Leser-Bilanz
Das sagen die Donaustädter nach einem Jahr Parkpickerl
Die BezirksZeitung hat nach der Meinung der Menschen in der Donaustadt zum Parkpickerl gefragt. Zahlreiche Leserinnen und Leser haben sich gemeldet. Hier der erste Teil der Einsendungen.
WIEN/DONAUSTADT. Seit über einem Jahr begleitet das Parkpickerl nun auch die Menschen in der Donaustadt. Während zuletzt die politischen Parteien ihr Resümee über das erste Jahr gezogen haben, kommen jetzt die Donaustädter Leserinnen und Leser zu Wort. Dabei zeigt sich, warmgeworden mit dem Pickerl sind bei weitem nicht alle Menschen im 22. Bezirk.
"Ich finde, wenn es bei der Einführung des Parkpickerls um die Pendler gegangen wäre, hätte man den Personen, die im Bezirk hauptgemeldet sind, eine gratis Parkbescheinigung ausstellen können. Aber so wie es aussieht, stehen die Einnahmen im Vordergrund. Und eins wurde noch draufgesetzt: Park & Ride wurde um fünfzig Cent teurer. So sieht man in Wien aufs arbeitende Volk", zeigt sich etwa Werner enttäuscht.
Die Situation am Stadtrand
Auch Familie Calabek zeigt sich nicht begeistert: "Es mag in gewissen Regionen von Wien von Vorteil sein, aber im Bereich der Stadtgrenze, gibt es Parkplätze ohne Ende, da hier nur Einfamilien- bzw. Reihenhäuser sind, ist das Parkpickerl unnötig". Sie wohnen am äußersten Rand von Essling. Auswirkungen hat die Situation deshalb auch auf Besucherinnen und Besucher.
"Wenn unsere Tochter mit Mann und Baby aus dem Waldviertel zu Besuch kommt, wenn unsere andere Tochter mit Mann und vier kleinen Kindern oder unser Sohn aus Graz zu Besuch kommt, oder meine über 80-jährigen Eltern vom anderen Ende von Wien kommen, wohin mit dem Auto?", fragt Frau Calabek.
Ein oder zwei Tage durchgehend von 9 bis 22 Uhr Parkscheine ausfüllen könne auch nicht die Lösung sein. "Warum sollten sie nicht da parken? Es ist Platz genug! Da sollte es noch eine Lösung geben, denn die Autos in Groß Enzersdorf zu parken und dann einen Familienshutteldienst zu machen, ist doch eigentlich absurd, aber für uns die einzige Lösung, die uns im Moment einfällt", so die Esslinger.
Der Frieden wurde gestört
Ernst Pitlik sieht durch das ständige Wachstum der Donaustadt neue Herausforderungen: "Es wird alles zubetoniert und es ziehen immer mehr Menschen in den Bezirk. Durch die vielen Baustellen ist es zu gewissen Zeiten ganz schwer, einen Parkplatz zu finden, besonders in den Abendstunden, Samstag und Sonntag. Die Kurzparkzeiten gehörten ausgedehnt und die Strafen gehören erhöht. 36 Euro ist nicht wirklich viel, auch wird viel zu wenig kontrolliert."
Sabine ist froh, ihrem Ärger über das Parkpickerl einmal Luft machen zu können. Sie und ihre Familie leben am Stadtrand. "Bei uns können die Gehsteige am Abend nicht eingerollt werden, wir haben nämlich gar keine. Seit hier diese Siedlung besteht, die Ende des Ersten Weltkriegs entstanden ist, hatten die Leute unbedarft und friedlich gelebt. Wir brauchten niemanden, der gesetzlich regelt, wie, wann, wo ein Auto steht."
Doch mit diesem Frieden sei es seit einem Jahr vorbei. "Man ist darauf eingestellt, dass wir keine Infrastruktur haben. Zum Einkaufen muss man halt mit dem Auto fahren, denn der nächste Supermarkt ist vier bis fünf Kilometer entfernt und auch sämtliche anderen Erledigungen bringen weite Wege mit sich und Querverbindungen sind kaum vorhanden, nur eine Busverbindung zur U2, aber an der Strecke ist infrastrukturtechnisch gar nichts, nur am Ende die U-Bahn."
Am Abend alles beim Alten
Auch viele alte, gebrechliche Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, würden hier leben, so die Donaustädterin. Die helfenden oder pflegenden Angehörigen würden genauso zur Kasse gebeten, wie die Anwohner und Anwohnerinnen, die keinen Abstellplatz im Garten haben und eben aufgrund der Gegebenheiten auf das Auto angewiesen seien.
"Was stellt sich die Regierung vor? Es wird nie funktionieren, dass alle Wiener Rad fahren, denn mit körperlichen Beeinträchtigungen, die im Alter zunehmen, ist das einfach nicht möglich", kann Sabine die Argumentation nicht nachvollziehen. Und weiter: "In dieser Gegend und das noch dazu bis 22 Uhr ist das provokative Abzockerei, nichts Anderes, beschlossen von abgehobenen, weltfremden, empathielosen Politikern."
In der Donaustadt sei eigentlich keine Änderung der Parkplatzsituation zu erkennen, meint Christoph Neubauer. Abgesehen von ein paar wenigen Plätzen im Bezirk: "Maximal tagsüber sind einige Parkplätze frei, aber abends hat sich an der Situation nicht viel geändert. Es gibt genauso wenige freie Parkplätze wie vor Einführung des Parkpickerls."
Ein Blick nach Kaisermühlen
Helmut Schredl wohnt seit 48 Jahren in Kaisermühlen und kennt dort "Land und Leute", so ist ihm auch einiges aufgefallen: "Das Parkpickerl gilt nicht am Samstag und Sonntag. Das bedeutet, dass 20 Prozent der Pickerlzeit nicht betroffen sind. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Kaisermühlen leiden also mit Beginn der warmen Zeit bis zum Herbst unter derselben Parkplatzmisere wie vor Einführung des Parkpickerls."
Groß sei verkündet worden, wie viel Parkflächen mit Einführung des Parkpickerls in Kaisermühlen frei wurden. Wenn man diese Aussage näher betrachte, falle auf, dass es sich um den „Gänsehäufelparkplatz“, den Parkplatz neue Donau Mitte und um freie Parkplätze nach dem Schüttauplatz Richtung Donaustadtbrücke handle, so Schredl: "Von der Wagramerstraße bis zum Schüttauplatz ist fast kein Parkplatz zu finden."
In Kaisermühlen werde parkplatzmäßig reduziert und reduziert, so der Kaisermühlner. So sei die Parkplatzsituation in zwei bis drei Jahren wieder so, wie vor Einführung des Parkpickerls. "Der einzige grandiose Unterschied ist, dass man dann für die nicht vorhandenen Parkplätze die jährliche Gebühr entrichten darf", so Schredl.
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