UVP & Flächenwidmung
Streit um geplante Tiefgaragen am Nordwestbahnhof
Sind am Nordwestbahnhof zu viele Parkplätze in Tiefgaragen geplant? Diese Frage sorgt für Uneinigkeiten zwischen den Parteien und einer Bürgerinitiative.
WIEN/BRIGITTENAU. Die Vorarbeiten für das neue Brigittenauer Grätzl laufen auf Hochtouren. Bis 2023 soll der einstige Nordwestbahnhof rund 6.000 Menschen ein Zuhause bieten und 4.700 Arbeitsplätze schaffen. Auch drei Bildungscampus, Geschäfte sowie Kultur- und Freizeitangebote sollen entstehen. Im Zentrum soll das Miteinander stehen, weshalb man den Verkehr bewusst draußen halten möchte. Die Erschließung erfolgt über Stichstraßen und Tiefgaragen, ergänzt durch Sharing-Möglichkeiten. Statt Autos sollen die Menschen vermehrt mit den Öffis fahren, radeln oder zu Fuß gehen. So weit, so gut.
Doch geht es nach der Bürgerinitiative (BI) Nordwestbahnhof, ist das alles eine "Mogelpackung und Verwässerung der eigentlich umweltfreundlichen, weil innerstädtischen und autofreien Projektidee", wie der Sprecher der Initiative Rolf Nagel erläutert. "Wir gehen von einem deutlichen Zuwachs an Verkehr gegenüber heute aus, solange die Stadt Wien keine zusätzlichen Maßnahmen im Bereich Verkehrsberuhigung trifft", so Nagel. So seien bis zu 6.400 Parkplätze geplant, was genau so viele Autos bedeuten würde.
Um dem Anliegen Gehör zu verschaffen, ist die Bürgerinitiative in den vergangenen zwei Jahren nicht untätig geblieben. Die Einwände und Beschwerden gegen die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) brachten aber nichts. Es gibt einen positiven Bescheid zur Umweltverträglichkeit. Gegen diesen hat die BI gemeinsam mit dem Forum Wissenschaft & Umwelt eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht.
Parteien sind sich uneinig
Unterstützt wird die Initiative von den Grünen. "Wir setzen uns am Nordwestbahnhof für mehr Grünraum und mehr geförderte Wohnungen und weniger Beton und weniger Riesengaragen ein“, sagt Kilian Stark, Mobilitäts- und Planungssprecher der Grünen Wien. Die Brigittenauer Bezirksvizin Barbara Pickl (Grüne) ergänzt: "Eine Nachschärfung ist alternativlos, wenn die Stadtregierung die eigenen Klimaziele ernst nimmt.“
Auch Links-Bezirksrat Stefan Ohrhallinger spricht sich gegen die Parkplätze aus, aber aus einem anderen Grund. Er fordert, das Geld für "soziale Zwecke statt unbenutzte Tiefgaragen" zu verwenden. Laut Ohrhallinger seien viel zu viele Parkplätze geplant, was zusätzliche Ausgaben bedeute: "100 Millionen Euro für unnötige Tiefgaragen am Nordwestbahnhofareal", so Ohrhallinger.
Diese berechnete Summe an zusätzlichen Kosten für Garagen versteht Gemeinderat Erich Valentin (SPÖ) nicht: "100 Millionen Euro, das ist irgendeine Summe." Denn bisher seien weder die Bauflächen noch die Tiefgaragen ausgeschrieben, die Kosten stünden noch nicht fest. Anders sehe es laut Valentin, der auch Vorsitzender des Gemeinderat-Ausschusses für Innovation, Stadtplanung und Mobilität ist, mit der Zahl der geplanten Parkplätze aus: Diese sei mit bis zu 6.400 in etwa richtig. Allerdings seien das weitaus weniger, als es bei einem Stadtentwicklungsgebiet jemals der Fall war.
"Laut Bauordnung sind pro 100 Quadratmeter ein Parkplatz vorgeschrieben", erläutert Valentin. Je näher sich ein Gebäude aber am öffentlichen Verkehr befindet, desto geringer müsse die Anzahl der Parkplätze ausfallen. Schließlich würde die Baupolizei (MA 37) den Bauträgern genau vorgeben, wie viele Parkplätze errichtet werden müssen bzw. dürfen. Demnach soll es in der Brigittenau nur einen geringen Zuwachs des Verkehrs geben. Auf alle Bewohnenden gerechnet, werde der Anteil an Autos sich so gut wie gar nicht verändern.
"Wir werden nie auf null Autos kommen", ist sich der Gemeinderat sicher. Denn brauche es schließlich Rettungswägen, Pflegedienste oder Lieferwägen für Geschäfte. Auch gerade deshalb seien Tiefgaragen im neuen Grätzl unabdingbar. "Diese werden auch für die Infrastruktur genutzt", so Valentin. Dabei beziehe er sich etwa auf Paketstationen, Lieferungen an Supermärkte oder Pflegedienste. "Aber natürlich brauchen auch E-Autos einen Platz zum Parken und Laden."
Aber nicht nur deshalb sei das Projekt Nordwestbahnhof für Valentin "revolutionär." Die Planungen haben bereits vor vielen Jahren unter der ehemaligen Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung, Maria Vassilakou (Grüne), begonnen. Laut Valentin sei es aber ein "Vorzeigeprojekt". Auch weil 60 Prozent der Wohnungen gefördert bzw. Gemeindebauten sein sollen.
Flächenwidmung so gut wie beschlossen
Trotz der Uneinigkeiten laufen die politischen Rädchen weiter. Während die Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund der Revision noch nicht als abgeschlossen anzusehen ist, scheint die Änderung der Flächenwidmung so gut wie durch zu sein.
Von der Brigittenauer Bezirksvertretung wurde die neue Flächenwidmung bereits mit der Mehrheit der Stimmen abgesegnet und ging somit ohne Verzögerungen an den Gemeinderat weiter. Auch dort hat sie den Ausschuss für Innovation, Stadtplanung und Mobilität passiert. Als Nächstes steht der Beschluss im Gemeinderat an. Dieser tagt das nächste Mal
am Mittwoch, 20. März, und hat auch die Flächenwidmung des Nordwestbahnhofs auf seiner Agenda. Valentin ist zuversichtlich, dass auch der Gemeinderat zustimmen wird. Ob das der Fall ist bzw. wie viele Gegenstimmen es geben wird, bleibt letztlich abzuwarten.
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