365 Tage Camp
Jubiläum für Protest gegen Lobautunnel und Stadtstraße

- "Sozial is' mus(s)" steht auf den Schildern der Aktivistinnen und Aktivsten.
- Foto: LobauBleibt
- hochgeladen von Julia Schmidt
Seit genau einem Jahr wird gegen den Lobautunnel und die geplante Stadtstraße protestiert. Nach den Räumungen der Protestcamps in der Hausfeld- sowie Hirschstettner Straße erhöht die Stadtregierung nun auch den Druck auf das Camp in der Anfanggasse.
WIEN/DONAUSTADT. Am Samstag, 27. August, jährt sich der Protest gegen den Lobautunnel und die Stadtstraße in der Donaustadt. Seit genau einem Jahr campieren die Umweltaktivistinnen und -aktivisten im Park in der Anfanggasse - nach den Räumungen der Camps in Hausfeldstraße und Hirschstettner Straße ist dieses Protestcamp ist auch das einzige, das bis heute besteht.
Laut "Lobau bleibt!"-Bewegung ist das Protestcamp bis 30. September behördlich genehmigt. Die Stadt hat den Umweltschützern jedoch vor kurzem gemeinsam mit der Polizei einen Besuch abgestattet und eine Frist bis 5. September gesetzt. Die BezirksZeitung berichtete (siehe unten). Begründet wird das von Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) mit "notwendigen Baumpflegemaßnahmen", aber auch, dass der öffentliche Park an der Anfanggasse nach einem Jahr Protestcamp wieder "allen Wienerinnen und Wienern zur Verfügung stehen soll."

- Jänner 2022: Das Protestcamp gegen die Stadtstraße wurde letztendlich geräumt.
- Foto: Franziska Marhold
- hochgeladen von Sophie Brandl
Lobau-Aktivistin Jutta Matysek tritt dem entgegen: "Dass unser Protestcamp die Baumpflege behindern würde, ist absurd. Wir haben ein gutes Einvernehmen mit den Wiener Stadtgärten und räumen für die Baumpflege benötigte Flächen natürlich sofort frei", so Matysek. "Daher liegt die Annahme nah, dass die Baumpflegemaßnahmen als Vorwand genutzt wurden, um den Protest zu beenden und dass noch weitere Vorwände folgen."
Ein Camp, zwei Camps, drei Camps
Das Camp in der Anfanggasse ist jenes mit der längsten Bestandsdauer, wurden doch zwei andere Protestcamps, die erst nach August 2021 eingerichtet wurden, zwischenzeitlich behördlich geräumt: jenes in der Hausfeldstraße und jenes in der Hirschstettner Straße.
Wie schaut es an den vormaligen Protestorten aktuell aus? Die Hausfeldstraße wird aktuell von der U2 nicht angefahren – Grund sind Bauarbeiten, die auch am Gelände des ehemaligen Protestcamps stattfinden. Die Stadtstraße soll dort einmal unterirdisch verlaufen, deshalb wurde die U2-Station Hausfeldstraße gerade untertunnelt. Zu Schulbeginn am 5. September wird die U-Bahn dort laut Wiener Linien wieder fahrplangemäß fahren.
Zug fährt nicht ab
Nicht angefahren wurde die U-Bahn-Station zuletzt am 1. Februar, als das Protestcamp Hausfeldstraße von der Polizei geräumt worden ist – die Stadtregierung hatte als Eigentümervertreter die Räumung veranlasst, 48 Umweltaktivisten wurden festgenommen. Zeitgleich zur Räumung, bei der die weithin sichtbare Holzpyramide per Bagger abgerissen wurde, sind im ganzen 22. Bezirk rund 400 Bäume gefällt worden – als Vorarbeiten für die verschiedenen Baustellen der Stadtstraße.

