehr als 20 Prozent der SchülerInnen eine andere Erstsprache als Deutsch. In Wien sind es über 50 Prozent. Die mehrsprachige und multikulturelle Schule ist in Österreich Realität.“
Ihre deutsche Unterrichtsprache ist also für die Kinder eine erste Fremdsprache. Diese Tatsache wird zwar oft heiß und polemisch diskutiert, aber kaum konstruktiv in die politische Arbeit aufgenommen.
Warum ist das überhaupt wichtig? In einem ersten Schritt ist es für einen Teil der Kinder dadurch schwerer, dem Unterricht und den darin transportierten Inhalten zu folgen. In weiterer Folge liegt bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund der Anteil jener, die ihre Ausbildung mit Matura abschließen, unter dem Durchschnitt. Das sind nur zwei von vielen Gründen, warum es nicht egal ist, welche Erstsprache unsere kleinsten Stadtbewohner_innen erlernen und wie mit diesem Umstand umgegangen wird.
FOKUS: BILDUNG IN DER BRIGITTENAU
Im 20. Wiener Gemeindebezirk, der Brigittenau, sind die Voraussetzungen die Schülerinnen und Schülern geboten werden, besonders schwierig. Schauen wir auf einige Statistiken. An den Prognosen des Bevölkerungswachstums bemessen, zählt die Brigittenau neben der Donaustadt zu den am stärksten wachsenden Bezirken Wiens. Dieses Wachstum wird durch einen Zuzug aus anderen Kulturen maßgeblich beeinflusst.
Dabei bildungspolitisch relevant: Nicht alle Familien aus unterschiedlichen Kulturkreisen messen der Bildung ihrer Kinder dieselbe Bedeutung zu, wie der „durchschnittliche Westeuropäer“. Darüber hinaus wird die Bildung von Jungen und Mädchen oftmals unterschiedlich betrachtet.
Das führt unter anderem dazu, dass 33 Prozent der Brigittenauer_innen höchstens einen Pflichtschulabschluss haben. Das Schlusslicht in Wien ist die Brigittenau aber mit diesen Zahlen nicht! In Favoriten sind es sogar 34 %, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben. Der 20. Bezirk belegt demnach nicht den letzten Platz, aber bei einem Bundesdurchschnitt von 19 Prozent bietet selbst diese Tatsache keinen Trost. (Quelle: Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2016, Seite 133)
„Knapp daneben ist auch vorbei“, könnte man ironisch anmerken. Doch Ironie ist hier völlig fehl am Platz, denn schließlich geht es hier um die Zukunft unserer Kinder, unserer Gemeinschaft und damit unserer Stadt.
SPRACHE ALS HERAUSFORDERUNG – WAS KINDER UND LEHRER_INNEN BRAUCHEN
Wie lässt sich dieser katastrophale Bildungszustand in der Brigittenau erklären? Einen großen und wichtigen Faktor stellt sicherlich die kulturelle Durchmischung im Bezirk dar.
Die Situation ist in den Pflichtschulen des 20. Bezirks teilweise so, dass es Eingangsklassen (also erste Schulstufen) gibt, in denen nur ein oder zwei Kinder als Erstsprache Deutsch sprechen. Dies führt zu einer enormen Belastung im täglichen Unterricht – für die Schulkinder und für die Lehrkräfte. Hier besteht dringender Handlungsbedarf!
Eine Lösung ist sicherlich, mehr Lehrkräfte für die bestehenden Schulen bereitzustellen. Benötigt werden Begleit- und Stützlehrkräfte und speziell ausgebildete Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache. Es braucht aber auch Schulpsychologen und ein geregeltes Angebot an Schulsozialarbeitern. Wenn ein Kind mit 14 nicht sinnerfassend lesen kann (und das sind in Österreich erschreckende 25 Prozent der Kinder!), liegt das Problem nicht in der 8. oder 9. Schulstufe, sondern bereits in der Volksschule. Dort werden dem Lehrplan zufolge, die Kulturtechniken Lesen und Schreiben vermittelt. Lesen und Schreiben (gemeinsam mit Rechnen) sind die Voraussetzungen dafür, dass Kinder eine 5. Schulstufe besuchen können.
WARUM ERST- UND BILDUNGSSPRACHE NICHT GEGENEINANDER AUSGESPIELT WERDEN DÜRFEN
Ein verpflichtender Deutsch-Zusatzunterricht für alle Kinder und Jugendlichen, die nicht fähig sind, der Unterrichtssprache zu folgen, ist unerlässlich. Dies ist auch einer der Punkte des umfassenden Bildungs-Programmes von NEOS-Wien. Parallel dazu ist es aber auch notwendig, Unterricht in der Erstsprache zu ermöglichen. Denn nur, wenn Kinder ihre Erstsprache beherrschen, haben sie die Chance auch eine Zweitsprache gut zu lernen.
Hier sollte jeder von uns kritisch hinterfragen, welche persönliche Einstellung er oder sie zu einzelnen Sprachgruppen hat. Ein Beispiel: Würde etwa Englisch als zweite Unterrichtssprache ab der ersten Schulstufe angedacht werden, würden sich nur die wenigsten dagegen entscheiden. Handelt es sich dabei aber um Türkisch, Serbisch oder Chinesisch, werden viele unsicher, ob das „gut und sinnvoll“ für unsere Kinder ist.
Eines ist klar: Jede Sprache ist gleich viel wert und die Kenntnis über eine zusätzliche Sprache ist eine Bereicherung für jedes Kind. Darüber hinaus ist es egal welche Sprache man einsetzt, es gilt Wissen und Werte so zu vermitteln, dass es bei den Kindern ankommt und somit verinnerlicht werden können.
Ivana Baric-Gaspar und Heidemarie Zimmermann
Im nächsten Teil unserer Blogserie widmen wir uns der schulischen Infrastruktur im Bezirk. Wir stellen uns die Frage: Gehen die Schüler_innen in keine höheren Schulen, weil es einfach keine gibt?
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