Opfer erleiden oft schweres Trauma
Opfer von Sexualdelikten kämpfen mit jahrelangen Folgen. Fälschlicherweise
Beschuldigte ebenfalls.
Ein tragischer Fall: Nach Anschuldigung einer Schülerin, von einem Busfahrer sexuell belästigt worden zu sein, nahm sich der beschuldigte Kärntner kürzlich das Leben. Ob der Mann zu Unrecht bezichtigt worden war oder er das Mädchen tatsächlich belästigt hat, konnte nicht (mehr) geklärt werden.
Ruf für lange Zeit geschädigt
Zu Unrecht eines Sexualdeliktes Beschuldigten rät AVS-Psychologe Kurt Kurnig, sich auf Familie und Freunde zu stützen, die einem Glauben an die Unschuld schenken. Abzuraten sei, sich in irgendeiner Form öffentlich zu äußern: „Egal, was man sagt, der eigene Ruf ist geschädigt.“
Der Tatbestand der sexuellen Belästigung (§ 218) ist im Wesentlichen dann erfüllt, wenn jemand eine Person durch eine geschlechtliche Handlung an ihr oder vor ihr belästigt. Oft sind die Grenzen schwer zu definieren. „Pfeift ein Mann einer Frau auf der Straße hinterher, ist das sexuelle Belästigung, jedoch noch nicht strafbar“, ergänzt Landeskriminalamtschef Oberst Gottlieb Türk.
Laut Kriminalstatistik wurden in Kärnten im Vorjahr 193 Anzeigen wegen strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit erstattet. „Das ergibt ein Plus von 7,8 Prozent zum Vergleichsjahr 2009“, weiß Türk. Die Steigerung sei auf keine bestimmte Ursache zurückzuführen. „Das Sexualstrafrecht ist im zehnten Abschnitt des Strafgesetzbuches geregelt“, erklärt Helmut Jamnig von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt.
Droht für Vergewaltigung eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren oder lebenslänglich, liegt der Strafrahmen für sexuellen Missbrauch von Jugendlichen über 16 Jahren etwa bei bis zu einem Jahr Haft oder einer Geldstrafe. Kurnig: „Bei Opfern bis 15 Jahre erfolgt der größte Teil von sexueller Belästigung bis hin zum Missbrauch durch Täter aus dem sozialen Umfeld, wie Familie oder Nachbarn.“
Opfer oft schwer traumatisiert
Opfer von Sexualdelikten erleiden z. B. durch eine sexuelle Belästigung einen Schock, der ihr sicheres Umfeld bis ins Mark erschüttern kann. Kurnig: „Je jünger ein Opfer ist, je näher ihm der Täter steht und je größer der Altersunterschied zwischen Opfer und Täter, desto größer kann die Traumatisierung sein.“ Spätfolgen für Opfer von Sexualdelikten reichen von Belastungsreaktionen bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen oder psychischen Krankheiten wie Depression oder Angststörung.
Strafrecht:
Laut Strafgesetzbuch zählen zu strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung mitunter Delikte wie Vergewaltigung, geschlechtliche Nötigung, sexueller Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person, schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen, pornographische Darstellung Minderjähriger oder Zuhälterei.
Tätigkeitsverbot: Da Kinder und Jugendliche vorwiegend von Tätern aus dem nahen sozialen Umfeld belästigt oder missbraucht werden, reagierte der Gesetzgeber 2009 darauf mit Einführung des § 220 im Strafgesetzbuch: So kann unter bestimmten Umständen über Täter, wie Erzieher oder Ausbilder, ein Tätigkeitsverbot für eine unbestimmte Zeitspanne verhängt werden.
3 Fragen an Kriminalist Gottlieb Türk:
WOCHE: Wer sind Ihrer Erfahrung nach die Opfer und Täter bei sexuellem Missbrauch?
Gottlieb Türk: Es gibt überwiegend männliche Täter und weibliche Opfer.
Welche Sexualdelikte kommen sehr häufig vor?
Leider immer wieder schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen im Familienbereich.
Was rät die Polizei Opfern von Missbrauch?
In jedem Fall Anzeige erstatten! Auf Wunsch wird die Anzeige völlig vertraulich an jedem gewünschten Ort aufgenommen.
Autorin: Eva Maria Peham
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