- Die Räumung der "LobauBleibt"-Bewegung verlief friedlich.
- Foto: Maximilian Spitzauer
- hochgeladen von Maximilian Spitzauer
Vorangegangen waren wochenlange – ergebnislose – Diskussionen zwischen "Lobau bleibt!" und Stadtplanungs-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ), die die Stadtstraße stets als "wesentlich für den Bau von rund 60.000 Wohnungen" bezeichnet hatte, die aber auch Arbeitsplätze und den Ausbau der Wirtschaft anführte.
Kurz vor Silvester vergangenen Jahres ging dann im dritten Protestcamp in der Hirschstettner Straße mitten in der Nacht eine Holzhütte, in der Umweltschützer schliefen, in Flammen auf. "Es waren acht Aktivisten und Aktivistinnen in der Holzhütte. Alle sind zum Glück rechtzeitig herausgekommen", sagte damals Lena Schilling, Sprecherin von LobauBleibt. "Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn alle geschlafen hätten."
Es brennt!
Verurteilt wurde der Brandanschlag, bei dem laut Polizeiermittlungen Brandbeschleuniger verwendet wurde, von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne): "Wenn sich dieser Verdacht erhärtet, wurde die Gesundheit von jungen Menschen bewusst aufs Spiel gesetzt. Das ist auf das Schärfste zu verurteilen."
Aber auch Innenminister Gerald Karner (ÖVP) reagierte empört auf den Brandanschlag, ebenso wie Erich Valentin (SPÖ), Vorsitzender des Mobilitätsausschusses im Rathaus, und Stefan Gara, Klimaschutzsprecher der Wiener Neos. Einzig FPÖ-Klubobmann Anton Mahdalik vermutete, dass "eventuell besoffene oder eingekiffte Baustellenbesetzer die Holzbaracke selber durch eine illegale Feuerstelle beim Vorglühen für Silvester abgefackelt" hätten.

- Die Holzbaracke des Protestlagers brannte in der Nacht auf den Silvestertag 2021 ab.
- Foto: Hammer
- hochgeladen von Mathias Kautzky
Anfang April 2022 wurde das Protestcamp in der Hirschstettner Straße schließlich ebenfalls geräumt. Die rund 30 Umweltschützer sahen sich 400 Polizisten samt Hubschraubern gegenüber, am Ende wurden 24 Personen wegen Verwaltungsübertretungen angezeigt.
Geht der Protest weiter?
Zuletzt hat sich der Protest gegen die Verbauung in Richtung "Guerilla-Stil" entwickelt: Platzten doch rund zehn Klimaaktivisten in die Eröffnung des umgebauten Pratersterns mit Sima und Czernohorszky und protestierten lautstark gegen die geplante Sport & Fun-Halle in der Venediger Au im 2. Bezirk. Man darf gespannt sein, wie es mit dem Protestcamp samt Protest nach dem 5. September weitergehen wird.
Einstweilen wird trotz der Räumungs-Drohungen im Protestcamp Anfanggasse am Wochenende vom 27. und 28. August groß gefeiert: Angekündigt sind etwa Klima-Workshops samt Diskussionen über Klimagerechtigkeit (Samstag, 15 Uhr) genauso wie Musikkonzerte ab 17 Uhr. Am Sonntag wird um 14 Uhr eine Studie der Arbeiterkammer über den Bauboom in Wien seit 2018 präsentiert, ab 15 Uhr wird über "Stadtstraße oder Autobahn" diskutiert.

- Derzeit befinden sich bis zu 20 Aktivistinnen und Aktivisten im Protestcamp.
- Foto: zVg
- hochgeladen von Antonio Šećerović
Das Jubiläums-Wochenende wird auch zur Planung der österreichweiten Mobilitätswende-Konferenz genutzt, die für 10. und 11. September angesetzt ist. Gemeinsam mit Umweltaktivisten, die etwa in Salzburg gegen die Mönchsberggarage eintreten, werden nicht nur Protestaktionen geplant, sondern vor allem der Ausbau von Öffis statt des Baues von Straßen gefordert.
Die Chronologie der Proteste zum Einjährigen:
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